Abgebrannt: Hap (James Purefoy, links) und Leonard (Michael K. Williams) Foto: Amazon

Tief in der texanischen Provinz versuchen die Titelhelden der neuen Amazon-Serie „Hap und Leonard“, eine alte Verbrechensbeute zu finden. Grelles wechselt dabei mit Sensiblem ab.

Stuttgart - Wenn Polizeiautos von gestern sirenenjapsend einen Amischlitten der letzten Heckflossengeneration ein texanisches Provinzsträßchen entlang jagen, könnten wir einen alten Burt-Reynolds-Film vor uns haben, eines jener Gute-Laune-Schlitzohren-Märchen, in denen ein fetter Motor die Freiheit der Unangepassten garantiert. So fängt aber auch die neue Amazon-TV-Serie „Hap und Leonard“ an – wobei die fliehenden Gangster ihre Karre bald durchs Unterholz und dann in einen Fluss lenken. Ein bisschen Genregaudi darf sein, signalisieren diese Bilder, denn „Hap und Leonard“ will mit aller Entschiedenheit keine jener neuen Serien sein, die ernsthaft und düster, sozialrealistisch oder philosophisch vom Verbrechen und seiner Bekämpfung erzählen.

Aber so wenig die Auftaktfolge den Ton von „True Detective“ treffen möchte, so wenig kündigt sie die ironische Lockerheit von Klassikern wie „Rockford“ an. „Hap und Leonard“ basiert auf einer Romanserie des vielseitigen US-Autors Joe R. Lansdale, einer Mischung aus klassischem Männerabenteuergarn und dem, was man mittlerweile auch in Deutschland „Country noir“ nennt. Lansdales Romane um zwei mittellose Freunde im taffen Texas haben harte Kanten und zeigen die fieseren Seiten der Waffenkultur und der Outlaw-Mythologie im Westen.

Desillusioniert und rührbar

Der Drehbuchautor Nick Damici und der Regisseur Jim Mickle, die schon Lansdales „Cold in July“ fürs Kino adaptiert haben (bei uns ist der Film direkt auf DVD erschienen), konzentrieren sich in „Hap und Leonard“ auf die Pulp-Fiction-Seite des Texaners. Die Titelhelden der ursprünglich für den Sender Sundance TV produzierten Serie sind zwei überlebensgroße Durchwurstler. Hap (James Purefoy, der Mark Anton aus der HBO-Serie „Rom“) ist weiß und trägt seine Desillusionierung vor sich her, als sei sie eine besondere Form von Charme, versteckt dabei aber doch sehr schlecht seine Rührbarkeit und seine Fixierung auf Werte. Eine Chance, endlich zu Geld zu kommen, sucht er trotzdem.

Sein Freund Leonard (Michael Kenneth Williams, der Omar aus „The Wire“) ist ein schwarzer, schwuler Vietnamveteran, der lieber weiße Countrymusik hört als irgendwelche Gardinenpredigten über das Ungerechtigkeitssystem, als dessen Opfer er sich doch bitte sehen möge.

Schurken wie aus Batmans Gotham

Dank Trudy, der wieder auftauchenden Ex-Frau von Hap, werden die beiden in ein von Anfang an fischiges Suchprojekt nach der Beute eines vor langer Zeit verübten Verbrechens hineingezogen. Das bringt sie mit ein paar bizarren Gestalten zusammen, die oft wirken, als hätten sich ein paar groteske Schurken aus Batmans schickem Stadtalbtraum Gotham ins schwülheiße Hinterland der passionierten Bierdosenzerdrücker verirrt.

Aber die sechs Folgen der ersten Staffel sind nicht durch einen andauernden Vorfahrtswechsel von Ulk und Brutalität geprägt. Es sind die sensiblen Momente, die den größten Eindruck hinterlassen, etwa die Unsicherheit der beiden Machos, wie sie ihre Männerfreundschaft leben sollen: Ihr Kickbox-Training geht ihnen leichter von der Hand als Umarmungen. Oder das Schwanken von Trudy (Christina Hendricks, die in „Mad Men“ Joan Holloway spielte), die alle ihre Reize sehr berechnend einsetzt: Hinterm Klischee der manipulierenden Egoistin wird die Angst einer Frau erkennbar, Opfer zu werden, wenn man nicht alle Fäden in der Hand hält.