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Anwältin Petra Brockmann: "Es macht mich wütend, wenn ich sehe, wie Geld vernichtet wird."

Stuttgart - Viele Bankkunden suchen eine sichere Altersvorsorge und werden falsch beraten. „Es macht mich wütend, wenn ich sehe, wie unverantwortlich Geld vernichtet wird“, sagte die Bremer Anwältin Petra Brockmann.

Frau Brockmann, Ihre Kanzlei sitzt in Bremen und hat seit diesem Jahr auch ein Büro in Stuttgart. Gibt es hier nicht genügend Anwälte, die auf Kapitalanlagerecht spezialisiert sind?

Wir hatten bisher zwei Standorte - Bremen und Hamburg. Weil wir aber sehr viele Mandanten im Stuttgarter Raum haben, wollten wir hier auch mit Ansprechpartnern vor Ort vertreten sein.

Warum sucht sich jemand aus dieser Region einen Anwalt aus Bremen?

Anleger suchen sich ihre Kanzlei danach aus, ob sie bereits in gleichgelagerten Fällen Erfahrung hat. Wo die dann sitzt, ist zweitrangig. Im Fall der DG-Fonds zum Beispiel waren wir 2006 schon am Ball und haben zahlreiche Urteile erstritten. Diese geschlossenen Immobilienfonds wurden sehr stark in Baden-Württemberg und Bayern vertrieben. Deshalb sind bestimmt 50 Prozent unserer DG-Mandanten aus den beiden südlichen Bundesländern. Diese Fälle sind sehr komplex, und es bedarf sehr viel Hintergrundrecherche. Es rechnet sich auch für uns als Kanzlei besser, wenn wir den immensen Aufwand, der wir betreiben, mehrfach nutzen können.

Anleger kommen, wenn sie Schiffbruch erlitten haben. Aber nicht jede Investition, die Verluste bringt, ist automatisch ein Haftungsfall. Steckt dahinter nicht oft der Versuch, den eigenen Fehlkauf anderen anzuhängen?

Es gibt sicherlich Anleger, die sich von unliebsamen Investitionen trennen wollen und ein Verfahren gegen ihre Bank dazu nutzen. Aber meine Erfahrung ist, dass gerade sicherheitsorientierte Anleger überwiegend falsch beraten worden sind. Dazu gehören die sogenannten Kick-back-Fälle, bei denen es um verdeckte Provisionen für Banken geht, über die Anleger nicht informiert wurden. In der Regel gibt es bei unseren Fällen mehrere Pflichtverletzungen von Banken, die dann auch zu einer Schadenersatzhaftung führen.

Sind immer die Bankberater schuld? Vor der Pleite von Lehman Brothers hat niemand für möglich gehalten, dass die US-Investmentbank jemals insolvent werden könnte.

Bei den Lehman-Zertifikaten gab es im Frühsommer 2008 Alarmsignale. Wenn die Zertifikate danach noch vertrieben wurden, ist dies unseres Erachtens eine Pflichtverletzung. Es gab Zertifikate mit ganz unterschiedlichem Risiko. Wenn zum Beispiel einem sicherheitsorientierten Anleger höchst riskante Lehman-Papiere verkauft wurden, dann ist das unabhängig von der Finanzkrise eine Pflichtverletzung, die zu Schadenersatzhaftung führt.

Erstaunt es Sie manchmal, wie wenig Ableger über das Produkt wissen, in das sie ihr Geld investieren?

Eindeutig ja. Viele Anleger, die zu uns kommen, wissen gar nicht, was sie wirklich gekauft haben. Das ist eines der Hauptprobleme, mit denen wir zu tun haben. Wir beobachten auch, dass zunehmend ältere Leute im Visier der Bankberater sind. Klar: Dort sitzt das Geld, da lassen sich Produkte gut verkaufen. Den wenigsten Mandanten ist zum Beispiel bewusst, dass geschlossene Immobilienfonds unternehmerische Beteiligungen sind mit entsprechendem Risiko. Es ist erschreckend, wie vielen über 70-Jährigen geschlossene Fonds aufgeschwatzt wurden, die über 20, 30 Jahre laufen.

Gier frisst Hirn, heißt es so schön. Zu Zeiten des Neuen Marktes ließ sich das gut beobachten. Da haben Anleger ihren Bankberatern Aktien aus den Händen gerissen, deren Namen sie nicht mal aussprechen konnten.

Natürlich lassen sich Anleger von der versprochenen Rendite blenden. Aber wenn ein offener Immobilienfonds wie im Fall KanAm USA Real Estate Partners I mit 15 Prozent jährlicher Ausschüttung wirbt und der Bankberater sagt, der ist so gut und genauso sicher wie Festgeld, wundert es nicht. Viele langjährige Bankkunden vertrauen ihrem Berater: Sie sagen, das ist der Experte, auf den verlasse ich mich. Vielen Anlegern ist einfach nicht klar, dass es 15 Prozent Ausschüttung nur bei hoch riskanten Produkten gibt. Sie sehen nicht den Zusammenhang zwischen Sicherheit und Verzinsung.

Allem Anschein nach ist es schwer, ein Urteil gegen eine Bank oder einen Berater zu erwirken. Warum?

Das würde ich nicht unbedingt sagen. Es gibt in letzter Zeit viele Urteile, die zugunsten der Anleger ausgegangen sind. Das macht es für andere Geschädigte einfacher. In vielen Fällen der Vergangenheit gab es verdeckte Provisionen, und die Gerichte entscheiden bei Kick-back-Zahlungen zunehmend für den Anleger.

Aber wie soll ein unbedarfter Anleger verdeckte Provisionen zwischen Bank und zum Beispiel einer Fondsgesellschaft nachweisen?

Das recherchieren wir als Kanzlei. Wir konnten so nachweisen, dass bei den DG- Fonds 8 Prozent an Provisionen gezahlt worden sind, und davon haben die Volks- und Raiffeisenbanken entweder den kompletten Betrag oder einen Teilbetrag bekommen.

Auch Falschberatung muss nachgewiesen werden. Oft sind Jahre vergangen seit dem Kauf eines Anlageprodukts. Lohnt sich dennoch der Versuch?

Die Chancen, gegen eine Bank wegen Falschberatung vorzugehen, sind nicht so schlecht, wie gemeinhin angenommen wird. Fällt das Produkt beispielsweise schon nicht unter die im Beratungsprotokoll angegebene Risikobereitschaft, ist das eine günstige Ausgangssituation. Wenn der Kunde beispielsweise für seine Altersvorsorge eine sichere Anlage wünscht und sich das ihm verkaufte Produkt nicht mit diesem Ziel deckt, dann ist das ein Beratungsfehler. Manchmal kann man vor Gericht auch durch geschicktes Fragen den Berater zu einer wahrheitsgemäßen Aussage bewegen. Zunächst sollte man aber prüfen, ob die Ansprüche nicht bereits verjährt sind. Bei einem Wertpapiergeschäft ist das bislang drei Jahre nach dem Kauf der Fall.

Seit Jahresanfang ist das Beratungsprotokoll bei Wertpapiergeschäften Pflicht. Ist das ein Fortschritt?

Das Beratungsprotokoll ist eine halbherzige Lösung. Ob es dem Anleger etwas bringt, hängt ganz von der Ausgestaltung ab. Wir hätten uns gewünscht, dass der Gesetzgeber statt des Protokolls eine Umkehr der Beweislast vorschreibt. In dem Fall müssten die Bankberater beweisen, dass sie ordnungsgemäß beraten haben. Das wäre die optimale Lösung gewesen.

Verbraucherschützer sagen, das Beratungsprotokoll schützt Banken und nicht Anleger.

Das Risiko besteht absolut. Deshalb ist es auch sehr kritisch zu sehen, ob das Beratungsprotokoll, so wie es jetzt vorgeschrieben ist, als Verbraucherschutzmaßnahme ausreicht.

Wonach suchen Sie die Fälle aus, die Sie vor Gericht bringen?

Es hängt von den Erfolgschancen ab. Wir prozessieren nur dann, wenn wir die Erfolgschance deutlich über 50 Prozent sehen. Bei Nicht-Rechtsschutzversicherten gehen wir nur in Einzelfällen nach vorheriger Aufklärung über das Prozesskostenrisiko vor Gericht. So ein Prozess kann richtig teuer werden, und er kann immer anders ausgehen als erwartet.

Was war Ihr schlimmster Fall?

Ein Mandant, der ursprünglich vermögend war und in Altersarmut geendet ist. Er hatte Wertpapiere gekauft und dafür zwei Millionen Euro Kredit aufgenommen. Das Investment geriet in Schieflage. Am Ende stand er vor dem Nichts, und sein Privathaus musste zwangsversteigert werden. Fälle, in denen Mandanten in Altersarmut gehen, lassen einen nicht kalt. Es macht mich auch wütend, wenn ich sehe, wie unverantwortlich Geld vernichtet wird. Den Leuten wird immer gesagt, sie sollen fürs Alter vorsorgen. Manche Produkte am Markt sind dafür aber nicht geeignet. Vor allem bei geschlossenen Fonds ist höchste Vorsicht geboten. Das sind oftmals Bereicherungsmodelle der Initiatoren. In solchen Fällen verdienen alle daran, nur der Anleger nicht. Und wenn's schlecht läuft, bekommt er nichts mehr raus.