Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft fordert unter anderem 5,5 Prozent mehr Gehalt für angestellte Lehrer. Foto: dpa

Zwei-Klassen-Gesellschaft in den Schulen: Angestellte Lehrer sind bei gleicher Arbeit schlechtergestellt als ihre verbeamteten Kollegen. In der Tarifrunde für den öffentlichen Dienst der Länder soll sich die Gerechtigkeitslücke ein Stück schließen, fordern Gewerkschaften.Eine Betroffene erzählt.

Ulm - „Mein Wunsch war schon als Kind, Sportlehrerin zu werden“, sagt Christine Brohl. Ein Lächeln huscht über das Gesicht der 59-Jährigen. „Sportlehrerin ist mein Traumberuf.“ Das gelte noch immer, ungeachtet aller widrigen Umstände, mit denen sie als angestellte Gymnasiallehrerin zu kämpfen hat.

Als sie sich 1975 für einen Diplom-Studiengang der Sportwissenschaft entschied, hatte sie niemand davor gewarnt. Sie wusste zwar, dass sie mit nur einem Fach und ohne Staatsexamen nicht verbeamtet werden würde. „Aber ein Diplomstudium war damals auch ein Berufsweg zum Lehrer. Also haben wir Sport studiert, und fertig“, erzählt die gebürtige Wiesbadenerin.

Zwei Kommilitoninnen von früher arbeiten inzwischen nicht mehr in ihrem Beruf – psychische Probleme. „Was einen frustriert, ist die mangelnde Wertschätzung“, sagt Brohl. Seit 34 Jahren unterrichtet sie an einem Gymnasium in Ehingen bei Ulm.

Möglichkeiten des Aufstiegs ohne Staatsexamen verwehrt

Sämtliche Möglichkeiten des Aufstiegs seien ihr ohne Staatsexamen verwehrt, sagt sie: „Ich werde nie befördert, nie.“ Verglichen mit einer gleichaltrigen verbeamteten Kollegin verdiene sie rund 800 Euro weniger im Monat. „Bei gleicher Arbeit.“ Denn eine Sportstunde von Christine Brohl unterscheidet sich nicht von der eines verbeamteten Kollegen: Aufsichtspflicht, Notengebung und Bildungsplan gelten für alle Lehrer gleichermaßen. „Nach Gutsherren-Art hat das Finanzministerium die Eingruppierungsrichtlinien für angestellte Lehrer festgelegt“, kritisiert sie.

Nach ihrem Studium 1980 wurde ihr eine Stelle als Vertretung einer schwangeren Kollegin angeboten. Über die Sommerferien wurde Christine Brohl wieder entlassen. Erst nach den Ferien bekam sie eine unbefristete Stelle an dieser Schule, an der sie noch heute unterrichtet. Angestellte Lehrerkräfte, die eine Krankheitsvertretung übernehmen, über die Sommerferien zu entlassen ist noch immer gängige Praxis.

Denn ihre Verträge „sind jeweils an einen konkreten Vertretungsgrund – zum Beispiel Krankheit oder Mutterschutz – gekoppelt, der in den Sommerferien naturgemäß nicht besteht, weil ja kein Unterricht stattfindet“, erklärt eine Sprecherin des Kultusministeriums unserer Zeitung.

Unterschiede drücken sich eher in formalen Dingen aus

„Angestellte Lehrer outen sich nicht gerne als angestellt“, hat Christine Brohl beobachtet. An den Schülern oder Kollegen liegt das meistens nicht: „Ich fühle mich sehr wohl an meiner Schule, ich bin anerkannt als Kollegin“, sagt sie. Das Verhältnis zu den verbeamteten Lehrkräften sei sehr gut. Die Unterschiede drücken sich eher in formalen Dingen aus: den nicht vorhandenen Aufstiegsmöglichkeiten, der geringeren Bezahlung, dem Umstand, dass ihre Rente geringer ausfallen wird als die Pension der Beamten.

Lange Zeit war Christine Brohl zu beschäftigt mit ihrem vollen Deputat und der Erziehung ihrer beiden Töchter. Sie war immer berufstätig, anders ging es nicht. Doch als die Kinder größer wurden, nagten die Umstände ihres Lehrerdaseins an ihr. 2010 wurde sie als Angestelltenvertreterin in den Bezirkspersonalrat Südwürttemberg der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gewählt. „Seitdem beschäftige ich mich immer mehr mit diesen Themen.“ Und sie kämpft. „Wenn irgendwo gestreikt wird, bin ich dabei.“

Vergangene Woche in Ulm, diesen Freitag in Stuttgart. „Das hält uns zusammen und motiviert, sich zu engagieren“, sagt sie. Dabei gebe es viele angestellte Kollegen, die sich nicht trauten zu streiken. Das könnte auch daran liegen, dass diese in Baden-Württemberg in der Minderheit sind. „Im Kollegium eines Gymnasiums mit 90 Lehrern sind im Durchschnitt nur fünf angestellt“, erklärt sie. Die verbeamteten Kollegen verhielten sich indes meistens solidarisch: „Hoffentlich erreicht ihr was, sagen sie.“

In der Ländertarifrunde fordert die GEW neben 5,5 Prozent mehr Gehalt vor allem einen Tarifvertrag zur Eingruppierung angestellter Lehrer. „Wir wollen eine faire Eingruppierung nach Ausbildung und Tätigkeit“, schildert Christine Brohl. Dabei sollen die Entgeltgruppen gerechter den Besoldungsgruppen zugeordnet werden. „Wir fordern gleiches Geld für gleiche Arbeit.“ Darüber hinaus wehrt sich die GEW gegen eine geplante Kürzung der betrieblichen Altersvorsorge. Wenn sie noch einmal über ihren Werdegang entscheiden könnte, würde Christine Brohl ein zweites Fach neben Sport studieren. Auf Lehramt.

„Andererseits: Wenn ich nicht angestellt wäre, wäre ich vermutlich nicht bei der GEW. All die Erfahrungen, die ich dort gemacht habe, möchte ich nicht missen“, sagt die Lehrerin. Zum Beispiel den Erfolg, den die Streiks ihrer Meinung nach vor zwei Jahren bewirkt haben und der bis heute fortdauert: „Dass das Problem der angestellten Lehrer endlich mal in aller Munde ist, finde ich toll.“ Das sei ein großer Erfolg. „Wir haben die Öffentlichkeit hinter uns“, ist Christine Brohl überzeugt.