Günther Oettinger wurde 2007 bei einer Rede mit einer Schwarzwälder-Kirschtorte beworfen Foto: StN

Im Jahr 2007 wird Günther Oettinger Opfer einer Torten-Attacke in Stuttgart. Der damalige Ministerpräsident ließ sich von seiner Rede im Haus der Wirtschaft jedoch auch durch Torte nicht abhalten. Nach dem Motto: Abwischen, weiterreden.

Im Jahr 2007 wird Günther Oettinger Opfer einer Torten-Attacke in Stuttgart - wie jetzt Reinhold Gall. Der damalige Ministerpräsident ließ sich von seiner Rede im Haus der Wirtschaft jedoch auch durch Torte nicht abhalten. Hier können Sie nochmals den Artikel von 2007 nachlesen:

Die Torte befleckt mehr als Oettingers Anzug

Attacke auf Stuttgarter Regierungschef wirft Fragen nach Sicherheitsvorkehrungen für Politiker auf: Eine Studentin hat den Ministerpräsidenten mit einer Torte beworfen, während eine andere die Szene filmte: Bei dem Angriff litt nicht nur Oettingers Anzug, sondern auch das Vertrauen in die Polizei.

Es ist eine öffentliche Veranstaltung - wie so viele im Haus der Wirtschaft. Rund 300 Gäste haben sich dort am Nachmittag in der König-Karl-Halle eingefunden, um das Zehn-Jahres-Jubiläum der gemeinnützigen Gesellschaft Pro Arbeit zu feiern. Höhepunkt: Die Rede des Regierungschefs zum Thema "Beschäftigung für alle - eine Utopie?"

Vor allem Fachleute sitzen in den Reihen, die Agentur für Arbeit ist ebenso vertreten wie die Caritas, die Stadt Stuttgart und der DGB. So fällt es nicht auf, dass ganz vorne eine junge Frau in schwarzem T-Shirt und weißer Hose Platz nimmt, die eigentlich nicht zu diesem Teilnehmerkreis passt. Zwar nehmen die Gäste wahr, dass sie eine große Schachtel bei sich trägt. Doch was sich darin verbirgt, diese Frage stellt niemand. Auch die Polizei nicht.

"Wir haben die Schachtel nicht geöffnet, weil wir keine Veranlassung dazu hatten", sagt ihr Stuttgarter Pressesprecher Stefan Keilbach. Ein Versäumnis, wie sich nach wenigen Minuten herausstellt. Es ist 14.10 Uhr, Oettinger referiert gerade über "Arbeit als Teil des Lebensinhalts", da erhebt sich auf einmal die Frau. Und nun geht alles blitzschnell: Sie macht ein paar Schritte auf ihn zu, öffnet die Schachtel und kippt den Inhalt mit den Worten "Schönen Gruß von den arbeitslosen Zwangsarbeitern" über seine Jacke.

Die schwarz-weiße Masse entpuppt sich als Schwarzwälder Kirschtorte - wie sich später herausstellt, eine Tiefkühltorte der Firma Coppenrath & Wiese. Die Sahne klebt an Oettingers Hose und am Ärmel seines Anzugs. Schreie gellen aus dem Publikum, sofort stürzen sich die Personenschützer auf die Frau. Sie brauchen nur Sekunden, um sie zu überwältigen, denn zwei der drei Polizisten, die Oettinger bewachen, stehen beim Rednerpult. Dann wird sie abgeführt. "Arbeit für alle", ruft sie noch in den Saal. Genau über dieses Thema fährt Oettinger mit seiner Rede fort, nachdem er sich notdürftig gereinigt hat.

Niemandem war in diesem Augenblick aufgefallen, dass eine zweite junge Frau mit einer kleinen Videokamera aufgesprungen war und den Eklat gefilmt hatte. Dass sie mit der Tortenwerferin unter einer Decke steckt, bemerken am Abend erst die Redakteure des SWR, als man ihnen Bilder anbietet: "Sie wollte zunächst Geld dafür und war erpicht darauf, dass die Bilder gesendet werden", sagt SWR-Abteilungsleiterin Uschi Strautmann. Doch sie lehnt ab: "Es ist klar, dass es eine abgekartete Sache war. Solche Bilder kann man nur machen, wenn man weiß, wann geworfen wird." Die beiden Frauen sind offenbar Komplizinnen.

Nur eine aber muss sich an diesem Nachmittag im Polizeipräsidium, Fachdezernat für Staatsschutz, verantworten. Die Vernehmung ist zunächst nicht sonderlich ergiebig. "Sie wurde belehrt, dann hat sie Angaben zur Person gemacht, ansonsten jedoch die Aussage verweigert", sagt Keilbach. Über ihr Motiv schwieg sie sich aus.

So viel steht fest: Die Frau ist Stuttgarterin, 24 Jahre alt, lebt in der Stadt und studiert hier. Sie muss nun mit Ermittlungen wegen des Verdachts auf Körperverletzung und Sachbeschädigung rechnen. Da sie einen festen Wohnsitz hat, kommt sie wieder auf freien Fuß.

Den Veranstaltern ist das alles peinlich. "Wir haben uns entschuldigt", sagt Hans-Ulrich Rabeneick vom Netzwerk Neue Arbeit. Die Anzeige wird allerdings nicht die einzige Konsequenz dieses Angriffs bleiben. "Das hätte nicht passieren sollen", räumt der Polizeisprecher kleinlaut ein. Jetzt werde man den Fall erörtern und die Lehren daraus ziehen.

Öl will an diesem Tag zwar niemand ins Feuer gießen, schließlich legen führende Politiker Wert darauf, dass ihre Bodyguards sie nicht allzu streng abschirmen. Der Regierungschef selbst hat zudem gleich nach dem Vorfall die Hoffnung geäußert, dass die junge Frau nicht allzu streng bestraft wird. Doch hinter vorgehaltener Hand heißt es in seinem Umfeld: "So lustig ist das nicht, das hätte schlimm enden können." Jedem kommen sofort die Attentate auf Wolfgang Schäuble, Oskar Lafontaine und andere Politiker in Erinnerung. "Da stellen sich jetzt einige Fragen", sagt später Staatsminister Willi Stächele. Etwa jene, warum die Polizisten nicht nachgesehen haben, was sich in die Schachtel befindet.

Dass der Vorfall Konsequenzen hat, fällt bereits am Donnerstagabend vor dem Neuen Schloss in Stuttgart auf. Dorthin hat die Landesstiftung zur öffentlichen Veranstaltung "Echt gut" eingeladen. Oettinger, der später noch nach Berlin fliegen wird, um in der ZDF-Talkshow von Maybrit Illner dabei zu sein, würdigt bürgerschaftliches Engagement. Und diesmal wimmelt es von Sicherheitsleuten, die alle Besucher peinlich genau durchchecken.

Wie es die Ironie der Geschichte will, muss der Regierungschef dort ausgerechnet eine große Torte anschneiden. Einige der Umstehenden können es sich nicht verkneifen, Oettinger diese Frage zu stellen: "Mögen Sie Torte, Herr Ministerpräsident?" Der nimmt die Angelegenheit äußerlich gelassen: "Ja, vor allem Schokolade und Marzipan." Als Scherz will er den Vorfall zwar nicht werten, doch an schärfere Sicherheitsvorkehrungen denkt er im Augenblick auch nicht.

"Schade um die Torte", sagt er über das Corpus Delicti, das nach dem Angriff zunächst samt Schachtel in den Papierkorb gewandert war. Die Beamten haben das Beweisstück dann aber sorgsam eingesammelt und ins Polizeipräsidium verfrachtet. Oder vielmehr das, was von ihm übrig blieb.