Nabu und BUND stellen Grün-Rot Bedingungen: Windkraft ja, aber nicht in sensiblen Gebieten.

Stuttgart - Klimaschutz oder Naturschutz? Vor dieser Güterabwägung stehen zurzeit die großen Umweltverbände mit Blick auf die Ausbaupläne für Windkraftanlagen. Sie wollen letztlich beides, und das gelingt ihrer Ansicht nach, wenn sich das Land an gewisse Grenzen hält.

Dass Windkraft nicht automatisch umweltfreundlich ist, weiß keiner besser als André Baumann. Der Landeschef des Naturschutzbunds Deutschlands (Nabu) ist Biologe und kennt die Gefahren, die von den Rotorblättern für Vögel und Fledermäuse ausgeht. Dabei sind nicht nur die Schläge der Flügel ein Problem, sondern auch die bloße Existenz der Windräder: "Rast- und Brutvögel können sich gestört fühlen", sagt Baumann.

Im Nabu, aber auch im Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) verfolgt man deshalb die Ausbaupläne der grün-roten Landesregierung mit Skepsis. "Die Bereitschaft in den Ortsverbänden, den Naturschutz zu Gunsten des Klimaschutzes zurückzunehmen, ist unterschiedlich ausgeprägt", sagt BUND-Landesgeschäftsführer Berthold Frieß. Er ist sich jedoch sicher, dass es eine "hohe Sensibilität" gibt, die beiden Ziele auszutarieren.

Keine Windkraft im Naturschutzgebiet

Wie dies auch der Landesregierung gelingen kann, dazu machen die beiden Verbände jetzt detaillierte Vorschläge. In einem achtseitigen Konzept, das unserer Zeitung vorliegt, bekennen sie sich zwar nachdrücklich zum Ausbau der Windkraft. Sie setzen der grün-roten Landesregierung jedoch auch unmissverständliche Grenzen.

"Folgende Gebiete sollten vollständig von Windkraftanlagen freigehalten werden", heißt es dort. Ganz oben stehen Naturschutzgebiete, es folgen Bann- und Schonwälder sowie die Kernzonen von Biosphärengebieten und die (noch zu schaffenden) Nationalparke. Aber auch naturnahe Waldbestände, bedeutende Lebens-, Nahrungs- und Fortpflanzungsstätten von streng geschützten Vogel- und Fledermausarten sollen tabu sein. Ebenso bedeutende Vogelzugkorridore, die man - nebenbei gesagt - noch gar nicht so genau kennt. BUND und Nabu fordern die Landesregierung deshalb auf, "diese Wissenslücke schnellstmöglich zu schließen". Neben den Tabuzonen werden sogenannte Vorranggebiete vorgeschlagen, in denen der Schutz von Vögeln und Fledermäusen im Zweifel Priorität hat.

Auch die Nähe von Gewässern sollten die Planer meiden, "da in zahlreichen Untersuchungen festgestellt werden konnte, dass die Zahlen der Schlagopfer mit der Gewässernähe zunehmen". Aber auch den Landschaftsschutz wollen die Umweltverbände nicht außer Acht lassen und empfehlen, neue Anlagen "bevorzugt auf Flächen mit bestehenden Vorbelastungen" wie Türmen und anderen Windräder zu errichten.

Verbleibende Fläche sei ausreichend

Auf bis zu 40 Prozent der Landesfläche schätzt Frieß das geschützte Areal - der Rest sei für den Windkraftausbau noch immer ausreichend. Dass die Landesregierung dabei die sogenannte Schwarz-Weiß-Lösung gekippt hat, halten sie nicht nur für richtig, sondern für notwendig. Die alte Regelung habe nämlich zu einer "Verhinderungsplanung in den Regionen" geführt, schreiben Baumann und seine BUND-Kollegin Brigitte Dahlbender an Infrastrukturminister Winfried Hermann. Die Regionalverbände hatten früher nämlich den Großteil des Landes als Ausschlussgebiete (schwarz) festgelegt, und Windräder nur auf einem kleinen Teil ("weiß") zugelassen. Unter Grün-Rot soll es künftig nur noch Vorrang- und Vorbehaltsgebiete geben.

Dem stimmen letztlich auch die Umweltverbände zu. "Nur so kommt richtig Schwung in den Ausbau", sagt Baumann. Denn nun seien die Kommunen frei beim Ausweisen von Standorten. Im Grunde aber hätten sich die Naturschützer sehr wohl eine Weiß-Grau-Schwarz-Regelung gewünscht. Soll heißen: dass die Regionalverbände auch künftig Tabuzonen ausweisen können. Das will Grün-Rot nicht. Nun setzten Nabu und BUND darauf, dass die Landesregierung diese Tabuzonen auf anderem Weg festschreibt: im sogenannten Windkrafterlass - eine Vorgabe, in der die Details des Ausbaus festgelegt sind. "Wie das gemacht wird, ist eigentlich zweitrangig", sagt Baumann. Hauptsache, der Naturschutz werde strikt beachtet.

Nur so, da sind BUND und Nabu überzeugt, wird der Ausbau auch von der Bevölkerung akzeptiert. Die Planer von Anlagen hätten außerdem den Vorteil von geringenen rechtlichen Konflikten. Für ihr Entgegenkommen hätten die Verbände aber noch gern ein Bonbon: Sie schlagen einen Windkraftfonds vor, in den jeder, der ein Windrad baut, einen Obolus entrichten muss.