Ein kurzer Pikser, dann ist es vorbei und der Schutz hergestellt Foto: dpa

Der Ausbruch der Masern in Berlin wirkt sich auch auf Stuttgart aus. Die Infektionskrankheit ist Thema Nummer eins in den Praxen vieler Hausärzte. Die meisten Patienten wollen wissen, ob sie sich impfen lassen sollen.

Stuttgart - Die Unsicherheit ist groß: Viele Stuttgarter wissen nicht mehr, ob ihre Impfung gegen Masern aufgefrischt worden ist. Und sie wollen wissen, wie hoch die Gefahr eines Masernausbruchs in Baden-Württemberg tatsächlich ist. Erst gestern warnte das Landesgesundheitsamt im Regierungspräsidium Stuttgart vor der Möglichkeit eines Ausbruchs auch im Baden-Württemberg – , gerade wegen einer hohen Prozentzahl Ungeimpfter. Regierungspräsident Johannes Schmalzl empfiehlt Eltern, den Impfschutz ihrer Kinder, und jungen Erwachsenen, den eigenen Impfschutz zu überprüfen.

Im Untersuchungsjahr 2012/2013 lag die Zahl der geimpften Kinder in der Landeshauptstadt bei der Einschulungsuntersuchung bei 87,3 Prozent. Bundesweiten liegt der Schnitt für die zweite Masernimpfung bei 92,4 Prozent. In Baden-Württemberg haben 88,8 Prozent die zweite Masernimpfung. Laut Landesgesundheitsamt müssten aber 95 Prozent geimpft sein, um Masernausbrüche zu verhindern.

Grünen Gesundheits-und Umweltgedanken gegenüber aufgeschlossener

Warum sich so viele Stuttgarter nicht gegen Masern impfen lassen? Dr. Ulf-Jürgen Beckmann, der eine Praxis auf der Stuttgarter Uhlandshöhe betreibt und Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin ist, ahnt warum. „In Baden-Württemberg sind die Menschen viel kritischer, siehe Stuttgart 21. Und sie machen sich mehr Gedanken. Sie sind grünen Gesundheits-und Umweltgedanken gegenüber aufgeschlossener.“

Besonders im Vergleich mit der Bevölkerung in den neuen Bundesländern, die Zwangs-Pflichtimpfung gewohnt waren, bestehe ein Unterschied, meint er. Viele haben aber auch Bedenken wegen möglicher Nebenwirkungen des Impfstoffes. Auch wird häufig der Ständigen Impfkommission (STIKO) misstraut. „Sie ernennt sich selbst und kann deshalb nie impfkritisch sein“, sagt Beckmann, Mitglied in der Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte in Deutschland.

"Dass es bei uns Masernpartys gibt, ist Quatsch"

Auch Anke Karl, Schulkrankenschwester der Freien Walddorfschule am Kräherwald, verfolgt die Masernepidemie in Berlin mit Aufmerksamkeit. Das Vorurteil, dass viele Waldorfschüler nur wenige Impfungen haben, kann sie aber nicht bestätigen. „Dass es bei uns Masernpartys gibt, ist Quatsch. Bei der Einschulung wird bei uns genau erfasst, wer gegen was geimpft ist. Nur wenige, nicht einmal ein Viertel, sind nicht gegen Masern geimpft“, stellt Karl fest.

Eine verstärkte Nachfrage nach Impfungen ist in Stuttgart bis jetzt noch nicht aufgetreten. Im Robert-Bosch-Krankenhaus spielte das Thema, laut dem ärztlichen Direktor Dr. Mark Dominik Alscher, bisher noch keine Rolle.

Für seine Praxis kann das auch Ulf-Jürgen Beckmann bestätigen Dennoch ist bei seinen Patienten die Unsicherheit spürbar. „Es kommen vermehrt Fragen auf Grund der Berichterstattung in den Medien“, stellt der Kinder und Jugendmediziner fest.

Im Olgahospital ließ sich in der vergangenen Woche ein ungeimpfter Erwachsener wegen Masern behandeln. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis bei uns auch einige Fälle auftauchen, bei jedem größeren Ausbruch haben wir Patienten in Stuttgart“, sagt Dr. Stephan Illing, Kinderarzt am Olgahospital. Er sieht eine Impfverweigerung kritisch und warnt vor Folgeschäden durch Masern. „Ich habe schon einige Kinder an Masern sterben sehen, aber noch keinen Schaden durch das Impfen mitbekommen.“