Eigentlich ist das Alte Rathaus an der Mannspergerstraße ein fachwerkliches Schmuckstück. Erbaut wurde es im Jahr 1683. Doch der Zahn der Zeit nagt gewaltig. Seit Jahren fordern die Vereine deshalb eine grundlegende Sanierung von der Stadt. Foto: Eveline Blohmer

Das historische Rathaus an der Mannspergerstraße in Heumaden verkommt zusehends, doch die Stadtverwaltung vertröstet mit Verweis aufs fehlende Geld. Nach drei vergeblichen Anträgen reicht es den Bezirksbeiräten.

Heumaden - Es sind drastische Worte, die Peter-Alexander Schreck in der jüngsten Bezirksbeiratssitzung wählt: „Wir müssen eine Eskalationsstufe höher gehen.“ Die Verärgerung teilt der Sillenbucher Bezirksvorsteher mit den Beiräten, und auch unter den Fraktionen herrscht mit einem Mal Missmut. Auslöser für den interfraktionellen Ärger ist eine Stellungnahme vom Referat Wirtschaft, Finanzen und Beteiligungen zum Alten Rathaus in Heumaden. „Im Prinzip heißt das, dass man da nichts machen wird“, fasst der Ulrich Storz, Sprecher der SPD-Fraktion, zusammen, was Stuttgarts Erster Bürgermeister Michael Föll da unterzeichnet hat.

Kostenschätzung: Mindestens 655 000 Euro wären nötig

Tatsächlich steht in dem Schreiben, dass eine Ertüchtigung des Gebäudes „nur schrittweise aus dem laufenden Bauunterhaltungsbudget erfolgen“ könne – und ein paar Zeilen später wird „vorsorglich“ darauf hingewiesen, dass eben jenes Budget für den laufenden Doppelhaushalt 2016/17 weitestgehend ausgeschöpft sei. Die bezirksbeirätliche Befürchtung, dass sich daran auch in den nächsten Jahren nichts ändert, schürt das Schreiben selbst: 2011 habe eine Kostenschätzung ergeben, dass mindestens 655 000 Euro nötig wären, um das 1683 erbaute Fachwerkhaus wieder herzurichten. Außerdem sei damit zu rechnen, dass weitere Mängel vorhanden sind; es habe sich lediglich um eine oberflächliche Schadensuntersuchung gehandelt. „Um den tatsächlichen Umfang der Arbeiten und die damit verbundenen Kosten genauer beziffern zu können, wird deshalb zunächst eine detaillierte Untersuchung mit Kostenschätzung durchgeführt“, teilt das Wirtschaftsreferat mit – was deutliche Reaktionen zeitigt: „Ich kann durch Warten auch Kosten explodieren lassen“, sagt Philipp Kordowich, der Sprecher der CDU-Fraktion. Und Irene Kamm (SÖS-Linke-Plus) möchte wissen, was das Referat unter „zunächst“ versteht.

Die Lokalpolitiker lassen keinen Zweifel an ihrem Kampfeswillen aufkommen. Denn: „Wenn wir offiziell etwas beschließen, passiert das gleiche wie bisher“ sagt Kordowich. Tatsächlich hat das Gremium innerhalb der vergangenen 14 Monate drei Anträge zu dem zusehends maroder werdenden Haus gen Verwaltung gesandt. Nun sagt Schreck: „Wenn das Referat blockt, dann blockt es.“ Ein Vorschlag zum weiteren Vorgehen kommt von Ulrich Riegger (Grüne): „Wir müssen die Aufmerksamkeit auf das Alte Rathaus lenken. Ich könnte mir vorstellen, dass der Bezirksbeirat ein großes, gelbes Plakat spendiert, das da aufgehängt wird.“ Außerdem wollen alle Fraktionen die jeweiligen Stadträte aktivieren. Hans-Peter Ehrlich, Betreuungsstadtrat der SPD für Sillenbuch, hat reagiert: Was die Verwaltung in Bezug aufs Alte Rathaus treibt beziehungsweise nicht treibt, ist laut Ehrlich „selbst, wenn man es freundlich formuliert, eine Hinhaltetaktik“. Sobald der Bezirksbeirat ein einvernehmliches Interesse formuliert hat, will der Sozialdemokrat sich „mit den anderen Betreuungsstadträten zusammenschließen und versuchen, eine klare Linie zu finden“.

Plötzlich ist das Baugerüst da

Brunhilde Hald hat die Hoffnung, dass die Stadt das Alte Rathaus in Angriff nimmt, allerdings schon aufgegeben. „Ich glaube nicht mehr dran“, sagt die Vorsitzende des Liederkranzes Heumaden und Hüterin des bei oberflächlicher Betrachtung immer noch schmucken Häuschens. Seit über 15 Jahren nützen und pflegen die ortsansässigen Vereine das Innere des Alten Rathauses – während die Stadt fürs Grobe zuständig ist. Doch das Zusammenspiel funktioniert anscheinend nicht wirklich: Erst neulich habe sie sich wieder maßlos geärgert, sagt Hald: „Das Haus war plötzlich eingerüstet, und wir wussten nichts davon. Dabei haben wir erst kürzlich den Blumenschmuck erneuert – für 450 Euro.“ Der Einwand, dass nun offenbar wenigstens etwas gemacht wird, lässt Hald nur bitter lachen: Das undichte Dach werde ja nur notdürftig geflickt, weil städtische Mitarbeiter im Dachgeschoss einziehen sollen; eine Kindergärtnerinnen-Wohngemeinschaft soll es werden, hat sich Hald sagen lassen. Die Wohnung im Erdgeschoss wird, so geht es aus dem Schreiben des Wirtschaftsreferats hervor, „mit einem dringenden Umsetzungsfall belegt“. Hald hat sich außerdem sagen lassen, dass es im nächsten Doppelhaushalt wohl wieder nichts wird mit der grundlegenden Sanierung – weil man dafür bald mit einer Million rechnen müsse.

Auf Nachfrage teilt das Liegenschaftsamt mit, dass es etwa 760 000 Euro kosten dürfte, das Haus instandzusetzen – Stand heute. Die Frage, ob jemals Geld dafür da sein wird, wenn der Zahn der Zeit doch das Seine tut, um die Sanierungskosten in die Höhe zu treiben, wird konform zur Stellungnahme des Wirtschaftsreferats beantwortet: Das zuständige Fachamt sei beauftragt, eine detaillierte Kostenschätzung vorzunehmen. Die solle bis zu den nächsten Haushaltsberatungen aufgestellt werden, damit die Sanierungsmaßnahme im Doppelhaushalt 2018/19 angemeldet werden könne. „Sobald die Maßnahme finanziert ist, kann mit der Sanierung begonnen werden“, kommt vom Liegenschaftsamt – und dass in der Zwischenzeit „selbstverständlich Maßnahmen zur Substanzerhaltung“ ergriffen würden. Das seien momentan Arbeiten im Umfang von 30 800 Euro, darunter die Dachabdichtung, die Begutachtung durch einen Statiker, die Ausbesserung von Putzschäden und das Streichen und Schleifen der Fenster. Vielleicht wird das Gerüst aber auch bald von den Bezirksbeiräten genutzt, um ein großes, gelbes Plakat aufzuhängen.