Die Feuerwehrtaucher können noch bis zum Wochenende in der Trinkwasserkammer üben. Die kleinere der Kammern (rechts) ist bereits dicht. Die Feuerwehrtaucher können noch bis zum Wochenende in der künftigen Trinkwasserkammer üben. Foto: Kasmekat (Feuerwehr Stuttgart)/Jürgen Brand

Der neue Trinkwasserhochbehälter Kanonenweg am Urachplatz ist zwar noch im Rohbau, aber in den beiden Wasserkammern muss schon getestet werden, ob sie dicht sind. Für die Berufstaucher der Feuerwehr ist das eine Gelegenheit, in einem außergewöhnlichen Tauchrevier zu üben.

S-Ost - In nur acht Grad kaltem Wasser zu schwimmen, ist ganz bestimmt nicht jedermanns Sache. Aber wer bekommt schon einmal die Gelegenheit, in einem ausgewachsenen und nagelneuen Trinkwasserbehälter abzutauchen? Jedenfalls herrscht in der größeren der beiden neugebauten Kammern des Hochbehälters Kanonenweg am Urachplatz reger Tauchbetrieb. Die Kammer ist im Zuge der Dichtigkeitsprüfung fast bis oben hin mit Wasser gefüllt und die Taucher der Berufsfeuerwehr Stuttgart nutzen diese äußerst seltene Gelegenheit, dort Übungstauchgänge zu absolvieren. Und sogar der Projektleiter ging baden.

„Die Sicht ist hier das Besondere“, sagt Alfred Schwarz von der Stuttgarter Feuerwehr. „Das Wasser ist ganz klar. Im Neckar sieht man bei so einem Regenwetter wie heute kaum die Hand vor Augen.“ Warm eingepackt in zwei Neoprenanzüge und ausgestattet mit zwei Tauchflaschen lässt sich der 49-Jährige von einer Betonwand in das nur von einem Bauscheinwerfer erhellte Wasser fallen. Gut sieben Meter tief ist das Wasser hier, LED-Lampen an den Handgelenken helfen ihm und seinem Kollegen Florian Holzmüller bei der Orientierung in der Tiefe. Zehn solcher Übungstauchgänge müssen die Feuerwehrtaucher jedes Jahr absolvieren, der „Einsatz“ im Trinkwasserbehälter ist eine willkommene Abwechslung.

7,5 Millionen Liter Trinkwasser

Die beiden Wasserkammern in dem unübersehbaren Neubau direkt am Urachplatz fassen zusammen rund 7500 Kubikmeter oder 7,5 Millionen Liter Trinkwasser. Sie werden nach der für Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres geplanten Inbetriebnahme rund 100 000 Einwohner der Landeshauptstadt in der Innenstadt und in Teilen Bad Cannstatts und der Neckarvororte mit Trinkwasser versorgen. Sie ersetzen die unmittelbar benachbarten unterirdischen Behälter aus den Jahren 1881 und 1926, die unter Denkmalschutz stehen.

Mit dem Bau des auf rund 10,5 Millionen Euro veranschlagten Infrastrukturprojektes war Anfang 2015 begonnen worden. „Die Dichtigkeitsprüfung ist für uns so etwas wie für die Zimmerleute das Richtfest“, sagt Steffen Greger, der Projektleiter von der Netze BW, der es sich selbst nicht nehmen ließ, wenigstens kurz in dem kalten Wasser zu schwimmen. „Wenn der Dichtigkeitstest bestanden ist, ist das Gröbste geschafft.“

Im Mai werden die Wände mit Spezialmörtel beschichtet

Fertig sind die Kammern und die Anlage insgesamt dann aber noch lange nicht. Zunächst muss das Wasser, in dem sich noch bis zum Wochenende weitere Taucher der Feuerwehr tummeln werden, wieder abgelassen werden. Das dauert bei der Menge ein paar Tage. Wenn die bisher noch eher groben Betonwände, die mit dem Dichtigkeitstest auch ihre erste richtige Belastungsprobe bestanden haben, wieder einigermaßen trocken sind, werden sie komplett sandgestrahlt und so aufgeraut. Anschließend bekommen sie eine besondere Beschichtung. Die besteht aus einem mineralischen Spezialmörtel, wird etwa 15 Millimeter dick und sozusagen von Hand aufgetragen. Diese Schicht soll das Trinkwasser vor Verschmutzungen aus den Betonwänden heraus schützen. Projektleiter Greger: „Das ist eine Kunst für sich und Schwerstarbeit.“ Gleichzeitig müssen noch die vielen großen Anschlussleitungen im Außenbereich verlegt werden. Auch das ist eine hochkomplizierte Angelegenheit, weil die bestehenden alten Leitungen noch in Betrieb sind und Teile Stuttgarts mit Wasser versorgen. Greger: „Das muss auch mit Stuttgart-21-Maßnahmen koordiniert werden, damit es keine Unterbrechung gibt.“

Erst wenn alle Arbeiten beendet sind, werden die Kammern tatsächlich mit Trinkwasser gefüllt. Dann sind die schweren Stahltüren an den Zugängen geschlossen, mehrfach verriegelt und alarmgesichert, Zutritt haben dann nur noch wenige Mitarbeiter. Und dort schwimmen und tauchen ist dann auf keinen Fall mehr möglich.