Ein Autofahrer wird zu einer Geldstrafe verurteilt. Foto: Patricia Sigerist

Weil er einen Motorradfahrer nicht gesehen hat, wird ein Autofahrer zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Angeklagte beteuert bis zuletzt seine Unschuld, die Richterin stützt ihr Urteil auf den Berechnungen des Sachverständigen.

Waiblingen - Eigentlich hätte die Richterin auch gerne Thomas K. (alle Namen geändert) im Zeugenstand befragt. Doch der 22-Jährige wurde bei einem Unfall mit seinem Motorrad so schwer verletzt, dass er nach neun Monaten immer noch pflegebedürftig ist. Die Staatsanwaltschaft sieht in dem Autofahrer Frederik B. den Schuldigen, weshalb er sich vor dem Amtsgericht Waiblingen wegen fahrlässiger Körperverletzung verantworten musste.

Der Unfall war am Abend des 29. August vergangenen Jahres passiert. Frederik B. wollte von der Hinteren Straße in die Bergstraße fahren. Dafür musste er die Untertürkheimer Straße überqueren. Auf dieser Vorfahrtsstraße kam es dann zum Zusammenstoß. „Es tut mir leid, aber ich konnte das Unglück nicht verhindern“, sagte Frederik B. Er habe seinen Mercedes nicht nur vorschriftsmäßig an der Haltelinie gestoppt, sondern vor dem Einfahren in die Untertürkheimer Straße extra nochmals nach links geschaut. „Er war nicht da“, sagte der Angeklagte.

Das Motorrad prallt gegen den Kotflügel

Das war aber leider nicht der Fall. Thomas K. prallte mit seinem Motorrad gegen den linken Kotflügel des Mercedes. Der junge Mann flog über die Motorhaube und prallte gegen einen Ampelmast. Außer diversen Knochenbrüchen zog er sich ein schweres Schädelhirntrauma zu, ebenso wurde Blut in der Lunge festgestellt. Zwei Wochen lang lag er im Koma.

Um zu erfahren, wie es dem Unfallopfer geht, wurde sein Vater als Zeuge befragt. „Die komplette linke Seite war bei ihm anfangs gelähmt “, erzählte Roland K. Mittlerweile mache sein Sohn dank einer Frührehabilitation Fortschritte. Aber Thomas K. müsse das Sprechen, Essen und Schlucken wieder neu lernen, zudem habe er Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis. „Als Zwölfjähriger hat er sein erstes Motorrad bekommen, er kann eigentlich sehr gut mit dem Zweirad umgehen“, sagte Roland K. Sein Sohn sei ein umsichtiger Fahrer.

Der Motorradfahrer fährt zu schnell

Laut verschiedener Zeugenaussagen fuhr der Motorradfahrer eindeutig zu schnell auf die Kreuzung zu. Birte S., die als Spaziergängerin den Unfall beobachtet hatte, sagte: „Der fuhr wie auf der Beschleunigungsspur einer Autobahn.“ Sie schätzte, dass Thomas K. mit einer Geschwindigkeit von 80 bis 100 Stundenkilometer unterwegs war. „Der flog wie eine Puppe gegen den Ampelmast.“

Verschiedene Untersuchungen stützen die Aussage der Zeugin. „Bei Bremsbeginn muss Thomas K. etwa 80 Stundenkilometer schnell gewesen sein“, sagte ein Sachverständiger vor Gericht. Verschiedener Berechnungen zufolge hätte Frederik B. aber trotzdem den Motorradfahrer an der Unfallkreuzung sehen müssen. Das Fazit des Experten lautet: Die Kollision war vermeidbar.

Für die Richterin zählen die Berechnungen

Der Angeklagte zweifelte an der Richtigkeit des Gutachtens. „Ich hatte überhaupt keine Chance, über die Straße zu kommen“, sagte Frederik B. Die Richterin Dotzauer sprach von tragischen Umständen, auch weil die Unfallkreuzung für schlechte Sichtbedingungen durch geparkte Autos bekannt ist: „Das hätte jedem passieren können.“ Die Vorsitzende des Gerichts folgte dem Plädoyer der Staatsanwältin und verurteilte Frederik B. wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15 Euro. „An den Berechnungen des Sachverständigen geht kein Weg vorbei,“, sagte sie.