Grünen-Nachwuchs und SPD-Jugend warnen den Ministerpräsidenten, das Thema Alkoholverbot weiter zu verfolgen. Foto: dpa

Ministerpräsident Kretschmann pfeift wegen seines Vorstoßes zum Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen Wind ins Gesicht. Nun greift ihn auch der Nachwuchs der eigenen Partei an.

Stuttgart - Winfried Kretschmann ist dann erst mal weg. Am Donnerstag brach der Ministerpräsident zusammen mit Europaminister Peter Friedrich (SPD) zu einer zweitägigen Dienstreise nach Wien auf. Es geht um Themen wie Energiewende, Strategie für den Donauraum und eine Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen zum Nachbarland. Der politische Alltagsbetrieb in Stuttgart ist da für 48 Stunden eher zweitrangig. Kretschmann dürfte der Trip gerade recht kommen, denn die Debatte in der Heimat um die Frage, ob es auf öffentlichen Plätzen ein Alkoholverbot geben soll oder nicht, geht weiter. Und das nicht unbedingt zugunsten des Ministerpräsidenten. Der hatte sich am Dienstag angesichts der zunehmenden Gewalt von Betrunkenen gegen Polizisten für ein solches Verbot ausgesprochen. Das Thema sei für ihn „nicht vom Tisch“, er wolle es im Koalitionsausschuss beraten, hatte Kretschmann angekündigt und mutig kundgetan, im Zweifel werde er sich auch gegen die Parteilinie stellen.

Während er bei der SPD damit ein mitleidvolles Lächeln hervorrief oder, wie es Landtagsfraktionschef Claus Schmiedel formulierte, man sei „gespannt, welche Initiativen der Ministerpräsident zur Durchsetzung des Alkoholverbots auf öffentlichen Plätzen beim nächsten Parteitag der Grünen ergreifen wird“, hatte es aus Kretschmanns Partei der Grünen heftige Kritik gegeben.

Die setzte sich nun am Donnerstag fort. Die Grüne Jugend warnte den Ministerpräsidenten, „die eindeutigen Parteitagsbeschlüsse zu ignorieren“. Man sei „vor den Kopf gestoßen“, teilte der Parteinachwuchs mit und fügte fast drohend hinzu: „Wir werden derartige Auslegungen des Koalitionsvertrags nicht akzeptieren.“ Die Landessprecherin der Grünen Jugend, Jessica Messinger, erinnerte Kretschmann an die Tatsache, dass auch Innenminister Reinhold Gall (SPD) habe akzeptieren müssen, dass der SPD-Landesparteitag am vergangenen Wochenende das geforderte Alkoholverbot abgelehnt habe: „Wir erwarten von unserem Ministerpräsidenten jetzt ebenso, die Politik des Gehörtwerdens auch innerparteilich ernst zu nehmen“, so Messinger. Grüne Politik werde „weder von Polizeigewerkschaften noch vom Kabinett alleine gemacht, sondern ebenfalls von der Partei und ihren Mitgliedern“, so die Botschaft.

Rückendeckung für die Grünen von den Jusos

Rückendeckung erhielten die Grünen am Donnerstag von den Jusos. „Die SPD hat sich bei ihrem Landesparteitag erneut und unmissverständlich zum Thema Alkoholkonsumverboten auf öffentlichen Plätzen festgelegt. Die inhaltlichen Beschlüsse sind Grundlage, auf der SPD und Grüne ihre Politik in der Regierung umsetzen“, meinte Markus Herrera Torrez, Landeschef der Jusos, und fügte bissig hinzu: „Auch ein grüner Ministerpräsident kann sich nicht von Grünen-Beschlüssen derart distanzieren.“ Eine dauerhafte Debatte um dieses Thema schade „nicht nur der innerparteilichen Demokratie, sie hält auch davon ab, sich zukünftig wieder den aktuell bedeutenderen Politikfeldern der Haushaltskonsolidierung, Bildungs- und Wirtschaftspolitik zu widmen“, so Torrez.

In der Tat scheint Kretschmann die Stimmung an der Parteibasis zu diesem Thema unterschätzt zu haben. Die Grünen-Kreisverbände jedenfalls unterstützen überwiegend den Parteitagsbeschluss der Südwest-SPD. „Es gibt jetzt schon genügend Instrumente, um das Problem einzudämmen“, sagte ein ehemaliges Vorstandsmitglied des Kreisverbands Tübingen – seien es verstärkte Polizeipräsenz oder Platzverweise. Vor allem das Thema Polizeipräsenz werde immer noch unterschätzt. „Denn ein Verbot bringt nur etwas, wenn man es auch kontrollieren kann.“ Ein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen löse die Probleme nicht. Derselben Meinung ist auch Michael Joukov vom Vorstand des Grünen-Kreisverbands Ulm. „Das Thema Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen ist eine Scheindebatte.“ Es gehe vielmehr um die Frage, wie stark die Polizeipräsenz im öffentlichen Raum sein soll.

Freiburg hält Verbot weiter für richtig

Hingegen hält man in Freiburg ein Alkoholverbot „nach wie vor für wichtig“. Der dortige Grünen-Oberbürgermeister Dieter Salomon hatte das Thema einst als einer der Ersten im Land angestoßen. „Wir wollen ja auch kein generelles Alkoholverbot“, sagte Salomons Sprecher am Donnerstag, „wir wollen nur die rechtliche Grundlage, ein Alkoholverbot selbstständig auszusprechen.“

Ob es nach den parteiinternen Widerständen dazu noch kommt, ist aber fraglich. In Tübingen, das wie Freiburg immer wieder über Saufgelage in der Innenstadt klagt und das Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen lieber gestern als morgen gerne hätte, hat man die Hoffnungen darauf aufgegeben. „Mir scheint das Kapitel nach dem Beschluss des SPD-Parteitags vorläufig abgeschlossen zu sein“, sagte Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne). Eine Alternative zu dem Verbot sieht Palmer nicht: „Wir machen schon alles. Streetworker, Ordnungsdienste und private Sicherheitsleute sind im Einsatz, um die alkoholbedingte Gewalt sowie die Verschmutzung unserer Stadt einzudämmen.“ Mehr Polizisten einzusetzen sei zwar immer gut, jedoch löse dies das Problem nicht. „So viele Polizisten kann man gar nicht auf die Straße stellen“, meinte Palmer.