Peter Scheurich wünscht sich mehr Respekt für behinderte Menschen. Foto: Daimler

Der sehbehinderte Peter Scheurich will Arbeitgebern helfen, Berührungsängste abzubauen. Er weiß, dass das Leben für jeden Herausforderungen bringt, egal ob mit oder ohne Behinderung.

S-Nord/Feuerbach - Der Arbeitsplatz von Peter Scheurich ist etwas anders eingerichtet als die seiner Kollegen. Statt einem Monitor hat er zwei, an seinem Laptop ist eine Kamera installiert. Die verwendet er, um bei Schulungen Bildschirmpräsentationen lesen oder Kleingedrucktes einscannen und vergrößern zu können. Die Hilfsmittel braucht der 45-Jährige, weil er sehbehindert ist. Bereits seit seiner Geburt hat er einen Grauen Star, seine Sehkraft liegt bei 20 Prozent. „Aber meine Arbeit ist hier ganz normal“, sagt er. Scheurich ist als Projektmanager bei Daimler Financial Services am Pragsattel tätig. Dort war seine Behinderung nie ein Thema. „Beim Bewerbungsgespräch wurde mir dazu nur eine einzige Frage gestellt: Wie können wir Sie unterstützen?“, berichtet er.

„Ich wäre gerne Tontechniker geworden“

Das war nicht immer so. Scheurich, ein gebürtiger Franke, besuchte zunächst ein Blindeninternat in Würzburg. „Danach wollte ich aber auf eine ‚normale’ Schule gehen“, erzählt er. Auf dem Gymnasium fiel es ihm trotz Lerneifer schwer, mitzuhalten: „Selbst in der ersten Reihe konnte ich nichts von der Tafel ablesen“, erinnert er sich. Nach dem Wechsel auf die Realschule machte er seine Mittlere Reife und stand dann vor der Frage, was er beruflich machen wollte. Typische Blindenberufe wie beispielsweise Korbflechter interessierten ihn nicht. „Ich wäre gerne Tontechniker geworden“, sagt Peter Scheurich. Doch weder dafür noch als Bürokaufmann findet er eine Ausbildungsstelle, bekommt nur Absagen. „Zwischen den Zeilen konnte man lesen, dass meine Behinderung durchaus eine Rolle spielte“, so Scheurich. Schließlich beginnt er eine kaufmännische Ausbildung bei der Nikolauspflege am Kräherwald. „Während der letzten Monate in der Ausbildung war ich im IT-Bereich tätig“, erzählt er, „das hat mir Spaß gemacht.“

In diesem Bereich bleibt er auch, als ihm noch in der Praxiszeit der Ausbildung die erste Stelle angeboten wird. Seit 2012 ist er nun bei Daimler im Datenqualitätsmanagement. „Die Behinderung gehört zu mir“, sagt Scheurich. „Die Kollegen akzeptieren mich so, wie ich bin, und wenn ich Hilfe brauche, dann sage ich es schon.“

Arbeitgeber sind oft ängstlich

Dass es vielen sehbehinderten Menschen anders geht, weiß er nur zu gut: „In meinem Bekanntenkreis gibt es einige, die mehr bitten, mehr fragen müssen“, sagt Peter Scheurich. Vor allem habe er auch schon oft gehört, dass die Schwerbehindertenbeauftragten in den Firmen „nicht die Unterstützung geben, die gebraucht wird“. Ihm ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass auch sehbehinderte Menschen, überhaupt alle Menschen mit einer Behinderung, eine Chance verdienen: „Dass ich ein Handicap habe, bedeutet ja nicht, dass ich keine gute Arbeit leisten kann und will“, sagt Scheurich. „Aber die Arbeitgeber sind oft zu ängstlich.“

Das Leben hat für jeden seine Herausforderungen

Er hofft, beim Abbauen von Berührungsängsten helfen zu können – auch bei den eigenen Kollegen. Rund hundert von ihnen haben kürzlich beim sogenannten „Day of Caring“, den Daimler Financial Services intern regelmäßig organisiert, Scheurichs ehemalige Ausbildungsstätte, die Nikolauspflege, besucht. Dabei wurde auch der „Perspektivwechsel“ simuliert, also die Blindheit – mit einer Augenbinde . „Wir verlassen uns alle auf das Sehen, jeden Tag, und wenn man sehen kann, weiß man nicht, wie es ist, wenn man sich blind zurechtfinden muss“, sagt Peter Scheurich. „Gerade die Arbeitgeber sollten mehr auf die Stärken als auf die Schwächen schauen. Herausforderungen hat jeder Mensch im Leben, egal ob mit oder ohne Handicap.“

Tag des weißen Stocks:
Am Mittwoch, 15. Oktober, können Passanten im Hauptbahnhof zwischen 11 und 14 Uhr im Selbstversuch ausprobieren, wie sie sich mit Augenbinde und Blindenstock im Hauptbahnhof entlang der Leitlinien zurechtfinden. Organisiert wird die nationale Aktion von Selbsthilfeorganisationen.