Die Filstalbahn gilt als eine der Problemstrecken in Baden-Württemberg. Foto: StZ

Der Landesverkehrsminister Hermann (Grüne) ist zufrieden. Mit einem Aktionsprogramm will die Bahn die Zugausfälle im Südwesten bekämpfen – Jahreskarteninhaber sollen eine Rückerstattung bekommen.

Stuttgart - Die chaotischen Zustände bei den baden-württembergischen Nahverkehrszügen sind zur Chefsache geworden. Als der Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und das für den Personenverkehr zuständige Bahn-Konzernvorstandsmitglied Berthold Huber am Freitag in Stuttgart vor die Presse traten, fehlte der zuständige DB-Regio-Chef David Weltzien. Hermann und Huber hatten ein Vier-Augen-Gespräch geführt. Dessen Ergebnis wird im Verkehrsministerium als „Sieg auf allen Linien“ gedeutet, offiziell ist von einem „sehr guten Gespräch“ die Rede. Wird das vereinbarte Konzept umgesetzt, seien nach der Sommerpause sicherlich keine Probleme mehr zu erwarten, frohlockte Hermann.

Gleich zwei neue Krisenmanager sollen helfen

Vor wenigen Tagen noch hatte ein hoher Regierungsbeamter aus dem Ministerium öffentlich verlangt, man müsse dem DB-Regio-Chef Weltzien wegen Überforderung einen zweiten Mann zur Seite stellen. Das wird geschehen und ist einer der zehn Punkte des Aktionsprogramms, für das die Bahn fünf Millionen Euro ausgeben will. Der Bahn-Manager Bernhard Weisser, zuletzt S-Bahn-Chef in München, wird Chef der „Qualitätsoffensive Baden-Württemberg“. Er wird auch in einem Lenkungskreis gemeinsam mit Weltzien und dem DB-Regio-Vorstand „mit Hochdruck“ daran arbeiten, die betrieblichen Probleme und personellen Engpässe zu lösen. Die Bestellung von Weisser sei aber „nicht rein auf Vorschlag des Ministeriums“ erfolgt, betonte Huber, die Idee stamme von der DB Regio selbst. Auch ein anderer Krisenmanager kommt wieder zum Einsatz: Gerhard Schnaitmann, ein Nahverkehrsexperte, den das Land auch für einige Monate als „Qualitätsmanager“ beschäftigt hatte, wird von der Bahn als Berater engagiert. „Wir kennen Herrn Schnaitmann schon lange. Er ist mit dem System der Bahn auf Du und Du“, sagte Huber. Dass Schnaitmann auch künftig wieder frühmorgens Bahnhöfe aufsuchen, mit Pendlern sprechen und die DB Regio bei drohenden Zugausfällen anrufen werde, davon geht auch Huber aus. „In dieser Rolle ist er besser als nur am Schreibtisch.“

Auf unbürokratischem Weg will die Bahn Jahreskarteninhaber auf der Filstal-, der Franken- und Remsbahn einen Monatsbeitrag zurückerstatten. Wie das geschehen soll, das ist noch zu klären und sei wegen der Tarifverbünde „nicht so einfach“, sagte Huber. Und: „Die DB entschuldigt sich bei allen betroffenen Fahrgästen ausdrücklich für die Beeinträchtigungen.“

Die fehlenden Lokführer sind ein Problem

Ein Grund für die Probleme der DB-Regio sind fehlende Lokführer und Züge. Mit einem Bündel von Maßnahmen soll da Abhilfe geschaffen werden, da die sogenannten Stuttgarter Netze – Linien die durch Stuttgart führen – 2019 an die Bahnkonkurrenten Go Ahead und Abellio gehen, sind viele Lokführer auf dem Absprung. Die Bahn will gemeinsame Jobbörsen auch mit dritten Verkehrsunternehmen in Crailsheim, Stuttgart und Heilbronn gründen. Ziel sei es, die Lokführer im Lande zu halten – bei wem auch immer – und ihnen Planungssicherheit ab 2020 zu geben, so Huber. Aus anderen Regionen sollen 30 Triebfahrzeugführer zunächst für sechs Monate nach Baden-Württemberg geholt werden um die ingesamt 1000 im Land zu unterstützen. Dafür gibt es ein Drei-Millionen-Budget für den „besonderen Einsatz“. Nach einem Aufruf zur Aushilfe gingen immerhin 100 Bewerbungen ein.

Die Aushilfe von auswärts findet auch an anderer Stelle statt: Um die Werkstatt Ulm zu entlasten, sollen Züge auch in Kempten, Pasing, Hof und Frankfurt repariert werden. Schon jetzt fährt Personal der DB Region Bayern auf den Strecken Würzburg-Stuttgart oder Nürnberg-Stuttgart mit. Was die Reparaturen anbelangt, will die Bahn auch mit dritten Unternehmen zusammenarbeiten, etwa der Hohenzollerischen Landesbahn oder der Bodensee-Oberschwaben-Bahn. Weitere Punkte betreffen die frühe Ankündigung von Zugausfällen, eine Verminderung der problematischen Vielfalt an Zügen sowie die Nutzung von Fernzügen durch Nahverkehrskunden.

Die Filstalbahn erhält eine zusätzliche Doppelstockeinheit

Der Materialmangel ist ein großes Problem. „Wir könnten vier bis fünf Doppelstockgarnituren für Baden-Württemberg gebrauchen“, sagte Berthold Huber. Konkret ist im Aktionsprogramm nur eine zusätzliche Doppelstockeinheit (fünf Wagen plus Lok) für eine Entspannung der Lage auf der Filstalbahn geplant. Sie wird aus anderen Regionen Deutschlands zusammengestellt und soll im Stuttgarter Hauptbahnhof die sogenannte überschlagene Wende vollziehen: Fährt ein Zug ein, fährt ein anderer sofort ab. Eine tiefgreifende Besserung der Lage erhofft sich die Bahn ab dem Fahrplanwechsel im Dezember. Gefragt, ob er die von ihm ausgesprochenen Abmahnungen gegen die Bahn nun sein lasse, sagte Minister Hermann: Dies sei ein „heftiges Drohpotenzial“ gewesen, zu dem er stehe, das nun hinfällig sei: „Wenn das Konzept der Bahn nicht funktioniert, geht es aber von vorne los.“