Nach dem Brandanschlag Rechtsextremer auf junge Türken befindet sich Winterbach im Schock.

Winterbach - Nach dem Brandanschlag einer Gruppe Rechtsextremer auf junge Türken und Italiener, die sich in einer Gartenhütte bei Winterbach verbarrikadiert hatten, herrscht Fassungslosigkeit in dem 7.700-Einwohner-Ort im Remstal. Offenbar entkamen die fünf jungen Männer fast in letzter Sekunde einer Explosion.

Von dem leicht abschüssigen Hang hat man einen bestechenden Ausblick hinab ins romantische Remstal. Doch Duran Tecer hat an diesem späten Montagvormittag trotz strahlender Sonne keine Muße für Träumereien im Frühling. Er ist zu einem ihm bestens bekannten Ort gekommen - dem Schauplatz eines Verbrechens, bei dem tags zuvor seine drei Söhne im Alter von 20, 26 und 28 Jahren sowie zwei ihrer Freunde fast zu Tode gekommen wären. Mit weiteren Kumpels hatten sie sich am Samstag auf Tecers Grundstück zu einem Grillabend eingefunden. Sein älterer Sohn wollte Holz fürs Feuer holen, dabei wurde er vom Auto eines Rechtsradikalen vom Nachbargrundstück zweimal angefahren.

Später eskalierte die Situation, wie auch zwei seiner am Montagmittag eintrudelnden Söhne sowie ihre Freunde erklären. Von rund 20 mit Äxten und Messern bewaffneten "Neonazis", wie sie sagen, seien sie in der Nacht angegriffen worden. Einem Teil gelang die Flucht, fünf von ihnen sprangen in die kleine Hütte und schlossen sie von innen ab. "Kommt raus, Kanaken!", hätten die Angreifer gerufen, erinnert sich einer der Söhne. Dann hörten die drinnen plötzlich, wie es draußen tröpfelte. "Wir dachten erst, die pinkeln gegen das Gebäude." Doch schnell bemerkten sie Benzingeruch, "wahrscheinlich haben sie's aufs Dach geschüttet, die wollten uns abfackeln, die waren auf Mord aus." Einer der Söhne hatte da bereits per Handy die Polizei benachrichtigt. Deren Empfehlung: "Sofort alle rausrennen." Der älteste Bruder zählte auf drei, "dann habe ich die Tür aufgerissen, und wir sind um unser Leben gerannt", in alle Richtungen purzelten sie über Steine und fielen in dornige Büsche, stolperten immer weiter in Richtung Tal. Einer wurde doch erwischt und "total verdroschen". Nur eine halbe Minute später sei der Generator in der Hütte explodiert. Tecer schauert es: "Fast hätten wir gestern fünf junge Leute beerdigen dürfen."

Die psychischen Wunden bleiben

"Da, alles noch da!" Tecer zeigt auf die eingelegten Hähnchen in der Schüssel und das Fladenbrot neben dem Grill - Essensreste einer gewaltsam beendeten Party. Sein ältester Sohn hat die Hand gebrochen, sein jüngster muss wegen einer Gehirnerschütterung noch bis Dienstagvormittag im Krankenhaus bleiben. Die körperlichen Schmerzen sind bald Vergangenheit. Doch die psychischen Wunden werden noch lange nicht verheilt sein. "Meine Kinder sind immer noch unter Schock", sagt der 51-Jährige, "wie sollen sie das verarbeiten?" Er lebt seit 40 Jahren in Deutschland, "ich habe die deutsche Staatsangehörigkeit", sagt der Winterbacher. Er arbeitet als Kfz-Mechaniker in Waiblingen, seit zehn Jahren hat er sein Gütle unterhalb der nur wenige Hundert Meter entfernten Freien Waldorfschule auf dem Engelberg. Doch seine Kinder wird er "nie mehr dort alleine abends grillen lassen". Oder noch besser, er verkaufe jetzt das ganze Gelände.

Albrecht Ulrich ist seit elf Jahren Winterbacher Bürgermeister. Trotz aller Erfahrung ist dem 51-Jährigen die aktuelle Aufregung an der belegten Stimme anzumerken. Sicher habe es hin und wieder größere Partys wie jüngst am Stausee gegeben. Doch dass sich Leute aus dem ganz Süddeutschland versammeln und ausländische Jugendliche überfallen, "das ist eine neue Qualität, das ist nicht tolerierbar, das ist beschämend". In der Waldorfschule Engelberg sind Partys von Rechtsextremen auf nahe gelegenen Grundstücken durchaus bekannt. "Wir haben uns oft an die Polizei gewandt, dass wir das nicht akzeptieren", berichtet Geschäftsführer Walter Schmid. Auch habe man schon "schwarz vermummte Typen" auf dem Schulparkplatz gesehen, ein "angsteinflößender Anblick".

Der 35-Jährige, auf dessen Grundstück die rechtsextreme Feier stattfand, ist dem Staatsschutz bekannt. Er lebt in einer Gemeinde in der Mitte des Rems-Murr-Kreises - mehr will die Polizei nicht preisgeben, weil der Mann angesichts der geringen Einwohnerzahl in dem Dorf schnell identifizierbar wäre. Eine Verbindung dieses Überfalls mit der in rechtsextremen Kreisen beliebten ehemaligen Kneipe Linde in Schorndorf-Weiler besteht im Übrigen nach bisherigen Erkenntnissen nicht.

Landrat Johannes Fuchs erklärt am Montagnachmittag: Wenn dieser Brandanschlag rechtsextrem motiviert war, "ist konsequentes und energisches Vorgehen notwendig". Er betont jedoch auch: Im Rems-Murr-Kreis selbst gebe es "keine festen Strukturen von Rechtsradikalen und auch keine örtlichen Schwerpunkte". Bisher gebe es keine Anhaltspunkte, dass der Winterbacher Vorfall eine geplante Gewalttat gewesen sei oder als Konflikt über längere Zeit eskaliert wäre. Die leichte Zunahme an rechtsextremen Straftaten im Jahr 2010 sei nicht auf Gewalt, sondern auf Propaganda-Delikte wie etwa Hakenkreuz-Schmierereien zurückzuführen, heißt es im Landratsamt.