Die EU-Kommission will eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung für den Euro-Raum schaffen Foto: dpa

Mit Infografik - Getarnt als gemeinsame Arbeitslosenversicherung, will EU-Sozialkommissar Lászlo Andor ein neues Transfersystem etablieren. Doch Arbeitgeber und Gewerkschaften lehnen das Projekt ebenso ab wie die Bundesregierung und der Sachverständigenrat.

Brüssel - Die Zahl ist in der Tat dramatisch: 26 Millionen Menschen in der EU sind arbeitslos. Rezepte dagegen werden seit Monaten gesucht. László Andor, in Brüssel als Sozialkommissar tätig, glaubt, eines gefunden zu haben: die europäische Arbeitslosenversicherung. Inzwischen steht der Mann nicht mehr alleine da.

Auch der sozialistische französische Finanzminister Pierre Moscovici, der sich demnächst um den Job des Wirtschaftskommissars in der neuen EU-Kommission bewirbt, unterstützt den Vorstoß, den Andor so beschreibt: „Alle Mitgliedstaaten zahlen einen Teil ihrer Einnahmen in einen gemeinsamen Topf und bekommen je nach Höhe der Arbeitslosigkeit einen Anteil zurück. Eine gemeinsame Versicherung würde dem Währungsraum endlich ein menschliches Gesicht verleihen.“

Arbeitslose in Europa

Doch die Idee ist weder neu noch originell: Seit rund zwei Jahren geistert der Vorschlag einer solchen zusätzlichen Sozialversicherung, deren jährliches Aufkommen auf rund 96 Milliarden Euro veranschlagt wird, durch die europäischen Gremien, wo er mit gleicher Regelmäßigkeit wieder zurückgewiesen wird. Zum einen weil die Bundesregierung „erhebliche Bedenken“ dagegen vorbringt, wie es in einer Stellungnahme des Bundesarbeitsministeriums heißt. Zum anderen weil auch namhafte Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsexperten sowie führende Gewerkschafter die Wirksamkeit anzweifeln. „Eine europäische Arbeitslosenversicherung brächte nur Ärger, da sie den Vorwurf auslöst: Da haben wir ja die Transferunion“, betonte beispielsweise Peter Bofinger von der Universität Würzburg, eines der fünf Mitglieder des Sachverständigenrats der Bundesregierung.

Vor allem der Blick auf die Details zeigt, wie schwer ein solcher Plan umsetzbar wäre. Ganz abgesehen davon, dass Deutschland alleine rund 30 Prozent des Aufkommens schultern müsste (wohlgemerkt zusätzlich zur eigenen Arbeitslosenversicherung), würden nach einer Berechnung des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung wohl auch nur Malta und Irland profitieren. Alle übrigen Mitgliedstaaten – also zum Beispiel auch Griechenland und Spanien, wo die Quote der Arbeitsuchenden bei über 26 Prozent liegt – müssten einzahlen.

Völlig unterschiedliche Regelungen in den Ländern hätte man anzugleichen: In Frankreich gibt es nach vier Monaten Arbeitslosengeld, in Griechenland erst nach zwölf Monaten, in Deutschland beginnt das Arbeitslosengeld I sofort. In der Slowakei endet der Bezug nach sechs Monaten, in Belgien hat man jede Begrenzung fallengelassen. So erhalten einige Langzeitarbeitslose in dem Benelux-Land seit 20 Jahren staatliche Stütze. Das würde das Andor-Modell nicht ändern können.

Der Kommissar denkt ohnehin nur an eine Art Sockel-Leistung von 40 Prozent des letzten Nettogehaltes, jede Regierung soll die Laufzeit und die Höhe verändern dürfen. Für einen deutschen Arbeitsuchenden gäbe es also nicht nur keine Verbesserung, er müsste auf dem Umweg über die Steuern sogar noch mehr für andere europäische Jobsuchende bezahlen. Hinzu kommen massive Zweifel daran, ob eine solche Transfer-Union für den Arbeitsmarkt, die noch dazu laut EU-Vertrag verboten ist, die richtigen Anreize setzt. „Was Europa braucht, sind Reformen für Wettbewerbsfähigkeit“, bringt der Vorsitzende der CDU-Europa-Abgeordneten, Herbert Reul, die Einwände auf den Punkt. Tatsächlich befürchten viele Experten, dass der Druck zur Reform des Arbeitsmarktes sinken könnte, wenn man die Kosten nicht mehr alleine tragen muss.