So wird der AfD-Bezirksbeirat in Heslach bloßgestellt. Foto: AABS

Ernst Udo Abzieher fährt Torten für eine Konditorei aus. Außerdem sitzt er für die AfD im Bezirksbeirat Süd. Für die Antifa ist das Grund genug, Plakate in Heslach aufzuhängen, die Abzieher persönlich massiv angreifen.

Stuttgart - Einer wie etwa Björn Höcke ist Ernst Udo Abzieher nicht. Zwar haben beide das gleiche Parteibuch, aber während andere AfD-Politiker mit verbalen Entgleisungen mittlerweile pausenlos in den Medien sind, schafft es Abzieher, der die AfD-Fraktion alleine im Bezirksbeirat Süd vertritt, nur dann und wann in die Zitatzeilen der lokalen Presse. Und dann auch nicht, weil er zum Beispiel wie Höcke Teile der deutschen Geschichte umschreiben will, sondern eher, weil er sich zu kommunalpolitischen Themen unbeholfen äußert.

Für das Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart und Region (AABS) reicht Abziehers Parteibuch dafür aus, in Heslach eine Kampagne gegen den Kommunalpolitiker zu verbreiten., Das führt jetzt zu einer Anzeige wegen Rufschädigung, die die AfD-Fraktion Stuttgart stellen will. Auf Plakaten beziehungsweise Flugblättern, die die Antifa im Stadtteil nicht nur an Wände hängt, sondern auch in Briefkästen wirft, wird Abzieher über seinem Konterfei als „Rassist und rechter Hetzer in unserem Stadtteil“ bezeichnet. Das AABS dokumentiert das Vorgehen in sozialen Netzwerken und lobt die Aktion als eine gelungene Antwort „von Antifaschisten“ auf Abziehers „ekelhaftes Engagement in der Partei.“

Gleichzeitig wird die Wohnadresse Abziehers genannt und sein Arbeitgeber, eine Konditorei, für die Abzieher Torten ausliefert, dazu aufgefordert, sich von ihrem Angestellten zu trennen – und dazu aufgerufen, Druck auf die Konditorei auszuüben. Für Ernst Udo Abzieher wird das langsam zu viel.

AfD-Mann bangt um Job

„Ich fühle mich sehr unter Druck gesetzt“, sagt Abzieher am Telefon. Die Anfeindungen hätten mittlerweile eine Stufe erreicht, dass er Angst habe, alleine auf die Straße zu gehen. Zuletzt wurde seine Hauswand am Samstag von linken Aktivisten mit politischen Parolen beschmiert. Außerdem bangt Abzieher jetzt um seinen Job bei der Konditorei.

Das muss er wohl nicht. Auf Anfrage unserer Zeitung will der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter halten. „Ich teile Abziehers politische Meinung nicht, aber als Arbeitgeber hat mich das nicht zu interessieren“, sagt er. Abzieher sei ein zuverlässiger Mitarbeiter, an dessen Leistung es nichts zu beanstanden gebe. „Nicht lustig“ findet er, dass seine Konditorei von der Antifa in eine politische Auseinandersetzung mit hineingezogen wird.

Deren Stuttgarter Abteilung hat die Plakatkampagne wie auch den Parolen an Abziehers Hauswand auf Bildern veröffentlicht – und beides begrüßt. Dort sind vermummte Aktivisten mit Sprühdosen und beim Plakate-Kleben zu sehen. Eine Anfrage unserer Zeitung auf die Plakat-Aktion ließ das AABS unkommentiert.

Zustände wie zuletzt vor zehn Jahren

AfD-Stadtrat Bernd Klingler äußert sich wie folgt zu den Vorfällen: „Es geht bei Herrn Abzieher um die Existenz, wenn dazu aufgerufen wird, sich über ihn in seinem beruflichen Umfeld zu informieren.“ Die AfD-Fraktion werde auf jeden Fall Anzeige erstatten. Die AfD bekenne sich zum Rechtsstaat, Gewalt oder derartiges persönliches Anprangern von politischen Gegnern sei ihr fremd.

Der Staatsschutz der Polizei ermittelt aktuell noch in der Sache. Zu Ergebnissen gekommen ist er noch nicht. „Wir arbeiten an der Sache, Tatverdächtige gibt es noch nicht“, sagt der Polizeisprecher Stephan Wiedmann.

Dass Personen von der Antifa so massiv angegangen wurden, ist in Stuttgart über ein Jahrzehnt her. „Vor den aktuellen Angriffen auf die Vertreter der AfD waren im Jahr 2006 die Mitglieder der rechtsextremen Stuttgarter Kameradschaft regelmäßig Zielobjekte“, sagt Martin Lang vom Staatsschutz. Gewalt werde von Teilen des linksextremen Spektrums als legitimes Mittel im Kampf gegen den politischen Gegner und den Repressionsapparat gesehen.

Die Rolle der Caritas

Der Streit zwischen AfD und Antifa schaukelt sich vor allem seit einer AfD-Veranstaltung in Stuttgart-Rot in der letzten Aprilwoche hoch, wo AfD-Stadtrat Eberhard Brett offenbar von Linksautonomen mit einer Holzlatte geschlagen wurde, wodurch er eine Kopfprellung erlitt. Im Nachgang der Veranstaltung machte die AfD die Caritas für den Vorfall mitverantwortlich.

So fragt der Kreisverband Stuttgart der Alternative für Deutschland in sozialen Netzwerken: „Caritas Stuttgart, mitverantwortlich für feigen Angriff auf AfD-Stadtrat?“ Bernd Klingler begründet die Schuldzuweisung so: „Die Caritas hat den Demonstranten ihren Parkplatz zur Verfügung gestellt.“

Stadtdekan Christian Hermes weist die Vorwürfe auf Facebook entschieden zurück: „Die AfD Stuttgart überzieht die Caritas Stuttgart und die Katholische Kirche mit einer beispiellosen und billigen Hetzkampagne.“ Hermes verurteile die Diffamierung des Kirchenverbandes und die Verleumdung, die Leitung des Verbandes hätte gewaltsame Übergriffe begünstigt oder toleriert, „aufs Schärfste“.

Nichstdestotrotz haben sie sich diese ereignet – zwar nicht auf dem Parkplatz der Caritas, wo die Demo stattfand, sondern an der Stadtbahnhaltestelle. Und der Kuchen-Kurier Ernst Udo Abzieher befürchtet, dass es so weitergehen könnte. Klar dürfte nach den letzten Wochen sein: In Stuttgart haben die Mittel politischer Auseinandersetzungen eine neue Stufe erreicht.