Nutzte seine Antrittsrede zur Kampfansage an Amerikas Verbündete: US-Präsident Donald Trump – hier während seiner Einführung ins Amt.Foto:dpa Foto:  

Der US-Präsident regiert ein schutzloses, durch Freund und Feind bedrohtes Land – wenn man seiner Antrittsrede Glauben schenkt. Dass muss vor allem Amerikas Verbündete irritieren, meint StN-Chefredakteur Christoph Reisinger.

Stuttgart. - Auch so kann man seine ersten Amtsminuten vermasseln: US-Präsident Donald Trump hat eine überflüssige Rede an seine Wähler gehalten, aber keine an sein Volk. Zentral ist seine Behauptung, mit ihm sei die Herrschaft des Volkes über das Land wieder hergestellt. Sie klingt wie die abschließende Antwort auf genau die Angst, die angesichts von Globalisierung, Veränderungsdruck und Terrorismus nicht nur in den USA viele Wähler erfasst hat: Wir sind nicht mehr Herren im eigenen Haus.

Hemmungslos hat Trump mit dieser Angst gespielt. Hat Bilder gezeichnet von einer amerikanischen Demokratie, die keine Volksherrschaft mehr war, von einem verarmten, von Freunden schamlos ausgenutzten, von Feinden belagerten, wehrlosen Land. Aus den vergangenen 50 Jahren ist kein Beispiel erinnerlich, dass das gerade vereidigte Staatsoberhaupt die USA dermaßen herabgewürdigt hätte.

Interesse an Partnern, Frieden und freien Handelswegen

Mit dieser Rede kann Trump in der Welt, in der nach seinen Worten der Wohlstand der amerikanischen Mittelschicht umverteilt wurde, die Zweifel an seiner Bodenhaftung nur gemehrt haben. Besonders ernüchtert müssen gerade Amerikas engste Freunde zur Kenntnis nehmen, wie abgrundtief dem Neu-Präsidenten die wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit missfällt. Ohne an der überragend positiven Bedeutung der USA für den Sieg über das Nazi-Regime, für den Aufstieg der Bundesrepublik oder für die deutsche Einheit auch nur im Geringsten zu deuteln, darf doch gesagt werden: Amerika hat ein ureigenes Interesse an treuen Partnern, Frieden, freien Handelswegen und stabilen Absatzmärkten. Das zu pflegen und dafür Opfer zu bringen, war und ist das Gegenteil von Verschwendung.

Trump behauptet das Gegenteil: Grenzen schützen, Amerika zuerst – das war’s. Aber es bleibt ja der Trost, dass er auch gesagt hat: Die Zeit der hohlen Reden ist vorbei. Hoffentlich macht er damit Ernst.

christoph.reisinger@stuttgarter-nachrichten.de