Anlagenzahl soll sich bis 2020 verdreifachen – Kreise rechnen mit Klageflut.

Stuttgart - Rund 400 Windkraftanlagen produzieren derzeit in Baden-Württemberg Strom. 2020 sollen es nach dem Willen der grün-roten Landesregierung etwa 1200 sein. Die Landkreise warnen vor einer hohen Belastung der Gerichte.

Mit einem Anteil von 45 Prozent am Nettostromverbrauch liegt Mecklenburg-Vorpommern in Sachen Windkraft ganz weit vorne. In dem Land an der Ostsee stehen gut viermal so viele Anlagen wie in Baden-Württemberg. Die Luft im ehemaligen Braunkohleland wird immer besser, die Gegenwehr dafür immer größer. Die Klagen häufen sich, kürzlich bildete sich das Bündnis "Gegen die Massenbebauung mit Windkraftanlagen". Die Vereinigung will sogar bei den Landtagswahlen am 4. September teilnehmen.

So weit ist man hierzulande noch nicht. Doch vielerorts brodelt es. Grund ist die Ankündigung des Landes, den Anteil der Windkraft bis 2020 von derzeit unter einem auf zehn Prozent zu erhöhen. Dazu soll das Landesplanungsgesetz geändert werden. Bislang waren für die Zulassung oder Verhinderung von Windparks die Regionalverbände zuständig. Diese wiesen, meist sehr restriktiv, sogenannte Vorranggebiete aus. Ausschließlich in Gebieten, wo sie niemandem lästig waren, durften Windräder in den Himmel wachsen. Viel passiert ist nicht zwischen Schwarzwald, Bodensee und Alb. Im Zweifel für das Landschaftsbild, lautete die Devise der vergangenen CDU-Jahre. Doch nun soll alles anders werden.

Vorrang- und Sperrgebiete wird es künftig nicht mehr geben. Investoren und Kommunen können sich theoretisch jeden x-beliebigen Ort im Land aussuchen. Die Grünen schrecken selbst vor Staatswald und Landschaftsschutzgebieten nicht grundsätzlich zurück. Für die Genehmigung werden dann nur noch bau- und naturschutzrechtliche sowie Fragen des Lärmschutzes eine Rolle spielen. Genehmigungsbehörden sind die Kommunen und Landkreise. Einen Ermessensspielraum haben sie grundsätzlich nicht; was bedeutet, dass jedes seriös geplante Windrad künftig auch gebaut werden dürfte.

Klagenflut

Dagegen geklagt wird freilich trotzdem. Die Landkreise sehen sich mit Einzelfallabwägungen überfordert. Sie befürchten eine Flut von Klagen. "Das wird eine Belastung für die Verwaltungsgerichte", sagt der Hauptgeschäftsführer des Landkreistags, Eberhard Trumpp. Die ersten Hoteliers im Schwarzwald hätten sich schon in Stellung gebracht. Auch von Umwelt- und Naturschützern, die den Schutz der Fledermaus über den des Klimas stellen, erwartet man im Landkreistag mächtig Gegenwehr. Bürgerinitiativen wie jene "zum Schutz des Hochschwarzwalds" sehen sich selbst jedoch zu schwach, um gegen den "Wildwuchs landschaftsfressender Ungetüme" vorzugehen, wie deren Vorsitzender Elmar Klein sagt. "Wir sind zwar 200 Mitglieder, aber wer kann schon klagen?" Zumal, wenn die Bestimmungen eingehalten und die Aussichten eher mager sind. "Ein undankbares Geschäft", meint Klein.

Der Beschwerde-Ausschuss im Landtag hat in den vergangenen Monaten jedenfalls nicht mehr Petitionen erhalten als in den Jahren zuvor. Drei an der Zahl sind derzeit anhängig. Die bekannteste, ein Widerspruch gegen ein Windrad in Ingersheim im Kreis Ludwigsburg, hat der Ausschuss unter dem neuen Vorsitzenden Werner Wölfle kürzlich abgeschmettert. Zumindest in diesem Gremium scheint nach den Worten des Grünen die Erkenntnis zu reifen, dass der "Don-Quichotte-Kampf endlich ein Ende hat". Wölfles Vorgänger, der CDU-Mann Jörg Döpper, hatte Einwände gegen die surrenden Stelzen jahrelang nur zu gerne aufgenommen. Kristin Keßler aus dem zuständigen Verkehrs- und Infrastrukturministerium versucht den Ball flach zu halten. In erster Linie werde das Landesplanungsgesetz geändert, um die Verfahren zu beschleunigen, sagt sie. Eine Kommune könne schneller ein Windrad planen als ein Regionalverband. Wobei es in erster Linie darum gehe, nicht einzelne Windräder in die Landschaft zu setzen , sondern gebündelt als Windpark.

Das Thema Bürgerbeteiligung werde auf jeden Fall hochgehalten, verspricht Keßler. "Wir versuchen, unsere Pläne mit großer Akzeptanz zu steuern." Eine Sorge kann sie Anwohnern von potenziellen Standorten schon mal nehmen. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass am bestehenden Mindestabstand von 700 Metern zu Wohngebieten etwas geändert wird", sagt sie. Noch ist das Änderungsgesetz in einem sehr frühen Stadium - mit einer Verabschiedung wird erst weit im kommenden Jahr gerechnet.