Ältere Menschen sollen Wohnungen für Familien räumen Foto: dpa

Eine Umzugsprämie von 5000 Euro soll Senioren zum Wechsel aus einer großen Wohnung in ein kleineres Zuhause bewegen – und so Platz schaffen für Familien. Bei Betroffenen und Politik im Südwesten stößt der Vorschlag des Bundesvorsitzenden der IG Bau, Robert Feiger, auf Ablehnung.

Stuttgart/Berlin - Die Kinder sind längst aus dem Haus, und vor einigen Jahren ist auch der Ehepartner gestorben. Das Haus oder die Wohnung, die einst drei oder vier Menschen Platz geboten hat, ist jetzt eigentlich viel zu groß. So geht es vielen Senioren. Im Gegensatz dazu müssen sich gerade junge Familien oft mit beengten Wohnverhältnissen abfinden, weil es gerade in Ballungsgebieten zu wenig Wohnraum gibt und dieser auch noch extrem teuer ist.

Trend zu größeren Wohnflächen pro Kopf

Der Vorsitzende der IG Bau, Robert Feiger, hat jetzt einen Vorschlag gemacht, wie man diesem Problem Abhilfe verschaffen könnte – und damit für reichlich Diskussionsstoff gesorgt: Bis zu 5000 Euro könnte der Staat älteren Menschen als Prämie für einen Umzug von einer großen in eine kleinere Wohnung zahlen. So könnten die Senioren Umzugshelfer, Makler und Renovierungskosten finanzieren, rechnet der Gewerkschaftschef vor. „Viele Senioren sitzen im Alter in ihren großen Wohnungen fest, viele Familien müssen dagegen in viel zu kleinen Wohnungen wohnen“, sagte Feiger.

Die Statistik gibt dem Gewerkschaftsboss recht: So haben alleinstehende Senioren durchschnittlich 78,4 Quadratmeter Wohnraum zur Verfügung. Ein Paar mit mindestens einem Kind kommt dagegen nur auf 30,2 Quadratmeter pro Person.

Ohnehin hält der Trend zu größeren Wohnflächen pro Kopf an. Standen im Jahr 1998 jedem Einwohner noch durchschnittlich 39 Quadratmeter zur Verfügung, so ist die Pro-Kopf-Wohnfläche mittlerweile auf 45 Quadratmeter angewachsen, wie das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) ermittelt hat. „Die steigende Lebenserwartung und die verbesserte gesundheitliche Verfassung tragen dazu bei, dass Senioren immer länger in der Wohnung bleiben, in der einst die ganze Familie gelebt hat“, erklärt Christian Fiedler vom BiB.

"Umzugsprämie für ältere Menschen wenig hilfreich"

Der Vorschlag einer staatlichen Umzugsprämie für ältere Menschen sei wenig hilfreich, kritisiert der Vorsitzende des Landesseniorenrats Baden-Württemberg, Roland Sing. Kleinere Wohnungen in Ballungsräumen seien wegen der hohen Nachfrage im Verhältnis teurer als große, sagte Sing den Stuttgarter Nachrichten. Der 73-Jährige vertritt die Interessen von 2,7 Millionen über 60-Jährigen im Südwesten.

Der Vorsitzende des Immobilienverbands Deutschland (IVD) West, Ralph Pass, spricht gar von einem „absurden Vorschlag“. Gerade in Großstädten wie Köln herrsche ein akuter Mangel an bezahlbaren, barrierefreien Ein- und Zwei-Zimmer-Wohnungen.

Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) reagierte ablehnend auf den Vorschlag der IG Bau: Zwar gebe es zu wenig bezahlbaren Wohnraum für Familien mit Kindern. „Ich halte diesen Vorschlag aber nicht für geeignet, dieses Problem zu lösen.“ Besser sei es, Wohnungen altersgerecht umzubauen. Ihr Ministerium verfolge mit dem Programm „Altersgerechtes Umbauen“ das Ziel, „älteren Menschen einen möglichst langen Verbleib in der vertrauten Wohnumgebung zu ermöglichen“. Hierdurch könnten Kosten für Sozial- und Pflegekassen „in erheblichem Umfang“ eingespart werden.

Auch der baden-württembergische Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) hält nichts von einem Prämienmodell. Es sei ein wichtiges Ziel der Landesregierung, für mehr bezahlbaren Wohnraum zu sorgen, betonte Schmid. „Deshalb setzen wir auf unsere Landesprogramme zur Wohnraumförderung, die wir für die beiden kommenden Jahre noch einmal deutlich aufgestockt haben. Davon profitieren gerade auch Familien mit Kindern.“

Um Wohnungsleerstände zu vermeiden hat die Stadt Stuttgart erst Mitte Januar eine gemeinsame Kampagne mit dem Interessenverband Haus und Grund gestartet. In einem Faltblatt, das allen Stuttgarter Immobilienbesitzern mit dem Grundsteuerbescheid sowie den 20 000 Mitgliedern des Haus- und Grundbesitzervereins zugesandt wurde, beschreibt Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) den Mangel an bezahlbarem Wohnraum in der Landeshauptstadt.

„Der Mangel trifft insbesondere Familien mit Kindern“, schreibt Kuhn. „Wir müssen jede Möglichkeit ausschöpfen und Leerstand verringern.“ Die Stadt selbst bietet Hilfe bei der Vermietung oder der Umwandlung von leerstehenden Büros in Wohnraum.