Der IT-Konzern Apple ist wegen seiner Steuerpraxis im Visier der EU-Wettbewerbshüter Foto: AFP

Jahrelang profitierte Apple aus Sicht der EU-Wettbewerbshüter von unrechtmäßigen Steuererleichterungen in Irland. Das Geld soll der US-Konzern nun nachbezahlen.

Brüssel - Braun gebrannt von ihrem Sommerurlaub, den sie in Italien verbracht hat, erscheint Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager an ihrem großen Tag in Brüssel. Die 48-Jährige Dänin hat ein kompliziertes Dossier, wie das Ressort eines Kommissars in Brüssel genannt wird. Es geht ums Kartellrecht, den Marktmissbrauch durch Konzerne und unzulässige Staatsbeihilfen. Ein prima Biotop für jemanden, der sich gern hinter gestanzten juristischen Formulierungen versteckt. Nicht so Frau Vestager. Sie versteht es, eine schwierige Materie mit einfachen Worten zu erklären. Im Fall von Apple geht das so: „Ist es fair, wenn von einem Gewinn von einer Million nur 500 Euro Steuern gezahlt werden? Ist das fair, wenn drei Jahre später auf eine Million nur noch auf 50 Euro Steuern gezahlt werden?“

Man muss sich nicht auskennen in der Welt der Konzerne, man muss nicht Bilanzen lesen können. Jeder Steuerzahler, der gesehen hat, wie sich die Progression etwa auf das eigenen Weihnachtsgeld auswirkt, weiß sofort, wie Himmel schreiend das Unrecht war, das sich über Jahrzehnte in Irland abgespielt hat. Wie gesagt, Vestager wacht darüber, dass der Wettbewerb in der EU fair abläuft. Ihr Instrument, um gegen die unfairen Steuerpraktiken von milliardenschweren Weltkonzernen wie Apple vorzugehen, ist das Beihilferecht. Ihre Experten gingen konkret seit 2014 der Frage nach, ob der irische Staat Apple illegale Vorteile im Steuerrecht gewährt hat. Das Ergebnis der Untersuchungen ist eindeutig: Irland hat dem Konzern mit Hilfe von zwei Steuervorbescheiden aus den Jahren 1991 und 2007 ermöglicht, die Gewinne aus Geschäften in der ganzen EU nahezu komplett am irischen Fiskus vorbei zu schleusen. Wie das geht? Nun ja, das ist gar nicht so schwierig. Es funktioniert über ein System von Mutter- und Tochter-Gesellschaften. Die irische Regierung hat es dem Konzern erlaubt, nahezu die gesamten Gewinne, die „Apple Sales International“ mit dem Verkauf von Smartphones und PCs an Verbraucher in ganz Europa, Afrika und dem Nahen Osten realisiert hat, an eine so genannte „Zentrale“ ebenfalls mit Sitz in Irland zu überweisen. Da diese Gesellschaft nur auf dem Papier existierte, also keine Mitarbeiter hatte, nicht über Büroräume verfügte und auch keine sonstigen Aktivitäten unternahm, musste die „Zentrale“ nach irischem Recht keine Steuern zahlen. Wohl gemerkt: Diese Praxis fand jahrelang unter ausdrücklicher Billigung irischer Steuerbehörden statt.

Die EU-Kommission verlangt den Ausgleich der finanziellen Vorteile

Die gleiche Masche wandte Apple noch mit einer zweiten in Irland angesiedelten Gesellschaft an, „Apple Operations Europe“, die für den Mutterkonzern Aufgaben im Zusammenhang mit der Montage von Hardware erledigte. Es geht dabei um Gewinne in Milliardenhöhe Jahr für Jahr. Allein 2011 hat „Apple Sales International“ Profite in Höhe von 15,95 Milliarden Euro legal am Fiskus vorbei an die „Zentrale“ verschoben. Lediglich 50 Millionen Euro wurden in Irland versteuert und das noch zu dem EU-weit rekordverdächtig niedrigen Satz von 12,5 Prozent. Nur zum Vergleich: In Deutschland zahlen Unternehmen, die der Körperschaftsteuer unterliegen, knapp 30 Prozent Steuern auf ihre Gewinne. Apple trieb das Spiel noch weiter. Drei Jahre später sank der effektive Steuersatz auf 0,005 Prozent. Die Kommission kommt zu einem eindeutigen Urteil: „Durch diese steuerliche Behandlung konnte Apple die Besteuerung von nahezu sämtlichen Gewinnen vermeiden, die es durch den Verkauf seiner Produkte im gesamten Binnenmarkt erwirtschaftete.“

Die Kommission verhängt grundsätzlich keine Strafen. Sie verlangt vielmehr, dass der finanzielle Vorteil, den Apple durch die illegalen Beihilfen in den zehn Jahren seit Beginn der ersten Ermittlungen gegenüber Wettbewerbern gehabt hat, wieder ausgeglichen werden muss. Die ersten Ermittlungen wurden 2013 eingeleitet. Das heißt, dass nun unzulässige Gewinne abgeschöpft werden, die bis ins Jahr 2003 zurückgehen. Da die Praxis aber bis ins Jahr 1991 zurück reicht, kommt Apple aber auch für einen Zeitraum von zwölf Jahren ungeschoren davon. Apple soll daher nun 13 Milliarden Euro plus Zinsen zurückzahlen und zwar an den irischen Staat. Der irische Staat ist auch dafür zuständig, das Geld bei Apple einzutreiben. Klar ist allerdings schon heute, dass es nicht so schnell geht. Sowohl Irland als auch Apple haben angekündigt, gegen die Entscheidung vor Gericht zu ziehen. Die Kommission schlägt daher vor, dass die 13 Milliarden Euro von Apple zunächst auf einem Treuhandkonto geparkt werden, bis die gerichtliche Auseinandersetzung beendet ist. Dies dürfte mindestens fünf Jahre dauern.

Auch andere EU-Mitgliedsländer könnten Apple nun zur Kasse bitten

Ungewöhnlich auch dies: Die Kommission zeigte zwei Wege auf, wie die Rückforderung an Apple noch reduziert werden kann. Apple hat nämlich die Weichen seinerzeit so gestellt, dass alle Verkäufe EU-weit faktisch in Irland verbucht wurden und nicht in den Ländern, in denen das Produkt tatsächlich an den Verbraucher ausgeliefert wurde. Diese Konstruktion könnte nun ein Ansatz für alle anderen Mitgliedsländer sein, ihrerseits von Apple Steuern einzufordern. Vestager ermunterte die Mitgliedsstaaten sogar ausdrücklich dazu. Sollten andere Länder dies tun, würden sich die Rückforderungen entsprechend verringern.

Es gibt noch eine zweite Möglichkeit, wie die 13-Milliarden-Forderung an Apple zusammen schmelzen kann. Bei den Gewinnen, die Apple über die Jahre in Irland anfallen ließ, wurden bereits Zahlungen an die Apple-Mutter für Forschung und Entwicklung abgezogen. Diese finanziellen Leistungen mindern nach den Regeln des internationalen Steuerrechts den zu versteuernden Gewinn. Im Jahr 2011 waren es insgesamt rund zwei Milliarden Euro. Sollten die US-Behörden nun von Apple verlangen, dass die europäischen Töchter rückwirkend höhere Gebühren an die US-Zentrale abführen, so würde auch dadurch die Rückforderung sinken.