Der Täter erhielt eine Geldstrafe von 400 Euro. Foto: dpa

Ein Voyeur hat in einem Böblinger Fitnessstudio sein Unwesen getrieben und eine 26 Jahre alte Frau in der Umkleidekabine fotografiert.

Böblingen - Nicht nur einen Fall hatte der Böblinger Amtsrichter Werner Grolig wegen Fahrens ohne Führerschein an diesem Morgen zu bewältigen. Einer der Angeklagten war obendrein auch noch alkoholisiert ertappt worden. 14-mal war der Mann wegen eines solchen Deliktes und anderer Vergehen bereits verurteilt worden, das Vorstrafenregister musste verlesen werden. Grolig war mit seinem Zeitplan somit im Hintertreffen, als der Prozess gegen einen 39-Jährigen begann, der eine junge Frau in einer Damenumkleide fotografiert hatte, als sie sich das T-Shirt auszog. So jedenfalls lautete der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Zu der Beweisaufnahme und einer Zeugenaussage kam es nicht, weil der Mann einen Strafbefehl von 20 Tagessätzen zu jeweils 20 Euro annahm.

Verteidiger: Es gibt kein einziges Foto als Beweis

Laut der Staatsanwaltschaft hatte der Angeklagte im Oktober 2015 in einem Böblinger Fitnessstudio eine heute 26 Jahre alte Frau belästigt und Fotos geschossen, als sie oben ohne war. „Er verwendete eine kleine Kamera und machte Bilder über eine Milchglasscheibe hinweg“, stellte der Staatsanwalt fest. „In einem Raum, den nur Frauen betreten durften.“ Die Anklage lautete deshalb auf Verletzung des persönlichen Lebensbereichs. Zudem habe der 39-Jährige aus Böblingen zuvor mehrmals versucht, die Frau aus Holzgerlingen in ein Gespräch zu verwickeln – offenbar ohne Erfolg, so der Staatsanwalt.

Der Angeklagte bestritt vor Gericht nicht, der 26-Jährigen in Paparazzi-Manier nachgestellt zu haben. Aber offenbar hat er danach die Speicherkarte seiner Kamera zerstört. Ob er das tat, weil er bei der Frau letztlich abgeblitzt war, ob er ein Beweismittel vernichten wollte oder ob beides dafür den Ausschlag gegeben hatte, blieb offen. Der Verteidiger des Voyeurs jedenfalls merkte an, dass es kein einziges Foto gebe, auf dem die Frau zu erkennen sei. „Und überhaupt, hat jemand eines der Fotos gesehen?“, fragte der Verteidiger das Gericht. „Und wenn ja, dann kann es doch sein, dass sie unscharf waren.“

Bis zur Strafanzeige dauerte es ziemlich lang

Eine Beweisführung sei also kaum möglich, wollte der Verteidiger dem Richter klarmachen. Grolig widersprach: „Ich glaube, ich steh’ auf dem Schlauch. Ein solches Problem haben Sie auch beim Schwurgericht, wenn es keine Leiche gibt.“ Zur Entlastung seines Mandanten fügte der Verteidiger dann noch an, dass es ihm leid tue, „dass sich jemand verletzt fühlt“.

Näheres war während der Verhandlung nicht zu erfahren. Offenbar hatte sich die Frau ein Weile überlegt, ob sie den Mann anzeigen soll oder nicht. Und Polizei und Staatsanwaltschaft hatten ziemlich lange gebraucht, bis sie die Strafanzeige schickten. Sie erreichte den 39-Jährigen erst im Juli diesen Jahres.

Der Täter meint, die ganze Sache sei „unverhältnismäßig“

Als der Richter das Opfer befragen wollte, beantragte der Verteidiger eine Sitzungsunterbrechung, um sich mit seinem Mandanten zu besprechen. Nach wenigen Minuten erschienen die beiden wieder. Mit brüchiger Stimme erklärte der Angeklagte, was er von dieser juristischen Auseinandersetzung hielt: „Das ist unverhältnismäßig.“ Er bezahle nun aber die von ihm geforderte Summe. „Das ist klug von Ihnen. Bei einem Urteil wäre es für Sie mehr als doppelt so teuer geworden“, entgegnete der Richter Grolig. Sichtlich froh, wieder etwas Zeit aufgeholt zu haben.