Das Jugendschöffengericht musste in diesem Fall mehrmals zusammenkommen. Foto: Pascal Thiel

Ein Prozess wegen Eingriffs in Straßenverkehr wird nach drei Jahren hin und her eingestellt. Am Ende waren sich die Zeugen nicht mehr so sicher, ob sie die Vorfälle nicht doch etwas zu dramatisch dargestellt hatten.

Waiblingen - Nach mehr als drei Jahren ist jetzt ein Prozess zu Ende gegangen, der einen kuriosen Verlauf genommen hat. Denn eigentlich hätte er längst abgeschlossen sein können.

Der Reihe nach: Am Abend des 19. Mai 2013 war es auf dem Aldi-Parkplatz an der Düsseldorfer Straße in Waiblingen zuerst zu einer Handgreiflichkeit gekommen. Ein 66-jähriger Unternehmer hatte den heute 24-jährigen Angeklagten beschimpft, geschubst und schließlich ins Gesicht geschlagen. „Er hat bei mir gearbeitet, einfach aufgehört und nicht gesagt warum“, begründete der 66-Jährige nun vor Gericht sein Verhalten und seine Wut.

Vom Rückspiegel getroffen

Der Angeklagte hatte dagegen gesagt, er sei von dem Mann gefeuert worden, weil er sich geweigert habe, in einem penetrant nach Diesel stinkenden Lastwagen zu fahren. „Sein Sohn hat sich mit mir auf dem Parkplatz verabredet. Dort ist er dann plötzlich aufgetaucht und auf mich losgegangen“, sagte der 24-Jährige. Er habe die Flucht ergriffen, sein Kontrahent sei von dessen Sohn festgehalten worden. „Als ich in meinem Auto saß, hat er mehrmals draufgeschlagen. Ich wollte bloß noch weg und bin davongefahren“, berichtete er dem Gericht. Weil er dabei den 66-Jährigen mit dem Rückspiegel streifte und dieser später gegenüber der Polizei behauptete, der 24-Jährige sei gezielt und mit aufheulendem Motor auf ihn zugefahren, wurde er zunächst wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr mit einem Strafbefehl belangt.

„Die Sache hatte sich gegen Sie gewendet“, sagte der Vorsitzende Richter Martin Luippold. Dieser berichtete auch, wie es kam, dass sich ein 24-Jähriger vor einem Jugendgericht verantworten muss. Zur Tatzeit war der Angeklagte nämlich noch 21 Jahre alt und galt als Heranwachsender. Gegen den Strafbefehl erhob er damals Einspruch, weshalb es zu einer ersten Verhandlung im Januar 2014 kam. Dort wurde das Verfahren gegen Auflagen zunächst vorläufig eingestellt.

Geldbuße statt Arbeitsstunden

Doch der Angeklagte leistete die als Auflage verhängten 60 Arbeitsstunden nicht. Also wurde eine weitere Verhandlung im Jahr 2015 angesetzt, wobei der Vorwurf sogar noch als schwerer Fall eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr eingestuft wurde, also als Verbrechen. Schließlich fiel dem Gericht auf, dass der Fall eigentlich vor das Jugendschöffengericht gehört, wo er nun landete.

„Vielleicht war es ja nicht so dramatisch, wie ich es damals gesagt habe“, wand sich nun der Sohn des 66-Jährigen im Zeugenstand. Sowohl seine Aussage als die seines Vaters war geprägt von Gedächtnislücken und Relativierungen. Schließlich wurde das Verfahren wieder vorläufig eingestellt – gegen eine Geldbuße von 300 Euro und mit einem eindringlichen Appell des Richters: „Zahlen Sie jetzt bloß.“