Wer unterdurchschnittlich verdient, hat oftmals keine Chance auf eine Wohnung. Foto: privat

Die Wohlfahrtsverbände im Kreis Ludwigsburg starten eine Aktionswoche zum Thema Armut. Sie wollen Hausbesitzer ermutigen, leere Wohnungen an Schlechterverdienende zu vermieten.

Kreis Ludwigsburg - Wer in Baden-Württemberg weniger als 1009 Euro monatlich zur Verfügung hat, ist arm. So jedenfalls ist es im aktuellen Armuts- und Reichtumsbericht für das Land definiert. Denn wer höchstens 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens eines Bundeslandes auf sein Konto bekommt, gilt in dem Papier als „stark armutsgefährdet“. Da die Löhne im Land höher liegen als im Rest der Republik (dort gilt eine Grenze von 917 Euro), ergibt sich für Baden-Württemberg der vergleichsweise hohe Wert. So hoch, das Georg Steckenstein, der Geschäftsführer der Sozialberatung in Ludwigsburg, sagt: „Das Thema ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.“

Die Liga der freien Wohlfahrtspflege, also unter anderem Caritas, Diakonie und Arbeiterwohlfahrt, hat daher von diesem Montag an gemeinsam mit der Landesarmutskonferenz zu einer landesweiten Aktionswoche aufgerufen. Ihr Titel lautet: „Es ist genug! Genug für alle!“

10 000 Postkarten für die Suche nach Wohnungen

Im Landkreis Ludwigsburg stellen die Verbände dabei speziell auf einen Aspekt von Armut ab: die Wohnungsnot. Hier, im Speckgürtel rund um die Landeshauptstadt, sei dieses Problem besonders dringlich. „Die Politik hat auf dem Wohnungsmarkt versagt“, meint Georg Steckenstein. Im sozialen Wohnungsbau kommen seiner Schätzung nach auf eine neue Wohnung fünf Bewerber. Christian Ecker von der Ludwigsburger Karlshöhe schätzt, dass auf der Warteliste der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Ludwigsburg aktuell rund 1600 Menschen stünden. Im vergangenen Jahr hätten aber weniger als 30 davon in eine neue Wohnung vermittelt werden können. „Dabei ist Wohnraum ein existenzielles Gut“, meint Petra Tolksdorf von der Caritas Ludwigsburg-Waiblingen-Enz.

Für die Aktionswoche, die an diesem Montag beginnt, wenden sich die Verbände mit ihrer Kampagne daher an Immobilienbesitzer. 10 000 Postkarten mit dem Spruch „Ich liebe Kehrwoche“ haben sie in den vergangenen Wochen auf rund 30 Stellen im Kreis verteilt. Die Karten sollen Hausbesitzer dazu animieren, leerstehenden Wohnungen auf den Markt zu bringen, statt sie weiter unbewohnt zu lassen. „Die Kehrwoche ist das kleinste Problem – was uns im Landkreis Ludwigsburg fehlt, ist bezahlbarer Wohnraum“, steht auf der Rückseite der Pappkarte.

Die Verbände treten auch selbst als Mieter auf

„Wir wollen die Besitzer sensibilisieren“, sagt Simone Schächterle von der Diakonie Ditzingen. Sie hofft, den ein oder anderen durch die Aktion zu überzeugen. Damit ein gültiger Mietvertrag zustande kommt, treten die Wohlfahrtverbände inzwischen auch selbst als Mieter auf oder geben Garantien für Klienten ab, erklärt Georg Steckenstein. Die Vermieter, so die Idee, entwickelten somit mehr Vertrauen und gäben auch Bedürftigen eine Chance.

Derzeit bemerken die Sozialarbeiter noch mehr Druck auf dem Wohnungsmarkt. Doch Petra Tolksdorf sagt: „Die Wohnungsnot war schon da, bevor viele Flüchtlinge in den Kreis kamen“. Es sei wichtig, die gesellschaftlichen Gruppen nicht gegeneinander auszuspielen.