Sophie und Emilia zieht es auch bei Sauwetterwetter hinaus zu den Bäumen. Foto: Linsenmann

In einem Projekt mit dem Kosmos-Verlag bringt die Kita Polifant Bäume und sonstiges Grün aufs Dach. Der Buchautor und Bäume-Versteher Conrad Amber war auch dabei – und freut sich mit den Kindern über ganz neue Spielmöglichkeiten.

S-Ost - Ein Kran hatte die Bäume mit den armdicken Stämmchen rund 20 Meter hoch auf die Penthouse-Terrasse im siebten Obergeschoss gehoben, und Conrad Amber kann es sich durchaus vorstellen, dass es dem Grün dabei „ein bisschen schwindelig“ wurde: „Ein Standortwechsel ist immer Stress für Bäume“, sagt der selbst ernannte Naturdenker, der „Bäume auf die Dächer und Wälder in die Stadt“ bringen will. So heißt auch das neue Buch des Österreichers, eben frisch beim hiesigen Verlag Kosmos erschienen. Und weil das Thema auch aus den zwei Buchdeckeln herauswachsen sollte, hat sich der Verlag mit der Kita Polifant in der Heilmannstraße zusammengetan und tatsächlich fünf Bäume auf die rund 60 Quadratmeter gebracht, die bisher nur mit schwarzen Fallschutzmatten belegt waren.

Schmetterlinge, Bienen, Vogelnest

Amber ist zwar ein Bäume-Versteher, er denkt dabei aber vor allem an den Menschen. Und in diesem Fall ganz besonders an die Kinder: „Kinder haben in der Stadt kaum regelmäßigen Kontakt zur Natur. Nun können sie im Alltag den Wechsel der Jahreszeiten mitbekommen. Wenn es knospet und die Blätter sprießen, wenn das Laub sich verfärbt und fällt, wie Bäume im Sommer Schatten spenden und im Winter kahl dastehen. Es werden Schmetterlinge kommen und Bienen, vielleicht gibt es ein Vogelnest. Die Kinder werden jetzt öfter und lieber im Freien spielen.“

Polifant hatte schon im Vorjahr „einen sanften Versuch unternommen, Grün aufs Dach zu bekommen, mit einem kleinen Duftgarten“, berichtet die Kita-Leiterin Sabine Rux-Gerisch, „aber damit sind wir gnadenlos gescheitert. Uns hat die Anleitung gefehlt. Aber jetzt passt alles. Es ist wunderbar geworden“, meint sie begeistert – und ist dann trotz Wind und nasskaltem Regen lieber barfuß draußen: „Für unsere Kinder ist das eine Erweiterung der Sinneserfahrung“, erklärt die Pädagogin, „wir haben das ja auch sonst mit im Konzept.“ Mit Steinen und Holzschnitzeln etwa. Oder mit den Grünablegern, die auf der Fensterbank stehen, alle mit Kindernamen und dem Zettel „gepflegt von“ versehen: „Das werden die Geschenke für den Vatertag“, sagt Rux-Gerisch.

Die Gießkannen stehen schon bereit

Auch die anderen Gewächse, Wilder Wein und die rosa blühende wilde Waldrebe, die das umlaufende Schutzgitter hochklettern sollen, Bambus, Lavendel und Salbei, Sedum und Zitronenmelisse sollen von den Kindern gepflegt werden. Die Bäume sowieso! Ein buntes Sammelsurium von Gießkannen steht schon bereit: „Es ist wichtig, dass Kinder lernen, sich um etwas Lebendiges zu kümmern. Das ist auch ein Stück Verantwortung, das sie spielerisch übernehmen. Außerdem gibt das schöne Gespräche. Das belebt in jeder Hinsicht“, ist sie überzeugt – und fügt frohgemut hinzu: „Außerdem ist das jetzt unser kleiner Feinstaubfilter, direkt am Neckartor!“

Das ist natürlich wieder der Horizont, in dem der Bäume-Mann Amber denkt: „Ich sehe darin auch ein Impuls- und Vorbild-Projekt. Stuttgart ist bereit, der Druck wegen der Schadstoffproblematik ist groß. Hier tut sich mehr als anderswo. Stuttgart könnte ein Pionier der Stadtbegrünung werden.“ Allein mit Flachdach-Begrünungen könne schon einiges gewonnen werden, wobei er neben dem Filtereffekt auch dies im Blick hat: „Extreme Starkregen und davon ausgelöste Überflutungen werden zunehmen. Bepflanzte Dächer wirken wie natürliche Rückhaltebecken. Auch die Verdunstung trägt zu einem besseren Mikroklima und besserer Atemluft bei.“ Hinzu komme der Abkühlungseffekt: „Wenn wir weltweit die Hälfte der Dächer begrünen, können wir die Temperatur um zwei Grad senken. Das wäre fast schon die durch den Klimawandel ausgelöste Marge. Wir müssen also genau jetzt damit beginnen!“ Er betont: „Das könnte mit wenig Aufwand geschehen.“ Die von Kosmos bezahlte Grünaktion für Polifant hat 5500 Euro gekostet, wie Pressesprecherin Alexandra Kuhn bestätigt.

Conrad Amber schaut Richtung Mailänder Platz, wo ihn die massive Front aus Glas, Beton und Stein an den „Beton-Brutalismus der Nachkriegsjahre“ erinnert. Er schüttelt den Kopf, hat aber gleich „Ideen für eine grüne Auflockerung“. Dann schweift sein Blick von Nord nach Süd, von Hainbuchen, Ahorn und Magnolien zur Schwarzkiefer, die in gut vier Metern Höhe schon eine hübsch ausgreifende Krone hat: „Vielleicht kommen noch blühende Büsche hinzu, eigentlich sollte die ganze Fläche grün sein. Aber das wird wachsen und gedeihen“, sagt Amber und stellt fest: „Die Wirkung wird man an der Fröhlichkeit der Kinder messen können.“