Die AfD-Abgeordnete Foto: dpa

Die Bundestagskandidatin zog ihre Klage zurück, nachdem sie nachweisbare Unwahrheiten gesagt hatte. Und auch im NSU-Untersuchungsausschuss baut sie auf einen fragwürdigen Berater.

Stuttgart - Im Mai fühlte sich Christina Baum als Zielscheibe. „Rufmord“ und Schmähartikel“ warf sie Reportern unserer Zeitung vor. Die hatten zuvor berichtet, dass die AfD-Frau als Abgeordnete im NSU-Untersuchungsausschuss ihre engagierte Mitarbeit während einer Debatte im Parlament zwar angekündigt habe. Sie stellte aber noch keinen einzigen Beweisantrag. Zudem habe sie „Zeugen keine einzige Frage zu einem konkreten Sachverhalt“ gestellt oder „gar einen Vorhalt gemacht, der sich mit den Akten belegen lässt“.

Mit der Berichterstattung, zürnte Baum in einer Pressemitteilung, gäben die „Qualitätsjournalisten endliche ihre wahre Absicht preis: die Diskreditierung meiner Person“. Sie kündigte eine Gegendarstellung an. Von der AfD-Fraktion im Landtag bis hin zu Kreisverbänden verbreitete sich ihr Plan auf Webseiten und in sozialen Netzwerken. Als unsere Zeitung die Gegendarstellung nicht abdruckte, weil sie außer formaljuristischen Fehlern auch nachweisbare Unwahrheiten enthielt, reichte Baum Klage vor dem Stuttgarter Amtsgericht ein. Vertreten ließ sie sich für das Verfahren durch den Bonner Rechtsanwalt Matthias Brauer.

Der kennt sich offenbar zumindest mit einem Aspekt aus, der das Landtagsgremium beschäftigt, die die Verbindungen der mutmaßlichen Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) nach Baden-Württemberg untersucht. Denn Brauer wurde 2007 aus der Bonner Burschenschaft Marchia ausgeschlossen, weil er im Garten des Verbindungshauses ein selbst zusammen gezimmertes Holzkreuz abbrannte. Dabei rief er ganz im Stil des rassistischen Ku-Klux-Klans „Hail White Power!“ – „Heil der Weißen Macht!“. Ein Vorfall, den Burschenschaftler bestätigten: „Brauer war zuvor schon durch rassistische Äußerungen aufgefallen. Die geschmacklose Zeremonie mit dem brennenden Kreuz war dann der Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte.“

„Aushöhlung des Volkstums“

Brauer will zudem – so schrieb er im Februar 2011 in seinem Aufsatz „Erklärung zum volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff“ – „gegen jede Bestrebung, die Abstammung als notwendige Voraussetzung deutscher Volkszugehörigkeit allgemein oder in Einzelfällen für entbehrlich zu erklären“ ... „jeder weiteren Aushöhlung des Volkstums- und Vaterlandsbegriffs entschlossen entgegentreten“. Brauer engagierte sich mit dem Pamphlet dafür, künftig nur noch ethnisch deutsche Studenten in Burschenschaften aufzunehmen. Jeder Bewerber für eine Studentenverbindung sollte deshalb quasi einen Abstammungsnachweis vorlegen. Es sei „Verrat“ auf dieses Aufnahmekriterium zu verzichten, die Burschenschaften würden sich ansonsten „selbst aufgeben“.

Weniger engagiert war die Reaktion des Juristen Brauer, als er die Antwort auf seine schwungvolle Klageschrift in Sachen Gegendarstellung las. In der Erwiderung unserer Zeitung wurde auch nachgewiesen, dass Baum in ihrem Begehren nach Gegendarstellung die Unwahrheit gesagt hatte: Brauer zog die Klage eilig zurück – auch wenn seine Mandantin Baum ihre Pressemitteilung auf ihrer Facebookseite immer noch verbreitet.

Baum hatte unter anderem behauptet, sie habe Baden-Württembergs NSU-Untersuchungsausschuss der vergangenen Legislaturperiode keinesfalls vorgeworfen, mit seinem Abschlussbericht ein „Gefälligkeitsgutachten“ erstellt zu haben. Genau das aber lässt sich durch das Protokoll der Landtagssitzung eindeutig belegen.

Ein Plätzchen neben Christina Baum

Nicht minder sonderbar ist der Mann, auf dessen Beratung Baum künftig bei ihrer Arbeit im NSU-Untersuchungsausschuss vertrauen möchte: der Betriebswirt Reinhard Kiefer. Der 59-jährige hatte als Zeuge im Gremium ausgesagt. Die Abgeordneten hatten gehofft, er könne aufklären helfen, ob tatsächlich US-Agenten beim Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter im April 2007 in Heilbronn am Tatort waren.

Das konnte er weder im baden-württembergischen Untersuchungsausschuss noch in dem des Bundestages. Im Gegenteil: Die Berliner Abgeordneten sehen in Kiefer einen „höchst unglaubwürdigen Zeugen, der sich vielfach in Widersprüche verstrickte“. Ein Mann, der Baum im vergangenen Oktober zu imponieren schien: Mit ihrem Wunschkandidaten diskutierte sie ernsthaft in bester verschwörungstheoretischer Manier, ob bei den Terroranschlägen am 11. September 2001 in den USA „die Amerikaner vielleicht schon eine Vorahnung gehabt hätten“. Der Verdacht liege nahe, plauderte Kiefer.

Er hat keinerlei Wissen über die Umtriebe des NSU. Auch nicht über die Anwesenheit amerikanischer Agenten auf der Heilbronner Theresienwiese während des Mordes an Kiesewetter. Aber er hat Charme: Als er sich bei seiner Aussage in Stuttgart entschuldigte, dass er so leise rede, weil er an einer Bronchitis leide, bot er Baum an: „Ich kann mich aber neben sie setzen.“