Die osteopathische Medizin, die für jedes Alter, auch für Säuglinge geeignet ist, behandelt keine Krankheiten im eigentlichen Sinne, sondern deren Ursachen. Foto: dpa

Alternative Heilmethoden liegen im Trend. Viele Patienten vertrauen auf die Kraft sanfter Medizin. In unserer Serie stellen wir Heilmethoden und Therapien der Welt vor.

Stuttgart - „Leben ist Bewegung, und alles ist miteinander verbunden.“ Bewegung ist der Leitbegriff der Osteopathie, einer sanften manuellen Heilkunst, die die Ursachen für ganz unterschiedliche Beschwerden und Krankheiten zu beheben versucht. Die osteopathische Medizin (der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet Leiden der Knochen) behandelt keine Krankheiten im eigentlichen Sinne, sondern deren Ursachen.

Das Kranio-sakrale System

Als ganzheitliche Heilmethode geht die Osteopathie davon aus, dass der Organismus nur gesund sein kann, wenn alle drei Systeme des Körpers Bewegungsapparat (parietales System), innere Organe (viszerales System) und inneres Steuerungssystem (kranio-sakrales System mit dem Schädel, zentralen Nervensystem und Kreuzbein) miteinander harmonisieren und ohne Einschränkung funktionieren.

Durch Verletzungen, Entzündungen oder Unfälle ist die Mobilität vermindert. Der Körper versucht dies auszugleichen. Gelingt ihm das nicht mehr, wird der Mensch krank.

Die drei Säulen der Osteopathie

Mensch als Einheit

Jede einzelne Struktur des Organismus – Knochen, Muskeln, Gewebe und Organe – bilden anatomisch eine Einheit. Dünne Bindegewebshüllen, so genannte Faszien, überziehen den ganzen Organismus und verbinden die Körperstrukturen miteinander. Erst diese Faszien machen aus körperlichen Einzelteilen eine Funktionseinheit.

Struktur und Funktion

Der Osteopath erkennt an den gestörten Funktionen beim Gehen oder Heben des Armes, dass die Struktur (Knochen, Gelenke, Organe, Gefäßsysteme) beeinträchtigt ist. Er erspürt die Bewegungseinschränkung durch Tasten mit den Händen und löst sie, indem er dem Körper hilft, die Funktionsstörungen selbst zu beheben.

Selbstheilungskräfte

Jeder Körper verfügt über natürliche Selbstheilungskräfte, die Störungen beseitigen können. Ist dieses Reservoir erschöpft, können die Heilkräfte nicht mehr optimal wirken. Eine Krankheit bricht aus.

Der Osteopath versucht die Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren, indem er durch gezielten Druck auf die Schädelknochen oder durch Bohren mit den Fingerspitzen in den Nackenmuskel Gewebeverhärtungen löst.

Anders als bei der Schulmedizin, bei der Symptome von außen mit Hilfe von Medikamenten bekämpft werden, geschieht hier Heilung von innen.

Der Gründer: Andrew Taylor Still

Begründet wurde die Osteopathie 1874 von dem amerikanischen Militärarzt Andrew Taylor Still. Er entdeckte, dass der Körper über Selbstheilungskräfte verfügt, die nur aktiviert werden müssen: durch Druck mit den Händen, ohne Skalpell, Medikamente und Spritzen.

Diese sanfte Medizin, die Still Osteopathie nannte, verbreitete sich schnell in den Vereinigten Staaten, wo sie heute genauso anerkannt ist wie die Schulmedizin. Insgesamt gibt es in den USA mehr als 45 000 Osteopathen. In Deutschland wird die Osteopathie seit Ende der 1980er Jahre im Rahmen eines fünfjährigen Studiums für Physiotherapeuten, Heilpraktiker und Mediziner angeboten.

Fazit: Bei Risiken den Arzt aufsuchen

Die Osteopathie kann grundsätzlich bei allen Funktionsstörungen angewendet werden, egal wie lange sie schon bestehen oder wie alt der Patient ist. Zu den typischen Patienten zählen Säuglinge.

Sie ist indiziert bei Allergien und Migräne, Tinnitus und Hyperaktivität. Gut therapierbar sind auch Verspannungen, Skelett-, Muskel- und Bänderverletzungen, Hexenschuss, Bandscheibenvorfall und hormonelle Störungen.

Die Osteopathie ist keine Notfallmedizin. Wo die Selbstheilungskräfte des Körpers nicht ausreichen wie bei schweren Infektionskrankheiten, Krebs oder Herzinfarkt, muss der Patient einen Arzt aufsuchen.