In Hessen dürfen Callcenter-Mitarbeiter sonntags nicht mehr arbeiten. Foto: dpa

Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts dürfen künftig vielleicht auch Beschäftigte im Südwesten die Beine hochlegen.

Stuttgart - Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, wonach eine Beschäftigung von Arbeitnehmern in Videotheken, Büchereien und Call-Centern an Sonn- und Feiertagen nicht erforderlich ist, um besondere Bedürfnisse der Bevölkerung zu decken, stehen die Regelungen in Baden-Württemberg auf dem Prüfstand. Da es dort ähnliche Ausnahmen bei der Sonn- und Feiertagsarbeit gebe wie in Hessen, „werden wir die Urteilsbegründung nun im Detail prüfen, um zu entscheiden, ob und, wenn ja, welche Konsequenzen daraus gezogen werden müssen“, sagte eine Sprecherin des Arbeitsministeriums. „Es ist ein normaler Vorgang, dass Länder Urteile zum Anlass nehmen, ihre Regelungen anzuschauen.“ Welche Folgen das Urteil auf die Rechtslage im Land haben wird, werde laut der Sprecherin auch davon beeinflusst, ob der Bund das Arbeitszeitgesetz ändert. Unmittelbare Auswirkungen für bestehende Ausnahmeregelungen habe der Richterspruch nicht.

In Deutschland steht der Sonntag per Grundgesetz unter besonderem Schutz. Das Arbeitszeitgesetz umfasst aber Ausnahmen für Not- und Rettungsdienste, Kliniken, Theater oder Medien. Zudem erlaubt es den Bundesländern, weitere Ausnahmen zu erlassen. Theoretisch könnte der Südwesten also alle Sonderregelungen kippen. In der sogenannten Bedarfsgewerbeverordnung des Landes dürfen neben Call-Center-Mitarbeitern Gärtner, Blumenhändler, Bestatter, Brauer, Eishersteller oder Makler sonntags arbeiten. Videotheken und öffentliche Bibliotheken müssen dagegen zubleiben.

Der Stuttgarter Arbeitsrechtler Frank Hahn glaubt nicht, dass der Bund das Arbeitszeitgesetz ändert. Demnach werden die Bürger sonntags weiter Gaststätten besuchen und Brötchen kaufen können. „Frische Brötchen sind sonntags auch nicht zwingend nötig. Ein Verbot ließe sich aber nicht durchsetzen. Die jeweiligen Verbände würden Sturm laufen“, sagte Hahn.

Gewerkschaften und Kirchen begrüßen das Urteil. Verdi-Landeschefin Leni Breymaier sagte: „Der Sonntag ist der Tag für Erholung und Gemeinschaft. Darauf muss eine Gesellschaft sich verlassen können.“ Für den reinen Kommerz brauche es keine Ausnahme. Man gehe davon aus, dass das Land rechtswidrige Passagen aus den Vorschriften streiche, sagte ein Sprecher.

Die Arbeitgeber Baden-Württemberghoffen, dass das Land das Urteil nicht zum Anlass nimmt, die gesamte Bedarfsgewerbeverordnung auf den Kopf zu stellen. Solange die Sonntagsarbeit dort erlaubt bleibt, wo sie aus wirtschaftlicher Sicht erforderlich ist, sei eine Anpassung der Verordnung kein Problem, sagte ein Sprecher. Im Südwesten arbeiten nach eigenen Angaben 172 000 Menschen ständig, 515 000 regelmäßig und 716 000 gelegentlich am Sonntag.