Der Jäger und Sammler Sepp Herrmann lebt und arbeitet in Alaska. Foto: Heinz Siebold

Der Ortenauer Sepp Hermann lebt seit fast vierzig Jahren in Alaska als Jäger und Sammler

Unterharmersbach - Jo, so eweng e Hippie“, das sei er schon gewesen, gibt Sepp Herrmann zu und lacht. Das ist lange her, aber dem baumstarken Mann mit schulterlangen Haaren und Ohrschmuck aus Tierknochen nimmt man ab, dass er immer noch ein etwas anderes Leben führt. Der Metzgerssohn und Industriemechaniker aus Unterharmersbach im mittelbadischen Ortenaukreis ist Jäger und Sammler, und zwar im US-Bundesstaat Alaska. Im Winter mutterseelenallein in der nördlichsten Gebirgskette vor dem Polarmeer, der Brooke Range. Im Sommer etwas weiter südlich in der Nähe der 31 000 Einwohner zählenden Stadt Fairbanks. Zurzeit ist Sepp Herrmann zusammen mit seinem Sohn Atigun in seiner alten Heimat. Er hat seine Mutter zum 95. Geburtstag besucht und stellt in Vorträgen sein erstes Buch vor.

Alltag in der alten Heimat kommt seltsam bis unsinnig vor

Aus dem jungen Hippie der 1970er Jahre ist ein gestandener 61-jähriger Trapper geworden, dem der Alltag in der alten Heimat seltsam bis unsinnig vorkommt. Lange hält er es in einer Wohnung nicht aus, er muss raus in den Wald. Aber der Schwarzwald ist ihm zu wenig, er wird bald wieder dorthin zurückkehren, wo er sich wohler fühlt. „Die Weite der Landschaft, die unberührte Natur, die Stille und die Einsamkeit“ hätten ihn von Anfang an angezogen. Der junge Tramp schaute sich um, zunächst in Skandinavien, dann in Alaska. 1978 hat Herrmann seine erste Hütte in einem Tal jenseits des Polarkreises in der Brooke Range gebaut. Zehn Quadratmeter klein, 90 Kilometer von der nächsten Schotterstraße und 500 Kilometer von der nächsten Einkaufsmöglichkeit entfernt. „Ich muss immer viel mitnehmen dorthin“, seufzt Herrmann. Jede Menge Gerätschaften, Waffen, Munition, Fallen, Nahrungsmittel. Sogar Säure zum Gerben der Tierfelle.

Denn Herrmann fängt im Winter Wölfe, Luchse und Füchse und verkauft deren Fell im Frühjahr. Das bringt rund zwei Drittel seines bescheidenen Jahreseinkommens von rund 8000 Dollar zusammen. Der Rest stammt aus dem Verkauf von Wolle, die Moschusochsen nach dem Winter abwerfen. Im Spätsommer sammelt Herrmann Heidelbeeren, Preiselbeeren und Morcheln und geht damit auf den Markt

Essen jagt oder pflanzt Herrmann selbst an

Geld braucht er vor allem, um Benzin für das Auto und Futter für seine Schlittenhunde zu kaufen. Sein Essen jagt oder pflanzt Herrmann selbst an. Das Fleisch stammt von den Rentieren, die dort Karibus heißen, oder von Elchen. Lachs gibt es im Fluss, und Gemüse und Tomaten wachsen im Sommer neben dem Blockhaus im Goldstream Valley. Ein Cousin aus der Ortenau, von Beruf Zimmermann, hat beim Bau geholfen.

Die ganze Verwandtschaft – Vettern, Nichten und Neffen – reist gerne zum Trapper-Onkel nach Alaska zu Besuch. Statt Schwarzwälder gibt es dann von Herrmann geräucherten Karibu-Schinken. Auch dieses Handwerk hat er sich selbst beigebracht. „Fünfzehn Jahre habe ich experimentiert, jetzt ist er richtig gut“, sagt der Überlebenskünstler. Sein Freundeskreis im Sommerquartier schätzt die ausgiebigen Feste mit Fleisch, Wurst und Brot aus eigener Produktion.

Seine kleine Familie ist vor einigen Jahren auseinandergegangen. Herrmanns Ehefrau Maria überlebte nur knapp den heftigen Angriff eines Grizzlybären. Ihre äußerlichen Wunden verheilten, die inneren nicht. Sie wollte nicht mehr in der Wildnis bleiben und zog mit dem gemeinsamen Sohn in die Stadt Fairbanks. Der jetzt 23-jährige Atigun pendelt zwischen Vater und Mutter, unterrichtet an einer Berufsfachschule und jagt in den Ferien mit dem Vater Elche und Rentiere.

Mehrere brenzlige Situationen mit Bären

Auch Sepp Herrmann hatte mehrere brenzlige Begegnungen mit dem gefährlichsten der Braunbären. Die schlimmste erzählt er in seinem Buch. Beim Training für das 1600 Kilometer lange Yukon-Quest-Hundeschlittenrennen massakrierte ein Grizzly Herrmanns Gespann, er selbst kam mit viel Glück mit dem Leben davon. Einer seiner noch lebenden Schlittenhunde biss den Bären in den Hintern, so dass Herrmann fliehen konnte.

Das arktische Leben ist kein Zuckerschlecken. Die Temperaturen sinken im Winter unter minus 60 Grad. Einen Zeh hat Herrmann durch Erfrieren verloren. Der Rücken tut weh, die harte körperliche Arbeit hinterlässt Spuren. Aber egal, ein Trapper kann nicht einfach in Rente gehen.