Christopher Lambert als Highlander im gleichnamigen Film von 1986. Der Kinoheld besitzt die Gabe der Unsterblichkeit, wird aber nicht glücklich damit Foto: Kinowelt

Ein britischer Altersforscher verspricht die Überwindung des Todes. Seine These klingt einfach.

Hamburg - Ein Brite verspricht den Menschen das ewige Leben. Der Körper sei nichts anderes als eine Maschine, und die könne repariert werden. Eine verblüffend einfache, aber heftig diskutierte These des Altersforschers Aubrey de Grey. Begegnung mit einem Visionär.

Treffpunkt Hamburg, im Kulturzentrum Kampnagel, das in einer alten Fabrik sein Domizil hat. Aubrey de Grey ist dort zu Gast bei einem Kongress über das Phänomen der Untoten in der Wissenschaft, der Kunst oder der Medizin. Zombie meets Sterbehilfe. Eine etwas schräge Veranstaltung, doch durchaus interessant. Eine Charakterisierung, die ebenso perfekt auf unseren Interviewpartner zutrifft.

De Grey verspricht die Überwindung des Todes, wie ein Heilsbringer wirkt er aber weiß Gott nicht. Der Biogerontologe aus Cambridge ist ein Schlaks in verwaschenen Jeans, die um dürre Beine schlabbern. Die Füße stecken in alten Turnschuhen. Sein langer und ausgefranster Bart bedeckt fast die gesamte Brust. Die Haare sind zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.

Der hagere 48-Jährige ist zum Star eines Wissenschaftszweigs avanciert, in dem jahrzehntelang nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit geforscht wurde - der Biogerontologie. Dabei steht die Forschung über das Altern und in letzter Konsequenz das Sterben im Mittelpunkt. De Grey wird eingeladen zu Vorträgen rund um die Erde. Millionäre unterstützen seine Stiftung mit viel Geld. Für den Experten, der das Leben einer Maus am längsten zu verlängern weiß, wurde eine Prämie ausgesetzt.

"Der Tod ist eine Krankheit"

Die Begeisterung für de Grey speist sich aus einer einfachen Botschaft. "Jeden Tag sterben auf der Erde 150.000 Menschen, zwei Drittel von ihnen am Alter, das ist ohne Zweifel das größte Problem der Menschheit." Er glaubt, das beheben zu können. Denn: "Der Tod ist eine Krankheit", sagt er. "Jede Krankheit lässt sich heilen." Der exzentrisch wirkende Brite verspricht gar, das Altern umkehren zu können. Keine mürbe werdenden Knochen, kein Gedächtnisverlust, sportliche Höchstleistungen jenseits der Renteneintritts-Schranke: alles kein Problem. "Wir werden es schaffen, dass Menschen, die 90 Jahre alt sind, nach biologischen Kriterien erst 60 sind."

Ist es tatsächlich so simpel?

Klingt herrlich. Aber wie soll das gehen? Daran beißt sich eine ganze Armee an Biologen, Biochemikern und Medizinern seit Jahrzehnten die Zähne aus. Ausgerechnet dieser Mann, der Informatiker war, bevor er sich die gerontologischen Grundlagen im Selbststudium aneignete, behauptet kühn, die Lösung für eines der größten Rätsel der Menschheit gefunden zu haben.

"Morgens um 4 Uhr in einem Hotel in Kalifornien", sagt er, "hatte ich meinen Heureka-Moment." Siecht der Mensch dahin, spielen viele Bereiche der Wissenschaft eine Rolle: Abbau von Zellen, Knochenschwund, Stoffwechselstörungen und noch einiges mehr. Ein hoch komplizierter biochemischer Vorgang, der bis heute nicht komplett verstanden wird. Einige seiner Kollegen, erläutert de Grey, beherrschten zwei oder drei der Disziplinen, "Aber keiner beherrscht sie alle." Er habe den Vorteil gehabt, in keinem Fach ein Spezialist gewesen zu sein.

Den "ganzen Wust an Theorien" habe er beiseitegefegt und sei einem radikal einfachen Ansatz gefolgt. Um Therapien gegen das Altern zu entwickeln, müsse man nur verstehen, was dabei im Körper irreparabel geschädigt wird. Wenn man das wisse, sei man der Antwort sehr nah.

"Ich arbeite nicht daran, Menschen ein längeres Leben zu geben"

Ist es tatsächlich so simpel? De Grey lächelt kurz und fährt sich mit den Fingern der rechten Hand durch den Bart. "Wollen Sie etwa nicht so lange wie möglich gesund bleiben?" Natürlich, wer würde da widersprechen. Das sei für alle das wichtigste Gut, noch wichtiger als Geld. Nur darum dreht es sich, sagt er. Einfach auszusprechen, aber schwer einzulösen. Wie um sich selbst noch einmal zu vergewissern, wiederholt er es ausdrücklich: "Die Menschen sollen vor allem gesund bleiben, ganz egal, wie alt sie werden." Er werde immer wieder gefragt, warum er nach Unsterblichkeit strebe. Das tue er nicht, widerspricht er mit Vehemenz. "Ich arbeite nicht daran, Menschen ein längeres Leben zu geben."

Der Wissenschaftler ist kein Polterer, nie erhebt er die Stimme. Seine radikalen Lehren zur Unsterblichkeit trägt er mit einer Mischung aus britischem Understatement und einer Prise Überheblichkeit vor. Und er ist Meister der Vereinfachung. Immer wieder greift er in die verbale Trickkiste. Etwa, wenn er seine Vision vom modernen Jungbrunnen am Beispiel eines VW-Käfers erläutert. "Davon fahren auf der Welt noch Hunderttausende herum", sagt er. "Nicht, weil diese Autos für die Ewigkeit gebaut wären, sondern weil sie regelmäßig gewartet und sorgfältig gepflegt werden." Für den klugen Kopf aus Cambridge ist der menschliche Körper "nichts anderes als eine Maschine, eine komplizierte zwar, aber im Grunde nichts anderes". Wenn sie älter wird, funktioniert sie nicht mehr so gut. Aber jeder Apparat könne repariert werden.

Homo sapiens, der sich gern als Krone der Schöpfung sieht, soll demnach nicht viel besser sein als eine Apparatur aus Stahl und Blech, die mit Nieten oder Schrauben zusammengehalten wird? An den Gedanken muss man sich erst gewöhnen. Doch warum eigentlich nicht? De Grey zeichnet es aus, dass er es wagt, das Undenkbare zu denken, in aller Konsequenz.

"Wer sterben will, darf das weiterhin"


"Wir beheben kleinere Schäden, um größere auszuschalten." Mit Schäden meint er typische altersbedingte Leiden. Die Verschleißteile des menschlichen Motors, um im Bild vom Automobil zu bleiben, lägen zumeist im molekularen Kosmos. Sieben davon er macht er für das Altern verantwortlich - vom Zerfall der Zellen bis zum mikroskopisch kleinen Müll, der sich zwischen Atomen ansammelt und dem Körper seine jugendliche Frische raubt.

Ein Problem wäre da noch: Die meisten seiner Ansätze sind in der Theorie vorstellbar, aber meist noch nicht einmal im Labor umgesetzt. Einigermaßen realistisch klingt die These, abgestorbene Zellen durch Stammzellen zu ersetzen. Von einer klinischen Studie am Menschen ist aber auch dies noch meilenweit entfernt.

De Grey ficht das nicht an. Um Details mögen sich andere kümmern. In der schönen neuen Welt der endlosen Glückseligkeit steht ab und zu ein Werkstatt-Termin an, seine Therapien heilen die ärgsten Zipperlein, und weiter geht das muntere Leben. Bis in alle Ewigkeit. Männer und Frauen, die 150 Jahre oder noch älter werden, für viele eine grausige Vorstellung. Was soll man in der ganzen Zeit machen? Wird man da nicht nach gar nicht allzu langer Zeit buchstäblich lebensmüde? "Ich zwinge niemanden, so alt zu werden. Wer sterben will, darf das weiterhin."

Die Verjüngung soll in 25 Jahren gelingen

Allen anderen prophezeit der Mann, der wie ein Missionar aussieht, aber keiner sein will, die anhaltende Verjüngung werde "in 25 Jahren gelingen, vielleicht etwas später". Die Chancen dafür stünden 50 zu 50. "Der erste Mensch, der 1000 Jahre alt wird, ist möglicherweise bereits geboren."

Geht die Sterberate so rapide zurück, wird es sehr bald sehr eng auf unserem Planeten, fast sieben Milliarden Menschen leben heute schon auf der Erde. Da sollten wir besser bald aufhören, uns zu vermehren. "Solche Einwände höre ich immer wieder", sagt de Grey und wischt sie im selben Atemzug beiseite. Die Gesellschaft werde einen Weg finden, trägt er voller Überzeugung vor. "Frauen werden viel gebildeter und emanzipierter sein als heute und daher weniger Kinder zur Welt bringen."

Wer öffentlich so kräftig für sich und seine Ideen trommelt, muss mit Gegenwind rechnen. Viele Kollegen halten de Grey für einen Fantasten, manche sogar für einen Spinner. Dazu lächelt der Brite nur. "Einer muss eben der Erste sein", sagt er. An Selbstbewusstsein mangelt es dem Mann, dem das angesehene US-Wissenschaftsmagazin "Technology Review" in einer Titelstory eine "erstaunliche Größe des Intellekts" bescheinigte, nicht. Die Zukunft, da ist er sicher, werde ihm schon recht geben.

www.sens.org