Seit ihrem Durchbruch bei „Schöne Stimme“ hat Mutlu Kaya Angst um ihr Leben Foto: StN

In einer Talentshow im türkischen Fernsehen wurde Mutlu Kaya über Nacht zum Star. Nun haben Unbekannte die Sängerin lebensgefährlich verletzt. War es ein Verbrechen im Namen der „Familienehre“ oder eine Beziehungstat?

Istanbul - Es war wie im Märchen: Ein 19 Jahre altes Mädchen aus dem Kurdengebiet der Türkei ist zu arm zum Studieren, dann wird sie über Nacht zum Star, und das ganze Land liegt ihr zu Füßen. Für den Teenager Mutlu Kaya aus der südostanatolischen Stadt Ergani wurde dieses Märchen wahr – aber es gab kein Happy End. Mitten in den Vorbereitungen für einen neuen Auftritt wurde der Teenager jetzt von Unbekannten mit einem Kopfschuss schwer verletzt. Türkische Medien spekulieren darüber, ob der Täter aus Mutlus Großfamilie kommt und eine angebliche Beschmutzung der Familienehre rächen wollte.

Statt nach der Schule zur Universität zu gehen, arbeitete Mutlu Kaya in einer Schulkantine, um ihre Eltern und ihre acht Geschwister zu unterstützen. Dennoch träumte sie weiter vom großen Erfolg und bewarb sich beim Talentwettbewerb „Schöne Stimme“ des Privatsenders Fox. Bei einer Vorauswahl im Frühjahr fiel Mutlu der bekannten Popsängerin Sibel Can auf, die bei der Sendung als Jurorin fungiert. Sibel Can flog nach Südostanatolien, um Mutlu zu treffen und zur Teilnahme an der Talentshow zu bewegen.

Unterstützung von Sibel Can

Mutlus Durchbruch folgte im April, als sie bei „Schöne Stimme“ die Zuschauer verzauberte und den Wettbewerb gewann. Can plante ein Album mit der schwarzhaarigen und anmutigen Mutlu, die sie ihre „Prinzessin“ nennt. Sibel Can sei für seine Tochter so etwas wie eine zweite Mutter, sagt Mutlus Vater Mehmet Kaya.

Doch bereits kurz nach ihrem Durchbruch hatte Mutlu Angst um ihr Leben. Laut Presseberichten vertraute sie Sibel Can an, ihre konservative kurdische Großfamilie betrachte die Gesangskarriere der unverheirateten jungen Frau als unschicklich und als Angriff auf die „Familienehre“, der nicht hingenommen werde. „Wir töten dich“, sei ihr gesagt worden.

Nun schlugen die Täter zu. In der Nacht von Sonntag auf Montag arbeitete Mutlu zu Hause in der Provinz Diyarbakir an neuen Liedern, als drei bis vier Personen an der Tür klingelten. „Mutlu dachte, es seien die Nachbarn“, sagte ihr Vater. „Als sie die Tür öffnete, schossen sie ihr in den Kopf.“

Auch Eifersucht ist ein häufiges Gewaltmotiv

Während Mutlu im Krankenhaus um ihr Leben kämpft, fragen sich ihre Fans, ob die junge Frau zum Opfer eines „Ehrenverbrechens“ wurde. Dabei bezahlen die weiblichen Opfer einen angeblichen Verstoß gegen die erzkonservative „Familienehre“, nach der Frauen im Haus bleiben müssen und keinerlei Kontakt zu fremden Männern haben dürfen, mit ihrem Leben. „Seid ihr jetzt zufrieden?“ fragte die Zeitung „Posta“ nach dem Anschlag auf Mutlu an die Täter gerichtet.

Die Polizei nahm nach türkischen Medienberichten inzwischen drei Verdächtige in Gewahrsam, doch die Motive für die Tat sind weiterhin unbekannt. Einige Medien spekulierten über eine Racheaktion des Ex-Freundes, der einer der Festgenommenen sein soll. Denn Frauen in der Türkei werden keinesfalls nur durch „Ehrenverbrechen“ bedroht, auch Eifersucht und männliche Besitzansprüche lassen die Gewalt gegen Frauen immer wieder eskalieren. So wurden in der Türkei allein in diesem Jahr bereits 94 Frauen getötet.