Das Regierungsviertel in der kanadischen Hauptstadt gilt als beschaulich - bis Schüsse an mehrere Orten die Idylle zerreißen. Dutzende schwer bewaffnete Polizisten suchen nach mutmaßlichen Attentätern. Stehen Islamisten hinter den Anschlägen?

Ottawa - Bei einem Anschlag auf das kanadische Regierungsviertel haben Unbekannte in Ottawa in das Parlamentsgebäude geschossen und einen Soldaten am Weltkriegsdenkmal niedergeschossen. Einer von möglicherweise drei mutmaßlichen Tätern wurde getötet, auch in einem Einkaufszentrum fielen kanadischen Medienberichten zufolge Schüsse. Mindestens ein weiterer mutmaßlicher Angreifer sei noch flüchtig, hieß es. Der angeschossene Soldat kam mit Verletzungen ins Krankenhaus, ein zweiter Soldat flüchtete.
 
Arbeitsminister Jason Kenney kondolierte über Twitter der „Familie des getöteten Soldaten“ und erklärte, er bete für den verwundeten Wachmann am Parlamentsgebäude. „Kanada wird sich nicht terrorisieren oder einschüchtern lassen“, erklärte Kenny. Er machte nicht konkret deutlich, auf welchen getöteten Soldaten er sich bezog.
 
Erst am Montag hatte ein mutmaßlicher Islamist zwei kanadische Soldaten mit dem Auto überfahren. Ein Soldat starb, der Täter wurde nach einer Verfolgungsjagd von der Polizei erschossen.
Unklar blieb zunächst, ob radikale Islamisten auch hinter den Angriffen von Ottawa standen und ob es einen Zusammenhang zwischen allen drei Taten gibt. Die Polizei wollte den Verdacht, dass Islamisten dahinter steckten, nicht bestätigen. Kanada beteiligt sich im Irak an den Luftangriffen des von den USA geführten Bündnisses auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Nach Angaben von US-Regierungsmitarbeitern gab es zunächst keine Hinweise auf politische Extremisten.
 
Das Fernsehen zeigte dramatische Bilder aus dem Parlamentsgebäude, bei denen schwer bewaffnete Polizeibeamte auf der Suche nach den Tätern geduckt über die Gänge liefen, als Schüsse fielen. Premierminister Stephen Harper, der sich auch im Gebäude befand, wurde umgehend in Sicherheit gebracht. US-Präsident Barack Obama werde laufend über die Lage informiert, berichtete CNN. Harper wollte sich am Nachmittag zu dem Vorfall äußern.
Einige Parlamentarier twitterten, dass während der Sitzung etwa 30 Schüsse zu hören gewesen seien. Sie seien sicher, aber in Angst, hieß es in mehreren Nachrichten. Die ersten Schüsse fielen laut Polizei um 9.52 Uhr Ortszeit (15.52 deutscher Zeit) am Denkmal. Passanten versuchten, dem getroffenen Soldaten erste Hilfe zu leisten.
 
Medien zufolge berichteten Zeugen, ein langhaariger Mann habe mehrere Schüsse abgefeuert und sei dann mit einem Gewehr zum Parlamentsgebäude gegangen. Am Eingang soll er mit dem Gewehr mehrfach in das Gebäude geschossen haben.
Die Polizei sperrte das Gebiet weiträumig ab und forderte alle Passanten auf, sich vom Parlamentshügel fernzuhalten. Das Gebäude selbst wurde abgeriegelt; niemand kam hinein oder heraus. Das Gebiet in einem Park unmittelbar am Fluss Ottawa ist sonst frei zugänglich, Tausende Touristen lassen sich jeden Tag mit den Wachen fotografieren.
Alle Polizeiwachen schlossen ihren Besucherverkehr. Die Polizei forderte alle in der Innenstadt von Ottawa auf, sich nicht am Fenster zu zeigen oder auf Dächer zu gehen. Die US-Botschaft wurde abgeriegelt, die Mitarbeiter wurden aufgefordert, ihre Jalousien herunterzuziehen.
 
Das Denkmal für die Kriegstoten ist unmittelbar am Parlamentspark, nur durch eine Straße getrennt. Die Ehrenwache ist zwar bewaffnet, die Sturmgewehre dienen aber rein repräsentativen Zwecken. Unklar war, ob sie normalerweise überhaupt geladen sind. Das Denkmal wurde 1939 für die Toten des Ersten Weltkrieges eingeweiht und dient inzwischen auch dem Gedenken der Opfer anderer Kriege.