Laternen gibt es wie Pilze im Walde. Foto: EPA

Eine Musterklage des Zweckverbands NEV könnte auf den Inventarlisten von vielen Vereinen oder Kirchen unverhoffte Erleuchtung bringen.

Prozesse - Laterne, Laterne – Sonne, Mond und Sterne“: was gibt es herzerweichenderes als ein Laternenlauf unserer Kleinen, in deren Augen sich im Spätherbst (also an diesem Dienstagmorgen) der Lichterglanz widerspiegelt. Nur eines vielleicht: der freudige Glanz im tränengefüllten Auge eines Kirchengemeinderatsvorsitzenden, der morgens früh um Fünf liebevoll die Laterne seiner Gemeinde tätschelt. Oder die stramm-zackigen Salutschüsse, mit denen der Schützenverein Schützenhofen-West (Motto: „Schießen lernen – Freunde treffen“) die Inbesitznahme der ersten vereinseigenen Straßenlaterne feiert. Zukunftsmusik? Spinnerei?

Mitnichten! Dutzende, wenn nicht Hunderte Vereine, Kirchengemeinden, private Grundstücksbesitzer jedweder Couleur könnten sich tatsächlich und völlig real in nicht allzu ferner Zukunft quasi über Nacht in Besitz einer öffentlichen Straßenlaterne befinden. Und wem würden sie das dann verdanken? Dem wahrscheinlich bekanntesten Zweckverband in Nordwürttemberg: Nein, das ist nicht die TSG Hoffenheim, sondern der NEV. Diese Abkürzung steht nicht etwa für „Nieten erhalten Vergünstigungen“ oder „Neue Erlebnisse verarbeiten“, sondern – heute würde man sagen: voll retro – für „Neckar Elektrizitätsverband“.

Ein Verband mit Beleuchtungsvermögen

Nun würde ein Exkurs über Geschichte und Funktion des besagten Verbandes den Rahmen dieser Kolumne und die Geduld jedes Lesers sprengen. Kurz gesagt: der NEV ist eine Art Aktionärsklub, in dem 167 Städte und Gemeinden und neun Landkreise Mitglied sind und der über ein millionenschweres Aktienvermögen von Energieversorgern (EnBW, Süwag) verfügt. Immer wieder mal will eine Kommune austreten und ihr Aktienvermögen mitnehmen – das erlaubt der NEV aber nicht.

Aber wir schweifen ab. Alle, die immer noch Mitglied sind, finden jetzt endlich eine Antwort auf die heiß diskutierte Frage, wozu es den NEV überhaupt noch gibt: er verhilft Vereinen und Privatpersonen zu einem beträchtlichen Beleuchtungsvermögen. Per Musterklage will der Verband nämlich gerichtlich durchsetzen, dass die EnBW den Städten und Gemeinden ihr Straßenbeleuchtungsnetz umsonst vermacht. Ja, richtig gelesen: kein Mensch weiß nämlich, wem die Laternen, die die Energieversorger in Württemberg aufgebaut und jahrelang betrieben haben, eigentlich gehören.

Was tun mit einer Straßenlaterne?

Keiner, außer einem: der NEV weiß es. Er beruft sich auf das Bürgerliche Gesetzbuch, das besagt, dass Dinge, die fest und unbeweglich (also quasi Immobilien) mit dem Grund und Boden verbunden sind, faktisch demjenigen gehören, dem der Grund und Boden gehört. Das sind in den allermeisten Fällen natürlich die Kommunen. Aber wer genau hinschaut, der wird viele, viele andere Grundstückseigentümer finden, die – wenn das Landgericht Stuttgart dem NEV Recht gibt – flugs zu Laternenbesitzern mutieren.

Jetzt, was macht man mit einer Straßenlaterne? Man muss sie putzen und ab und zu neue Glühbirnen reinschrauben. Aber richtige Vorteile hat man nicht von ihr. Laternenumzüge (mit glänzenden Kinderaugen, siehe Textanfang) gehen nicht, weil Laternen ja Immobilien sind; und dass die Kinder mit glänzenden Augen um die Laterne herumtanzen und Lieder singen, ist ja auch eine affige Vorstellung. Und wenn man als Fischereiverein Ochsenbach-Ost gerade mit der Stadtverwaltung über Kreuz liegt, weil die zum Beispiel ums Verrecken das Baden im örtlichen Fischteich nicht verbieten wollen, kann man das Rathaus mit so einer einzelnen Laterne ja auch schlecht erpressen.

Lieber still halten. . .

Da kann man das Gerät eigentlich nur der Stadt schenken und sagen: „Kümmert ihr euch drum“ und hoffen, dass die Stadt nicht auf Ideen kommt wie in Markgröningen. Dort hat die Verwaltung – das ist schon ein paar Jährchen her – nämlich im Baugebiet „Im Hart“ Laternen aufbauen lassen. Und jahrelang haben alle gedacht, dass das öffentliche Laternen seien. Aber dann kam jemand im Rathaus auf die findige Idee, dass die Laternen eigentlich kein öffentliches Gelände, sondern Privatwege beleuchten. Also haben die Hausbesitzer Stromrechnungen bekommen. So spart die clevere Stadt 800 Euro im Jahr.

Im aktuellen Fall wäre das genau gleich, nur anders herum: beleuchtet werden öffentliche Wege; aber die Laternen stehen auf privaten Grundstücken. Da kann man den frisch gebackenen Leuchtdiodenbesitzern nur eines raten: pssst, nix sagen, nix machen, ruhig verhalten – sonst kommen diese Leuchten in eurem Rathaus noch auf dumme Ideen . . .