Aus gutem Grund trägt Moderator Jens Meßmann Kopfhörer Foto: Antenne 1

Anglizismen sind ein alter Hut. Denn jetzt kommen Schwabizismen in den Duden! Ein Besuch bei Antenne 1 – bei jenem Radiosender, der das Muggaseggele groß herausbringen will.

Stuttgart - Der Wutbürger, der Flashmob, die Schuldenbremse, der Shitstorm, die Energiewende, der Enkeltrick, die Vorständlerin, der Vollpfosten – sie alle haben’s vor zwei Jahren geschafft, als neue Wörter in den Duden einzuziehen. Was für Christen Weihnachten und Ostern sind, ist für Linguisten die Veröffentlichung eines neuen Dudens. Dieses Fest der Sprachfreunde ist jedoch so selten wie ein Schaltjahr.

Die 26., bis heute aktuelle Auflage des Standardwerks, ist im Jahr 2013 erschienen – sie löste die 2009er-Version ab. Für 2017 wird mit der nächsten Neufassung gerechnet. Und im Schwabenland zittern viele schon jetzt: Wird’s onserm kloina Muggaseggele g’linga, in des groooße Werk der Sprachhüter einzuziehen?

In der 27. Auflage könnte stehen:

Mu|gga|segge|le Geschlechtsteil einer Stubenfliege (landschaftlich, besonders süddeutsch), allerkleinste Maßeinheit .

Gespräch über schwäbische Besonderheiten

Die Drahtzieher der „Operation M“ (M wie Muggaseggele) sitzen im ersten Stock des Pressehauses Stuttgart. Wie eifrig der Radiosender Antenne 1 sein Ziel verfolgt, diesem schönen schwäbischen Wort zu höheren Weihen zu verhelfen, konnte ich kürzlich mit der Schauspielerin Monika Hirschle erleben. Wir waren zu Gast bei Moderator Jens Meßmann in dessen Sendung „Spätschicht“, um über schwäbische Besonderheiten (Anlass: das StN-Büchle „Goht’s no? – Lieben, Leben und Leiden im Land der Schwaben“) zu sprechen. Der Moderator, der seit sieben Jahren bei den Schwaben lebt, liebt den Klang schwäbischer Worte. In dieser Mundart ist Musik! Jens konnte seine beiden Lieblingswörter so perfekt rei’gschmeckt aussprechen, dass wir sie auf Anhieb der Spur nach verstanden. Zu Meßmanns Schwabenfavoriten zählt neben dem „Gsälz“ das „Muggaseggele“, das in den Duden gehöre, weil die schönsten Wörter des Landes dorthin gehörten.

Muggaseggele – es reicht nicht, wenn nur Schwaben diese Maßeinheit einsetzen. Eine Chance auf den Duden hat ein Wort nur, wenn es aus der regionalen Beschränkung herausfindet. In der Dudenredaktion gibt es einen Datenspeicher, der endlos elektronisch mit Texten aus dem Internet, aus Zeitungen und Büchern gefüttert wird. Erst wenn sich ein Wort quer durch die Republik verbreitet , wird es dudentauglich. Anglizismen sind ein alter Hut – jetzt sind Schwabizismen schwer im Kommen. Das „Cleverle“ steht bereits im Duden. Das Wort „schaffen“ wird zwar mit „zustande bringen“ erklärt – aber auch die „süddeutsche Bedeutung“ wird erwähnt: „arbeiten“.

Schaffet mir’s, das Muggaseggele in die Neuauflage der Rechtschreiblehre zu bringen? Müsste klappen, wo’s bei uns im Land doch so viele Cleverle gibt!

Crash-Kurs in Schwäbisch

Also, liebe Leserinnen und Leser, auf jeden Einzelnen kommt es an! Verbreiten Sie das Muggaseggele bundesweit! Schreiben Sie einen Bestseller, der verfilmt wird, in dem das Muggaseggele die Hauptrolle spielt! Gründen Sie eine Partei mit diesem Namen! Landen Sie mit dem Muggaseggele-Song in der Hitparade! Schreiben Sie Leserbriefe an alle Zeitungen außerhalb des Schwabenlandes, in denen Sie das Muggaseggele gleich im ersten Satz platzieren! Kleben Sie die Muggaseggele-Briefmarke drauf, die es jetzt bei der BW Post gibt. Machet norre!

Wir haben bei unserem Antenne-Besuch dem rei’gschmeckten Moderator Meßmann natürlich einen Crash-Kurs in Schwäbisch gegeben. Von Musikpause zu Musikpause kam sein „Goht’s no?“ immer schwäbischer raus. Und der Jens weiß nun auch, was „Bohwärtersdäfäle“ (Bahnwärtertafeln) sind. Das sind abstehende Ohren, die sein Kollege Tobias Gebhard von den Schwabenweckern habe, wie er uns verriet. Der Jens hat die nicht. Er trug während des Gesprächs auch immer Kopfhörer, die Ohren anlegen – halt um a Muggaseggele näher ran an den Mann.