Die Schüler der Gemeinschaftsschule arbeiten viel eigenverantwortlich. Wer Fragen hat, geht zum Lern-Coach in die Input-Arena. Foto: Kratz

Im September fiel für die Fünftklässler an der Anne-Frank-Realschule der Startschuss für den neuen Gemeinschaftsschulzweig. Diese Schulart ersetzt das herkömmliche Notensystem durch Leistungsnachweise.

Möhringen - Schon die Optik ist ganz anders. Die Schüler sitzen an Vierertischen. Wenn sie die Trennwände in der Mitte der Tische wegnehmen, entsteht ruckzuck ein Gruppenarbeitsplatz. Das Herzstück ist aber die sogenannte Input-Arena. Dort nimmt beispielsweise der Lern-Coach Platz. Er entspricht in etwa dem ehemaligen Klassenlehrer. „Seine Aufgaben sind aber vielfältiger“, sagt die Rektorin Beate Müller. Er ist unter anderem Mentor, Kommunikationsberater und der erste Ansprechpartner für Schüler, Lehrer und Eltern. „Wenn jemand etwas nicht kapiert hat, dann kann er es sich in der Lernarena noch einmal erklären lassen. Und wir besprechen dort auch neue Themen“, sagt eine Fünftklässlerin.

Der Startschuss fiel im September

Sie ist eines von rund 80 Mädchen und Jungen, welche die neue Anne-Frank-Gemeinschaftsschule besuchen. Denn die Realschule an der Hechinger Straße wird Stück für Stück in die neue Schulform umgewandelt. Der Realschulzweig läuft aus. Im September fiel mit drei fünften Klassen der Startschuss. „Wir hätten genug Anmeldungen für eine vierte Klasse gehabt. Aber wir haben leider keinen Platz“, sagt Müller.

Die Individualität der Schüler steht im Mittelpunkt

Die Schulgemeinschaft hat sich bewusst dazu entschieden, Gemeinschaftsschule zu werden. „Aus einer gut funktionierenden und wachsenden Realschule heraus“, betont die Rektorin. Dem Team gehe es darum, der Heterogenität der Jugendlichen noch mehr Raum zu geben. Also denjenigen, die schneller, und denjenigen die langsamer lernen. Aber zum Beispiel auch denjenigen, die mit Deutsch ihre Probleme haben, weil es nicht ihre Muttersprache ist, die ansonsten aber blitzgescheit sind.

Eine Schule ohne Notenvergabe

In der neuen Anne-Frank-Gemeinschaftsschule gibt es keine Noten mehr. „Die Schüler können nicht mehr durchfallen. Das entlastet sie“, sagt Müller. Gelernt wird aber trotzdem. Die Schüler bekommen sogenannte Lernpakete. In diesen finden sie Aufgaben mit verschiedenen Schwierigkeitsstufen. „Level 1 sollte jeder schaffen“, sagt Ulrich Mittnacht. Er ist der neue Konrektor an der Anne-Frank-Realschule und einer der neuen Lerncoachs. Ein Schüler formuliert es anders: „Level 1 entspricht der Hauptschule, Level 2 der Realschule und Level 3 der Gemeinschaftsschule“, erklärt der pfiffige Fünftklässler.

Schwächen und Stärken besser erkennen

Es geht um das eigenverantwortliche Arbeiten, kurz Eva genannt. Die Schüler sollen sich selbst mit den Fragestellungen auseinandersetzen. Bei Problemen gehen sie beispielsweise in die Input-Arena, um sich das eine oder andere noch einmal erklären zu lassen. Am Ende gibt es keine Zeugnisse, sondern Leistungsnachweise. Darauf ist in Prozenten angegeben, was ein Schüler kann und wo seine Schwächen liegen. Zudem findet man auf den Leistungsnachweisen eine Skala, auf der man erkennt, wo man mit seinem Leistungsniveau in der Hauptschule, in der Realschule und auf dem Gymnasium stehen würde. Auch Elternabende laufen anders ab. Zuletzt lud Beate Müller zu einem Informationsvormittag ein, an einem Samstag von 9.30 bis 12.30 Uhr. An verschiedenen Tischen klärten die Lehrer über die Lerncoaches, die Leistungsnachweise, das eigenverantwortliche Arbeiten und die Rhythmisierung des Tagesablaufs auf.

In dem neuen Konzept steckt viel Arbeit

Die Lehrer haben viel Zeit und Energie in die Vorbereitungen für die neue Gemeinschaftsschule investiert. Viele Lehrmaterialien haben sie selbst und neu erarbeitet. Sie haben bereits bestehende Gemeinschaftsschulen und Fortbildungen besucht. Aus dem, was sie gelernt haben, haben sich die Lehrer ihr eigenes Konzept gestrickt. Dabei sind freilich die Erfahrungen aus fünf Jahren Montessorischule an der Anne Frank eingeflossen. Für Beate Müller und ihr Team bedeutet das vor allem: „Dass hier nicht jeder machen kann, was er will, sondern jeder nach seinen Fähigkeiten gefördert wird. Wir bringen den Kindern unbegrenzt unsere Wertschätzung entgegen, erwarten aber auch Respekt.“