Hans Tischer angelt gern im Neckar, zum Beispiel wie auf diesem Bild in der Nähe des Theaterschiffs. Foto: Annina Baur

Zum Baden mag der Fluss nicht frei gegeben sein, als Mittagessenlieferant eignet er sich aber prima: Rund 15 verschiedene Fischsorten beißen im Neckar an und sind nicht nur gesundheitlich unbedenklich, sondern auch lecker.

Bad Cannstatt - Fürs Baden ist der Neckar nicht freigegeben. Zu hoch sei die Keimbelastung, schnell könne man sich eine Magen-Darm-Erkrankung einfangen, heißt es. Wie aber passen dazu die zahlreichen Angler, die nicht nur in Bad Cannstatt regelmäßig die Rute ins Wasser halten? Immerhin 3000 Angelscheine hat der Württembergische Angler-Verein (WAV) für den Abschnitt zwischen dem Neckarhafen und Pleidelsheim ausgegeben. Schätzungsweise 2000 Inhaber dieser Angelscheine fischten regelmäßig im Neckar, für manch einen Arbeitslosen sei die Fischerei nicht Hobby, sondern Nahrungserwerb: „Ich kenne Menschen, bei denen es mehrmals pro Woche Fischsuppe aus dem Neckar gibt“, sagt der Vereinsvorsitzende Hans-Hermann Schock.

Mindestens 15 Fischsorten leben im Neckar

Dies sei gesundheitlich unbedenklich: „Fische aus dem Neckar sind kerngesund und genießbar“, so Schock. Die coliformen Bakterien, die dem menschlichen Verdauungstrakt gefährlich werden könnten, können laut Schock weder im noch auf dem Fisch überleben, sodass der Neckar als Mittagessenlieferant taugt und sogar für Abwechslung auf dem Speisezettel sorgt: „Von 60 in Deutschland heimischen Süßwasserfischen leben mehr als 15 Sorten im Neckar“, sagt Schock. Mit bis zu 100 Kilogramm schweren Exemplaren ist der Wels wohl der größte der heimischen Vertreter, es gibt aber unter anderem auch Hecht, Zander, Barsch, Aal und Barben im Fluss zu fangen. Mit Schneider und Bitterling leben zwei streng geschützte Fischsorten im Neckar, außerdem erst seit gut zehn Jahren mit der Nase wieder verstärkt eine Fischsorte, die eine gute Wasserqualität braucht. Nicht

Der Neckar ist ein gutes Angelgewässer. Foto: Annina Baur
heimisch, aber in großer Zahl vorhanden, sind Grundeln, Muscheln und der Große Häckerflohkrebs aus dem Schwarzen Meer, der Kaulbarsch aus dem Norden des Landes und Sonnenbarsche und Katzenwelse, die wohl ursprünglich aus einem Aquarium stammen.

Trotz dieser Artenvielfalt macht sich Schock Sorgen um den Fischbestand im Neckar, der im Lauf der vergangenen zehn bis 15 Jahre um 80 Prozent zurückgegangen sei – was nur indirekt auf den Menschen zurückzuführen sei: „Die Abnahme der Fischzahlen geht einher mit einem Anstieg der Kormorane“, sagt Schock. Mit dem schwarzen, fischfressenden Vogel sei ein einzelnes Tier unter Schutz gestellt worden, aber ein Managementplan fehle.

Geangelt werden darf das ganze Jahr

Dem widerspricht Ulrich Tammler vom Naturschutzbund (Nabu) Stuttgart, entschieden. „Im Sommer gibt es am Neckar in und um Stuttgart nahezu keine Kormorane.“ Das nächste Brutgebiet befinde sich bei Pleidelsheim, in der Landeshauptstadt sei es dem geschützten Vogel bislang nicht gelungen zu brüten, einzig zwischen Ende Oktober und März lebten rund 100 bis 150 Kormorane am Max-Eyth-See zum Überwintern. Die schrumpfenden Fischbestände sind laut Tammler vielmehr auf die zahlreichen Schiffe sowie – so kurios es klingen mag – die bessere Wasserqualität des Neckars zurückzuführen: weniger Nährstoffe, die von Landwirten in den Fluss geleitet würden, bedeuten laut dem Ornithologen auch weniger Nährstoffe für Fische. Seiner Meinung nach müsse der Mensch handeln, um die Fische zu schützen: „Anstatt den Kormoran zu jagen, sollte lieber der Fluss renaturiert werden.“ In einem natürlichen Flussverlauf hätten Fische und Vögel die Rückzugsmöglichkeiten, die sie bräuchten, um keine leichte Beute zu sein.

Geangelt werden darf übrigens trotz rückläufiger Fischbestände mit wenigen Ausnahmen das ganze Jahr über: „Die Stelle zwischen König-Karls-Brücke und Rosensteinbrücke ist das ganze Jahr über für Angler gesperrt, weil dort bevorzugt Zander laichen“, sagt Schock. Es sei die einzige Stelle im Stadtgebiet Stuttgart, an der das Angeln grundsätzlich verboten sei, die nächste solche befinde sich an der Gemarkungsgrenze zu Remseck. Achtgeben müssen Angler am Neckar also einzig auf die Schonzeiten und Schonmaße: „Hat man einen Fisch an der Angel, der entweder gerade Schonzeit hat oder noch zu klein ist, muss man ihn ins Wasser zurückwerfen.“

Eine Sportart zum Anbeißen

Hans Tischer liebt Fisch. Am liebsten isst er Zander oder Barsch: „Raubfische haben einfach mehr Pep im Geschmack.“ Niemals jedoch würde er freiwillig einen Fisch aus einer Aquakultur kaufen oder essen: Hans Tischer fischt selbst, er hat einen der 3000 Angelscheine für den Neckarabschnitt 9 zwischen Neckarhafen und Poppenweiler und ist Gründer des Internetforums Angeln am Neckar.

Der Angler aus dem Stuttgarter Osten ist regelmäßig mit Kescher und Angelrute unterwegs, häufig auch in Bad Cannstatt. Und das nicht nur, weil sich dieser Bereich in der Nähe seines Wohnorts befindet: „Der Neckar ist ein gutes Angelgewässer.“ Überall könne der Angler Beute machen, er habe auch schon über einen längeren Zeitraum nur an Stellen geangelt, an denen normalerweise keiner stehe – und dennoch Petri Heil gehabt. Nichtsdestotrotz gebe es Stellen, die besonders erfolgversprechend seien: „Überall dort, wo sich Fische gut verstecken können, sind die Chancen auf Erfolg groß“, sagt Tischer. Dies können kleine Buchten, aber auch Bereiche um Schiffe oder Brückenpfeiler sein, etwa das Theaterschiff am Mühlgrün.

Angler haben viel Gepäck dabei

Dass an einigen Stellen vor allem in den Sommermonaten die Angler geballt aufträten, habe aber häufig viel profanere Gründe: „Als Angler hat man viel Gepäck dabei und mag deshalb Stellen, die nicht zu weit von der nächsten Parkmöglichkeit entfernt sind“, sagt der Angler schmunzelnd. Die Stelle beim Theaterschiff sei optimal: Im nahe gelegenen Parkhaus Mühlgrün kann der Angler sein Auto abstellen und ist nach wenigen Metern zu Fuß schon am Ziel. Und nebenbei sei es nett, den ein oder anderen Kollegen zu treffen und sich kurz auszutauschen.

Hans Tischer hat viele verschiedene Köder, auch selbst gemachte. Foto: Annina Baur
Dabei hat Hans Tischer neben Angelrute und Kescher immer eine große Box mit unzähligen Ködern. Gelbe, rote und glitzernde Fische aus Plastik, Metall oder synthetischen Materialien befinden sich darin, bereit, die Fische zum Biss zu verleiten, indem sie deren Nahrung imitieren oder den Jagdtrieb reizen. Wer mit Kunstködern fischt, ist immer in Aktion: „Der Köder ist für Fische nur interessant, weil er sich bewegt“, erklärt Tischer. Im Stuhl sitzen und die Rute ins Wasser halten könne nur, wer mit lebenden Ködern angle. „Man muss einfach wissen, was man will und sich mit dem Fisch und dessen Umwelt befassen, um zu wissen, wie man ihn überlisten kann“, sagt der erfahrene Angler.

Im Winter werden Netze geflochten und Spulen geölt

Der 58-Jährige angelt seit Kindertagen, auch sein Vater war Angler. „Der hat mir im Urlaub früher beigebracht, wie man mit Schnur und Haken angelt.“ Tischer war sofort Feuer und Flamme für den Sport am Wasser. Ein bisschen angeln, das geht nicht, glaubt er: „Man wird davon gefangen oder eben nicht.“ Ihn begleitet sein Hobby das ganze Jahr über, auch wenn er bei Wind und Wetter nicht am Neckar steht: „Im Winter werden Netze geflochten, Spulen geölt und Informationen gesammelt.“ Und sogar eigene Köder hat Hans Tischer schon angefertigt. In diesem Sinne: Petri Heil.