Arbeiter streiken im Sommer vor dem Amazon-Versandzentrum in Leipzig. Die Gewerkschaft Verdi setzt die Streiks in der Vorweihnachtszeit fort Foto: dpa

Erst Bad Hersfeld und Leipzig – und bald Pforzheim? Verdi erhöht mit Streiks den Druck auf das Online-Kaufhaus Amazon.

Bad Hersfeld/Pforzheim - Im Konflikt um einen Tarifvertrag beim Internethändler Amazon erhöht Verdi ausgerechnet zum Weihnachtsgeschäft den Druck auf Amazon. Für diesen Montag ruft die Dienstleistungsgewerkschaft ihre Mitglieder zum Streik in den Versandzentren in Bad Hersfeld und Leipzig auf. „Die Streiks werden mindestens einen Tag dauern, die Streikbereitschaft ist groß“, sagte Verdi-Sekretär Heiner Reimann unserer Zeitung. Dass sich schon ab Montag weitere Amazon-Standorte dem Streik anschließen, sei aber unwahrscheinlich. Seit April versucht Verdi, den Internethändler zur Aufnahme von Tarifverhandlungen zu bewegen. 9000 feste Mitarbeiter beschäftigt Amazon an seinen neun deutschen Standorten. Verdi fordert einen Tarifvertrag nach den Bedingungen des Einzelhandels. Amazon dagegen orientiert sich an den günstigeren Konditionen der Logistikbranche.

Wie empfindlich die Streiks das Weihnachtsgeschäft Amazons treffen könnten, zeigt ein Blick auf das Vorjahr: Die Weihnachtszeit ist die Boomzeit des Versandhändlers. Im Schnitt stellt der US-Konzern dann 2000 zusätzliche Mitarbeiter befristetet an jedem Standort ein – zusätzlich zu den 1000 festen Mitarbeitern. Die Bestellmenge ist in diesen Tagen enorm. So gingen am 16. Dezember 2012 allein über die Webseite Amazon.de 3,9 Millionen Bestellungen ein, das sind rund 45 in der Sekunde. Am Tag darauf versandte Amazon 2,7 Millionen Produkte – rund 1000 Lkw-Ladungen waren nötig, um sie zu den Kunden zu bringen, heißt es bei Amazon.

Dennoch zeigt sich das größte Internetkaufhaus der Welt zumindest nach außen gelassen. Bisher hätten die Streiks keine Auswirkungen auf den Versand an den Kunden gehabt, sagte Pressesprecher Stefan Rupp. Es werde „daran gearbeitet“, dass es den gewohnten Service auch in der Weihnachtszeit gebe. „Dafür nutzen wir unser gesamtes europäisches Logistiknetzwerk.“

In Pforzheim sind 1700 Mitarbeiter beschäftigt

Aus Verdi-Kreisen ist jedoch zu hören, dass in den kommenden Wochen auch weitere Standorte bestreikt werden könnten. Ob dann auch am Amazon-Standort in Pforzheim die Arbeit niedergelegt wird und ob Streikvorbereitungen bereits laufen, dazu möchte sich die Verdi-Beauftragte nicht äußern. In Pforzheim arbeiten laut Verdi derzeit rund 1700 Männer und Frauen. Mindestens 60 Prozent davon seien befristet beschäftigt. Wahrscheinlich ist, dass die Streiks an den Standorten Bad Hersfeld und Leipzig ausgedehnt werden. „Die Beschäftigten dort sind darauf eingerichtet, dass ihr Ziel nicht von heute auf morgen zu erreichen ist. Deshalb gab es in den vergangenen Monaten bereits mehrere Streiks und wird es sie aller Voraussicht nach auch in den kommenden Monaten geben“, sagte Christiane Scheller, Sprecherin des Verdi-Bundesvorstands, unserer Zeitung.

Die Streikaktionen hätten erste Erfolge gezeigt, betonte Reimann. Ein Erfolg der Streiks sei das Weihnachtsgeld, das Amazon seinen Mitarbeitern erstmals in diesem Jahr gewähre. „Noch vor zwei Jahren hat es geheißen, dass Amazon kein Weihnachtsgeld zahlt“, sagte Reimann. Amazon bestreitet dies – die Streiks hätten keinen Einfluss gehabt. Die Frage nach einem möglichen Imageverlust ist für den Online-Riesen dagegen ein heikles Thema. Offenbar so heikel, dass man dazu auf Anfrage nicht Stellung nehmen möchte.

Sollte Amazon im Vorweihnachtsgeschäft Artikel verspätet ausliefern, müssen die Kunden dies hinnehmen. „Streik ist in der Regel höhere Gewalt, es besteht dann also kein Anspruch auf Schadenersatz“, sagte Niklaas Haskamp von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Ein Anspruch bestehe nur, wenn „ein konkreter und nachweisbarer Vermögensschaden“ entstanden sei. Dennoch sollte Amazon auf mögliche Verzögerungen hinweisen, betonte Haskamp – schließlich kämen Streik und die verstärkte Nachfrage im Weihnachtsgeschäft nicht aus heiterem Himmel. „Dann kann der Kunde gegebenenfalls auf andere Anbieter oder den Einzelhandel vor Ort ausweichen.“