Almut Holtermann wirkt meist robust. Es gibt die 76-Jährige aber auch weich und verletzlich. Foto: Judith A. Sägesser

Almut Holtermann ist in Sillenbuch als Macherin bekannt. Dafür hat sie vor Kurzem den Bürgerpreis der örtlichen CDU bekommen. Kunst und Kultur ziehen sich durch das Leben der Malerin wie ein roter Faden.

Sillenbuch - Eines Tages ist der Pinsel für Almut Holtermann zum Schlüssel geworden. Zum Schlüssel für eine Welt, in der Farben sprechen, Gefühle auf Leinwand treffen, die Sorgen des Alltags verblassen. „Ohne das Malen wäre ich eingegangen wie eine Primel“, sagt die Sillenbucher Künstlerin. So spricht sie, und so ist sie. Ein bisschen burschikos, ohne Scheu vor klaren Worten.

Diese Almut Holtermann kennt man im Bezirk als Macherin. Und genau dafür hat die CDU Sillenbuch die 76-Jährige kürzlich mit ihrem Bürgerpreis ausgezeichnet. Zum einen weil Almut Holtermann den inzwischen 30-jährigen Arbeitskreis „Kultur bei uns“ mit aufgebaut hat. Zum anderen weil sie sich jahrelang ehrenamtlich in den Karl-Schubert-Werkstätten in Filderstadt engagiert hat.

Ihr Leben hat sich 1975 komplett verändert

Es gibt Almut Holtermann übrigens nicht nur robust, sondern auch weich und verletzlich. Zum Beispiel dann, wenn sie von ihrer Tochter erzählt. Inga lebt nicht mehr. Sie ist vergangenen Herbst an Krebs gestorben. So gern Almut Holtermann stark sein möchte, in diesen Momenten kommt sie nicht gegen die Feuchte in ihren Augen an.

Inga kam 1975 auf die Welt – behindert. Das Leben von Almut Holtermann und ihrem Mann Karl hat sich damals komplett verändert. Nichts war mehr wie vorher. Für Almut Holtermann war es das Ende ihrer Berufskarriere. Sie hatte bis dahin knapp zehn Jahre als freiberufliche Textildesignerin gearbeitet, kam viel rum in der Weltgeschichte. Mit ihrer behinderten Tochter war sie ans Haus gebunden. So dürfte es sich manchmal für sie angefühlt haben. Damals hat Almut Holtermann angefangen, regelmäßig zu malen. Viel Großformatiges. Aus dem Hobby wurde bald eine Art Beruf.

An der Kunstakademie hat sie ihren Mann kennengelernt

Wenn sich ein roter Faden durch ihr Leben zieht, ist es die Kunst, die Kultur. Das hat schon früh angefangen. Ihre Mutter war Musikerin. Und ihr Vater, ein Theologe, hat nach dem Zweiten Weltkrieg in Möckmühl bei Heilbronn die Volkshochschule aufgebaut. Die ersten Veranstaltungen waren im Wohnzimmer der Familie. Die Kinder durften dabeisitzen. „Ich habe die Kultur von klein auf in mich aufgenommen“, sagt Almut Holtermann. „Es war alles kulturell bestimmt bei uns.“

Da verwundert es kaum, dass sie an der Kunstakademie in Stuttgart studiert hat. Das war auch die Zeit, in der sie in den Stadtbezirk Sillenbuch gezogen ist. Ins selbe Haus, in dem sie noch heute mit ihrem Mann wohnt. Damals lebten ihre Großtanten dort, und die junge Studentin hatte im Parterre ihre Bleibe. Für sie war das die Erfüllung. Sie wollte weg aus Möckmühl. „Mir war’s dort langweilig, und ich hätte dort auch niemanden gefunden, also keinen Partner.“ Sie hatte den richtigen Riecher. An der Kunstakademie hat sie nämlich ihren Mann kennengelernt.

Die Bilder strotzen vor Ausdrucksstärke

Mit der Geburt der Tochter nahm das Leben der Holtermanns eine Wendung, an die sie sich gewöhnen mussten. Damals also hat Almut Holtermann mit dem Malen begonnen – und die Dinge nahmen ihren Lauf. Sie hat gelernt, ihre Bilder zu vermarkten, sie hat sich mit anderen zur Sillenbucher Künstlergruppe zusammengetan, und sie hat mit den Behinderten in den Karl-Schubert-Werkstätten in Bonlanden gemalt. „Die sind aufgeblüht“, erzählt sie. Als müsste sie es beweisen, blättert Almut Holtermann durch die Broschüren, die sie hat anfertigen lassen. Darin ist zum Beispiel „Der eitle Gockel“ von einem Volker abgedruckt, „Freunde unterm Schirm“ von einem Felix, und auf dem Titel die „Drei Geheimtüren“ ihrer Inga. Alle Bilder strotzen vor Ausdrucksstärke. Viele der Werke stimmen einen nachdenklich, selbst Almut Holtermann, immer noch.

Auch wenn sie von ihrer eigenen Kunst berichtet, blättert die 76-Jährige. Sie hat die Informationen zu allen Ausstellungen, die sie jemals organisiert hat, in ein Erinnerungsalbum geklebt. Da sind Einladungskarten, Zeitungsausschnitte, Rückmeldungen der Gäste.

Für Almut Holtermann war die Malerei der passende Schlüssel. Er hat ihr zu einer Welt Zutritt verschafft, in der sie ähnlich zuhause ist wie im wirklichen Leben. „Beim Malen vergisst man sich dann auch.“ In jüngerer Zeit hat sie sich vor allem dem Motto „Kreis, Kugel, Kosmos“ gewidmet. „Das ist ein unerschöpfliches Thema“, sagt sie. Es sind Symbole für die Unendlichkeit.