Natalie O’Hara und Ralf Stech in „Minna von Barnhelm“ Foto: Haymann

Manfred Langner inszeniert Lessings „Minna von Barnhelm“ am Alten Schauspielhaus Stuttgart weitgehend texttreu, und die wenigen Aktualisierungen sind gelungen.

Manfred Langner inszeniert Lessings „Minna von Barnhelm“ am Alten Schauspielhaus Stuttgart weitgehend texttreu, und die wenigen Aktualisierungen sind gelungen.

Stuttgart - Der Friede freut den Freigeist, den Soldaten aber schickt er in Arbeits- und Bedeutungslosigkeit. So ergeht es dem beinahe mittellosen preußischen Major von Tellheim (Ralf Stech) nach dem Siebenjährigen Krieg. Kein Respekt mehr, nirgends. Nicht mal ein Zimmer in einem Gasthaus ist ihm sicher. Also drückt sein letzter loyaler Untergebener Just (Jens Woggon) den gastgebenden Wirt an die Wand, die gläserne Schnapsflasche kreist drohend über dessen Haupt. Da betritt von Tellheim am Donnerstagabend die schrägen Holzdielen der Bühne im Alten Schauspielhaus, der Wirt macht sich aus dem Staub.

Der Major solle sich doch rächen, findet Just, denn einem Mann solchen Formats könne der Wirt nicht einfach das Zimmer räumen – nur um dort ein „gnädges Fräulein“ samt Kammerzofe Franziska unterzubringen. Der Kenner weiß: Die Grobheit des Wirts bringt die gut betuchte Minna von Barnhelm (Natalie O’Hara) ins Gasthaus, die Verlobte des Majors. Fortan spielt sich alles zwischen Himmelbett und Kommode ab. Oder im Flur davor.

Gotthold Ephraim Lessings „Minna von Barnhelm“ lebt nicht ausschließlich vom Hin und Her der Protagonisten. Regisseur Manfred Langner lässt dem abgefeimten Wirt (Axel Weidemann) oder der sächselnden Franziska (breitschultrig ihre Herrin verteidigend wie ein Raumteiler: Stefanie Stroebele) genug Raum, um zu Premierenpublikumslieblingen zu avancieren. Schön schnoddrig und entnervt schlurft auch Jens Woggons Just über die Bühne – sofern es nicht gerade darum geht, den Wachtmeister Paul Werner (Michael Hiller) dazu zu überreden, den Wirt zu verdreschen.

Was steht dem Paarglück im Wege? Tellheims Ehrgefühl. Er will nicht mehr, so als Krüppel mit gelähmtem Arm. Sein Credo: „Gleichheit ist allein das feste Band der Liebe.“ Doch Minna, für 1763 äußerst progressiv und nicht umsonst als erste moderne Frau deutscher Literatur gehandelt, findet das nicht. Tellheims Bedenken entlarven sich im Licht der Liebe als obsolet. Stech spielt den Soldaten als Denker, den das Selbstvertrauen verließ. Zu Beginn des Stücks kommt er dabei nicht über die Merkel’schen Mundwinkelzüge hinaus. Doch Minna naht – und alles wird besser. O’Hara hopst nach Bedarf mühelos vom hochstimmigen Naivchen zur bestimmenden Emanze.

Manfred Langner inszeniert weitgehend texttreu, die wenigen Aktualisierungen sind gelungen. Etwa dieser Seitenhieb auf Putin: Im Osten, so prophezeit Wachtmeister Werner, gäbe es wieder Soldatenarbeit. Prinz Wladimir, der die Krim weggenommen und nächste Woche ins Baltikum einspringen will, suche erfahrene Kämpfer wie Tellheim.

Lustig ist das Lustspiel, keine Frage. Besonders François Camus als hibbelig aufgeregter Riccaut de la Marlinière, der eine Nachricht für Tellheim bringt: Er seilt sich von der Decke ab und landet auf Minnas Bett, fegt wie ein Wirbelwind umher und kreischt exaltiert – mal Französisch, mal Deutsch. Große Gedanken gehen in dieser Komik allerdings eher unter, doch Lessings größte, tiefste Gedanken findet man ohnehin in anderen Stücken. So sieht man’s wohl auch im Alten Schauspielhaus: die Inszenierung unterhält, ohne allzu dröhnendes Gedankenbrummen heraufzubeschwören.