Hermann Pöschl züchtet in Denkendorf bei Esslingen Forellen. In Deutschland ist die Fischzucht jedoch weit unter ihren Möglichkeiten Foto: Max Kovalenko

Neun von zehn in Deutschland verzehrten Fischen kommen aus dem Ausland. Ein nationaler Strategieplan der Agrarminister will dies ändern. Doch die Fischereiverbände klagen über zu viele Auflagen für die Zucht.

Neun von zehn in Deutschland verzehrten Fischen kommen aus dem Ausland. Ein nationaler Strategieplan der Agrarminister will dies ändern. Doch die Fischereiverbände klagen über zu viele Auflagen für die Zucht.

Stuttgart - Hermann Pöschl (55) hat den Räucherofen angeheizt. Sauber aufgereiht hängen darin Regenbogen- und Lachsforellen. Welche Holzart er für das Feuer nimmt, verrät Pöschl nicht. „Geheimrezept“, sagt er und lächelt verschmitzt. In fünf Betonbecken wachsen die Fische in seinem Betrieb Körschtal-Forellenzucht in Denkendorf bei Esslingen heran. Das Wasser kommt aus einer eigenen Quelle auf der Wiese über der Anlage, zu der auch ein kleiner Imbiss gehört. 60 000 Fische verkauft Pöschl pro Jahr an etwa 10 000 Kunden, darunter auch einige Restaurants. Tendenz steigend.

Fisch steht bei den Deutschen immer öfter auf dem Speiseplan. 15 Kilogramm sind es derzeit pro Jahr. Deutschlands Selbstversorgungsgrad mit Fisch dagegen sinkt seit Jahren. Aktuell liegt er nur noch bei gut zehn Prozent. Die Kutter in der Nord- und Ostsee fangen nicht mehr viel. Stattdessen kommt Fisch immer öfter aus riesigen Aquakulturen in Asien oder anderswo auf der Welt. Berechnungen der OECD gehen davon aus, dass im Jahr 2020 nur noch 44 Prozent der Fische aus Wildfang stammen. Im Jahr 1990 waren es noch über 80 Prozent. Doch von den Zuwachsraten bei der Zucht profitieren andere Länder. Statt Forelle aus heimischer Produktion steht in den Kantinen der Republik viel häufiger Pangasius aus China auf der Speisekarte.

Der Nationale Strategieplan Aquakultur, der von der Agrarministerkonferenz der Länder Ende Juli dieses Jahres verabschiedet wurde, will dies ändern – und malt darin eine rosige Zukunft. „Deutschland ist mit seinen Wasserressourcen von hoher Qualität, seinem technischen Know-how und der Nähe zu Absatzmärkten ein hervorragender Standort für die binnenländische Aquakultur“, heißt es in der Einleitung. Bei Arten wie der Forelle könne Deutschland sich innerhalb von 10 bis 15 Jahren komplett selbst versorgen. Bisher stammt auch bei dieser Art über die Hälfte aus dem Ausland, etwa der Türkei oder Italien. Mit dem knapp 90-seitigen Papier soll eine Trendwende in der Entwicklung der deutschen Aquakultur eingeleitet werden. Dafür bedürfe es gemeinsamer Anstrengungen von Unternehmen, Verbänden, Verwaltung und Forschung.

Auch in Baden-Württemberg, das die meisten Forellen aller deutschen Bundesländer produziert, sind die Voraussetzungen gut. Knapp 200 zumeist familiär organisierte Betriebe sind statistisch erfasst – vom Schwarzwald, wo es die meisten Anlagen gibt, bis hin zur Schwäbischen Alb. Sie haben im Jahr 2013 knapp 3500 Tonnen Fisch erzeugt, darunter vor allem Regenbogen- und Lachsforellen, aber auch Saibling oder Zander. Experten zufolge könnte es jedoch viel mehr sein. „Wir haben die naturräumlichen Gegebenheiten und das entsprechende Wasser zur Verfügung“, sagt Alexander Brinker, Leiter der Fischereiforschungsstelle des Landes in Langenargen am Bodensee. „Es ist ein sehr gutes Lebensmittel, der Markt wächst stark, aber außer Forschung passiert wenig.“ So werde eben weiter die Forelle aus der Türkei gegessen.

Für die Stagnation der Fischzucht machen Fischer vor allem die hohen behördlichen Auflagen verantwortlich. „Das Problem sind die Genehmigungen“, sagt Ulrich Hargina, Chef des Landesverbands der Berufsfischer und Teichwirte Baden-Württemberg. Tatsächlich ist im Land seit dem Jahr 2009 nur eine neue Forellenzuchtanlage errichtet worden. „Mal scheitert es am Wasserrecht, mal am Baurecht, mal am Naturschutz“, sagt Hargina. Er fordert deshalb, endlich die Hürden für neue Betriebe zu senken. „Wir könnten mehr erzeugen – dass dies so erschwert wird, ist nicht nachvollziehbar“, klagt auch Reinhart Sosat vom Landesfischereiverband. Und manche Fischer monieren hinter vorgehaltener Hand, dass die Landesregierung bei der Genehmigung von Wasserkraftwerken offenbar kulanter sei. Fisch betrachteten die Naturschützer im Land am liebsten nur als Futter für Kormoran und Fischreiher.

Oftmals haben die Betriebe auch mit Vorurteilen zu kämpfen. So etwa ist die Meinung weit verbreitet, dass in der Fischzucht häufig Medikamente eingesetzt würden. „Der Einsatz von Antibiotika ist heute verschwindend gering“, sagt dagegen Alexander Brinker von der Fischereiforschungsstelle. Auch das Argument, bei Raubfischen wie Lachs oder Forelle müsse mehr Fisch zugefüttert werden, lässt er nicht gelten. „Der Fischanteil im Futter beträgt heute nur noch drei bis acht Prozent, der Rest ist pflanzlich.“ Auch die Belastung der Gewässer hält sich vor allem bei der extensiven Haltung, wie sie in Baden-Württemberg dominiert, in Grenzen. Würden die Ausscheidungen in einem sogenannten Schönungsteich aufgefangen und das Wasser so natürlich gereinigt, sei der Flusslauf meist kaum belastet, sagt Ulrich Hargina.

Tatsächlich ist Fisch anderen tierischen Nahrungsmitteln beim ökologischen Fußabdruck überlegen. So stellt der Umweltverband BUND in einem Papier zur Aquakultur fest: „Im Vergleich zur Tierproduktion in der Landwirtschaft schneidet die Aquakultur tatsächlich besser ab, da Fische zum Aufbau von Körpermasse erheblich weniger Futter brauchen als Huhn, Schwein oder gar Rind. Diese Eigenschaften könnten den Fisch unter den Nutztieren zum ökologischsten Lieferanten von tierischer Nahrung für den Menschen machen.“

Im baden-württembergischen Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz ist das Thema Aquakultur kaum auf der Agenda. „Konkrete Investitionsentscheidungen hängen vollständig vom Marktgeschehen bzw. unternehmerischen Entscheidungen ab“, lässt Minister Alexander Bonde (Grüne) durch seinen Sprecher ausrichten – als wäre der Agrarmarkt nicht der am stärksten regulierte überhaupt. Das Land werde wie bisher „durch ein angepasstes Beratungs- und Fortbildungsangebot die Grundlagen schaffen, damit die Fischproduktion im Sinne des Nationalen Strategieplans Aquakultur ausgebaut werden kann“. Eine Ankündigung zum Bürokratieabbau und Aufbau eines lukrativen Wirtschaftszweigs klingt anders.

Hermann Pöschl holt mit einem Netz ein paar Lachsforellen aus dem Teich. „Man sollte sich schon Gedanken machen, wie man Ressourcen sinnvoll ausnutzen kann“, sagt er. Selbst denkt der 55-Jährige nicht mehr an Expansion. Er hat ein gutes Auskommen. Und dank einer zusätzlichen Mitarbeiterin können er und seine Frau im Sommer auch mal in den Urlaub fahren. Die gefangenen Fische werden mit Stromschlägen betäubt und getötet – eine sanfte Methode, wie Pöschl betont. „Erst danach ist der Fisch ein Lebensmittel, davor aber ein Tier, das auch so behandelt werden möchte.“ Dann muss er los. Im kleinen Laden wartet der nächste Kunde.