Stillstand der Gewässer? Auf dem PR-Foto verhält sich die Enz bei der Spiegelung des Schriftzugs merkwürdig bewegungsarm. Zum Vergleich . . . Foto: StZ/Repro

Kennt irgendjemand noch Konrad Kujau? Egal: der Geist der Fälschung lebt. Beim Vaihinger Beitrag zum regionalen Lichtkunstfestival gehen Schein und Sein jedenfalls auffällig weit auseinander.

Vaihingen/Enz - Es wurde schon viel zu lange nicht mehr über Konrad Kujau geschrieben. Es ist schon stramme 33 Jahre her, dass die gefälschten Hitler-Tagebücher des Künstlers und Kunstfälschers im Magazin

... hier die Realität Foto: StZ
„Stern“ erschienen sind. Und es gibt viel zu wenige Menschen, die heute noch wissen, dass Kujau die ersten Bände seiner berühmtesten Fälschungen in einem Reihenhaus im Ditzinger Ortsteil Heimerdingen geschrieben hat.

Kujaus Fälschungen selbst brachten es später sogar zu einer eigenen Kunstgattung, nur der Fachmann konnte ein originales Kujau-Plagiat von der gefälschten Kujau-Fälschung unterscheiden. Heute ist der gesamte Produktionsbereichs der Fälschung im Kunstgewerbe nach Südostasien ausgelagert worden. Da ist es doch erfrischend zu sehen, dass manche Künstler die Fälschung als Kunstform so ernst nehmen, dass sie das Genre gleich auf ihre eigenen Werke übertragen.

Ein Fall für „Finde die Unterschiede“

Besonders augenfällig wird das beim Vaihinger Beitrag zum Lichtkunstfestival „Aufstiege“ der Kulturregion Stuttgart. Hier hat die Künstlerin Gunda Förster, bekannt durch ihren eindrucksvollen „Tunnel“ unter dem Deutschen Bundestag, ihr eigenes Werk namens „Fliessende Tränen Funkeln“ kunstvoll gefälscht. Zumindest in der das Projekt begleitenden Werbebroschüre. Und zwar so, dass in unserer Redaktion zwischendurch zur Debatte stand, das Werbefoto – respektive dessen Montage – und die Realität an die Rätselredaktion der Wochenendbeilage als Vorschlag für die Rubrik „Finde die Unterschiede“ weiterzuleiten.

Es würde ja noch als Kuriosum durchgehen, dass für das Werbefoto eine Perspektive gewählt wurde, die für den normalen Fußgänger gar nicht erreicht werden kann. Wir nehmen an, dass der Fotograf per Stocherkahn auf die kleine Enzinsel übergesetzt hat, um dort Enzbrücke, Schloss Kaltenstein und Stadtkirche gleichzeitig einfangen zu können.

Alles fließt? Nicht auf dem Foto!

Doch ein anderer Umstand lässt sich entweder nur auf eine Fälschung oder eine fehlerhafte Wahrnehmung unsererseits zurückführen. Die Schriftzüge „Tränen“ am Schloss und „Funkeln“ an der Kirchturmspitze rechts daneben (auf unserer Aufnahme leider nicht sichtbar) – beide prangen in stattlicher Höhe, hunderte Meter von der Enz entfernt – sollen sich pittoresk im Flussgewässer spiegeln? Trotz investigativen Turnübungen unserer Zeitung ist es nicht gelungen, einen diesbezüglichen Blickwinkel einzunehmen.

Richtig diffus wird das Ganze aber weniger bei der Frage, wo sich welcher Schriftzug spiegelt – sondern vielmehr: WIE sich die Schriftzüge spiegeln. Hier haben wir es, es muss in dieser Deutlichkeit gesagt werden, eindeutig mit einer so gefälschten Fälschung zu tun, wie sie einem Konrad Kujau niemals unterlaufen wäre. Zugegeben: der Schriftzug „Fliessende“ spiegelt sich sehr wohl im Gewässer der Enz. Aber eben nicht, und das will uns die PR-Broschüre suggerieren, spiegelverkehrt, aber lesbar wie einem Spiegel. Und auch nicht wie in einem spiegelglatten See. Sondern eben ganz einfach wie in einem Fluss, einem Fließgewässer – was übrigens schon am selbst gewählten Schlagwort „Fliessende“ ersichtlich gewesen wäre. Ringsum auf dem Foto ist sanft gekräuseltes Wasser erkennbar, die Laternen am unmittelbaren Enzufer spiegeln sich auch diffus, flächig – so wie sich auch der Schriftzug unterhalb der Enzbrücke in gewisser Hinsicht magisch, vom Fluss verfremdet wiederholt (siehe kleines Foto). Seltsam: in Ditzingen sieht die Lichtskulptur bei der Konstanzer Kirche aus wie auf der PR-Broschüre. Aber Konrad Kujau ist ja auch schon lange tot . . .