Sata-Geschäftsführer Albrecht Kruse ist neuer IHK-Präsident. Foto: factum/Granville

Der neue IHK-Präsident Albrecht Kruse hält die Verkehrsprobleme und den schleppenden Ausbau der Digitalisierung für Hemmnisse im Wettbewerb. Zudem befürchtet er, dass Brexit und Fachkräftemangel der Wirtschaft im Kreis schaden werden.

Ludwigsburg - Die Konjunktur im Kreis Ludwigsburg ist gut, meint der neue IHK-Präsident Albrecht Kruse. Aber damit es auch so bleiben kann, müsse viel getan werden: etwa in Sachen Verkehrsinfrastruktur, Digitalisierung oder der Ansiedlung von Logistikunternehmen. Der
Sata-Geschäftsführer wurde im Januar der Nachfolger von Heinz-Werner Schulte.

Herr Kruse, Ihr Vorgänger war ein Repräsentant des Bankensektors, Sie führen einen Gewerbebetrieb. Was ändert sich?
Die IHK ist ein Spiegelbild der Wirtschaftsstruktur. Der Präsident kam viele Jahre aus der Industrie; es war gut und folgerichtig, dass auch eine Persönlichkeit aus dem Bankenbereich die IHK vertreten hatte. Aber es gibt keine Erbhöfe.
Welche der IHK-Leistungen halten Sie für die wichtigste?
Es gelingt mir nicht, das so stark einzuengen. Neben den hoheitlichen Aufgaben bei Ausbildung und Außenwirtschaft nimmt die IHK in der Gründerberatung und in der Beratung kleinerer Unternehmen wichtige Rollen wahr.
Werden Sie neue Schwerpunkte setzen?
Das ist ja der Charme der Selbstverwaltung, dass diejenigen, die zahlen, auch bestimmen, wofür und wie viel sie dafür zahlen möchten. Die IHK ist sehr gut aufgestellt, dennoch muss sie sich wie jedes Dienstleistungsunternehmen natürlich ständig weiterentwickeln.
Die Kaktus-Initiative sieht diese Vorteile nicht. Sie lehnt die Zwangsmitgliedschaft ab, sie spricht von überkommenen Strukturen.
Die Pflichtmitgliedschaft bestimmt ein Bundesgesetz von 1956, das nur durch einen Anstoß des Bundesverfassungsgerichts oder dem Gesetzgeber geändert werden kann. Viele Mitglieder arbeiten in der Bezirks- und der Vollversammlung mit, weil sie um die Bedeutung und die Qualität dieser Dienstleistungen wissen und sie weiter verbessern wollen.
Ist das auch Ihre persönliche Position?
Ja. Ich setze mich sowohl als Unternehmensleiter als auch als Präsident der Bezirkskammer für eine Stärkung der IHK ein. Ich denke, dass niemand ein Interesse an etwas anderem haben kann.
Was würde es aus Ihrer Sicht bedeuten, wenn die Mitgliedschaft freiwillig wäre?
Die Solidargemeinschaft könnte darunter leiden. Große Unternehmen könnten die Belange der IHK bestimmen, weil sie mit einem Austritt drohen könnten. Aber vor allem der Mittelstand und kleinere Unternehmen brauchen die IHK.
Spiegelt sich diese Struktur in den Mitgliedsbeiträgen wider?
Etwa 40 Prozent der Mitgliedsunternehmen zahlen überhaupt keine Beiträge, das sind in der Region 64  000. Weitere sechs Prozent zahlen nur einen Grundbeitrag von 25 Euro. Die 100 größten Unternehmen leisten 30 Prozent der Beiträge.
Von welchen IHK-Leistungen profitiert beispielsweise Sata selbst?
Ohne die IHK würden wir es nicht schaffen, Strukturen für 20 Auszubildende zu schaffen, geschweige denn eine Gewähr für die Qualität der Prüfungen abzugeben. Darüber hinaus würden wir es nicht bewerkstelligen, in 103 Ländern weltweit tätig zu sein.
Warum aber ruft die Kaktus-Initiative immer nach mehr Transparenz?
Die Frage stelle ich mir auch. Wenn es sich um Bezüge eines Hauptgeschäftsführers handelt, müssen wir den Datenschutz beachten. Bei Haushaltsfragen haben wir eine hohe Transparenz, die sich erheblich entwickelt hat.
Wie ist die Lage bei den Fachkräften in der IHK-Region?
Die IHK leistet einen erheblichen Beitrag dafür, dass sich Bewerber für Ausbildungsplätze finden – auch im Bereich der Integration von Flüchtlingen. Aber wir können an der grundsätzlichen Demografie nichts ändern. Persönlich kann man sich endlich ein Einwanderungsgesetz wünschen.
Welchen Erfolg hat das IHK-Kümmererprojekt für junge Asylbewerber?
Sechs Jugendliche sind in einer Ausbildung gelandet, 23 haben Kurzpraktika gemacht und fünf sind in der Einstiegsqualifikation. Der Pool ist natürlich ungleich größer. Da ist eine intensive Betreuung nötig.
Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein.
Ja, es ist für die Kümmerer eine Riesenaufgabe. Aber es gibt keine Alternative dazu. Und es gibt viele solcher Tropfen.
Was bräuchten Schüler für eine adäquate Ausbildungsreife?
Eine IHK-Ausbildungsumfrage 2016 ergab, dass von den Unternehmen sehr häufig die Kriterien Belastbarkeit, elementare Rechenfertigkeiten, Leistungsbereitschaft und Motivation sowie mündliches und schriftliches Ausdrucksvermögen bemängelt werden. Wünschenswert wäre, dass durch die Politik eine berufliche Ausbildung als gleichwertige Alternative zu Abitur und Studium vermittelt wird.
Wie beurteilen Sie die Wirtschaft im Landkreis? Wo gibt es Nachholbedarf?
Wir haben seit vier Jahren eine konjunkturelle Hochphase und auch der Ausblick ist sehr günstig. Aber wir haben auch politische Risiken, zum Beispiel Protektionismus-Tendenzen und den Brexit.
Wie könnte sich der Brexit auf die hiesige Wirtschaft auswirken?
Es ist damit zu rechnen, dass Zölle auf uns zukommen, Geschäfte mit den Briten werden wohl spürbar erschwert.
Welche Probleme sieht die IHK vor Ort?
Ein großes Problem ist sicher ein Mangel an Gewerbeflächen und die schleppende Erschließung wegen der Widerstände vor Ort. Wir haben zudem Engpässe in der Verkehrsinfrastruktur und es fehlt die Bereitschaft, Logistikbetriebe zuzulassen. Da ist die Politik gefordert, stärker für die Notwendigkeit der Logistik zu werben. Wer bei Industrie das Fleisch möchte, muss auch den Knochen nehmen.
Kornwestheim ist in Vorleistung gegangen.
Mit Dachser, Panalpina, ERA und anderen ja. Aber es gibt immer wieder Logistiker, die Flächen im Landkreis möchten.
Wie stehen Sie zum Autobahnausbau?
Es ist natürlich betrüblich, dass im Bundesverkehrswegeplan 2030 der achtstreifige Ausbau der A 81 auf einem der hinteren Plätze gelandet ist. Umso wichtiger ist, dass die Interimsmaßnahme einer temporären Öffnung der Standspur von Bund und Land endlich in Angriff genommen wird.
Wie stehen Sie zu einem möglichen Fahrverbot für Stuttgart?
Die betroffenen Unternehmen werden dazu gerade befragt. Das wird eine der großen Herausforderungen.
Wie begleiten Sie die Stadtbahndiskussion in Ludwigsburg?
Wir haben die Betroffenen in den Kommunen aufgefordert, unter den Gesichtspunkten Geschwindigkeit der Umsetzung und Flexibilität Lösungen zu erarbeiten. Wir begrüßen den Konsens, der zwischen dem Landrat und dem Ludwigsburger Oberbürgermeister gefunden wurde.
Kommen wir vom Personennahverkehr noch einmal auf das Thema Datenverkehr zu sprechen. Stichwort Breitbandversorgung. Es ist zu befürchten, dass finanzschwächere Unternehmen ins Hintertreffen geraten.
Das befürchten wir auch. Man kann die privaten Anbieter nicht dazu nötigen, die Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Das ist dann leider Aufgabe der Stadtwerke oder wer immer in den Kommunen dafür in Frage kommt. Die Investitionen sind erheblich, die Mittel, die das Land zur Verfügung stellt, überschaubar. Das ist eine Herkulesaufgabe, aber eine enorm wichtige.