In Bethlehem eröffnet am 20. März das Walled Off Hotel – direkt vor der Betonmauer, die das von Israel besetzte Westjordanland vom palästinensischen Teil Bethlehems trennt. Foto: dpa

Der Künstler und Aktivist Banksy hat im Westjordanland ein Hotel errichtet. Es wirbt mit der „schlechtesten Aussicht der Welt“ – die Zimmer sind für die nächsten drei Monate ausgebucht.

Bethlehem - Als Banksy 2005 zum ersten Mal nach Bethlehem kam und mit seinen Spraydosen Hauswände und die Sperrmauer bemalte, ahnte keiner in dem palästinensischen Städtchen, welch weltberühmter Street-Art-Künstler da zugange war. Empört übertünchten Einheimische seine Graffiti. Sie fühlten sich persönlich beleidigt, etwa von dem Banksy-Motiv eines israelischen Soldaten, der die Papiere eines Esels kontrolliert.

Heute zählt Banksy-Kunst in Bethlehem zur Touristenattraktion, die direkt nach der Geburtskirche kommt. Die Bilder schmücken inzwischen ein Hotel, das seinesgleichen sucht. Walled-off-Hotel heißt es, was ungefähr ummauertes Hotel bedeutet. Am Samstag hat es seine Pforten geöffnet, und die Kamerateams standen sich fast auf den Füßen. Der Name klingt ein wenig wie das Luxushotel Waldorf. Aber diese Herberge bietet andere Superlative. Sie wirbt mit dem „hässlichsten Ausblick der Welt“ – in allen zehn Zimmern schaut der Gast auf die wenige Meter entfernte, acht Meter hohe Mauer, die Israel um die Geburtsstadt Christi errichtet hat, um Palästinenser vom benachbarten Jerusalem fernzuhalten. Damit geht das „Walled off“ glatt als das politischste Hotel durch und als das skurrilste dazu.

Das politischste und skurrilste Hotel

Ein Sammelsurium an Überwachungskameras

Draußen wie drinnen ist der Nahostkonflikt thematisch präsent, meist mit einem subversiven Augenzwinkern, typisch Banksy eben. Den Weg hinein weist ein Portier in Gestalt eines lebensgroßen Plastikaffen im roten Jackett, in der Hand einen aufgeplatzten Koffer. In der Lobby im britischen Kolonialstil servieren livrierte Kellner Afternoon Tea und Salatplatten mit Mauersegmenten aus Toast. Außerdem: ein Sammelsurium an Überwachungskameras, die wie Hirschgeweihe montiert sind und eine in Tränengaswolken gehüllte Statue. Im Artist Room, der für 265 Dollar pro Nacht zu haben ist, hängt eine Replik von Banksys Kissenschlacht zwischen einem israelischen Soldaten und einem palästinensischen Straßenkämpfer.

Billiger, für schlappe 30 Dollar, kommt man im Mehrbettzimmer im Keller unter, das mit Militärpritschen eingerichtet ist. Krönung ist die Präsidentensuite, die laut Eigenwerbung „mit allem ausgestattet ist, was ein korrupter Staatsführer braucht“: Heimkino, Bar, viel Kunst an den Wänden und einem zerschossenen Wassertank als Planschbecken. Diesen Luxus können sich bis zu sechs Normalsterbliche für 965 Dollar die Nacht teilen. Vorausgesetzt sie hinterlegen eine Kaution von tausend Dollar zur Sicherheit. Banksy-Werke werden schließlich in der Kunstszene in sechststelligen Summen gehandelt.

Über den Künstler Banksy weiß man kaum etwas

Dabei weiß keiner mehr über diesen berühmtesten aller Sprayer, als dass er um die vierzig Jahre alt sei und aus Bristol stamme. Auf der Website des Hotels wird auch betont, dass er zwar die Einrichtung finanziert habe, aber die Einnahmen den lokalen Betreibern überlasse. Banksy selbst kassiere „keinen Penny“.

Bezogen werden können die Zimmer erst ab 20. März. Aber schon jetzt, strahlt Hotelmanager Wisam Salsaa, „sind wir für die nächsten drei Monate nahezu ausgebucht“. In den letzten Tagen hat er, der bislang ein Reiseunternehmen führte, eine Menge Kritik einstecken müssen. Das Banksy-Hotel schlage aus dem Elend Profit. Palästinensische Künstler wie Bashir Qonqar stört es, „dass wir aus der Mauer eine Industrie gemacht haben“. Ihnen hält Salsaa entgegen, dass die meisten Bethlehem-Pilger die Mauer nicht mal wahrnähmen. „Wir stoßen die Besucher darauf und tragen dazu bei, dass die Mauer irgendwann fällt.“

Eine Gratwanderung zwischen Kunst und Kommerz

Richtig zur Sache geht es im Museumsteil, der die Geschichte des israelisch-palästinensischen Konflikts auf kritische wie originelle Weise erzählt. Im Zeitraffer lässt eine Videoinstallation Panzer, Flugzeuge und Intifada-Aktivisten wie im Comic über eine Reliefkarte sausen bis hin zum Mauerbau im Westjordanland. „Wir sind im Alltag schon an unsere Lage gewöhnt“, meint Omar Sbitany, 36, der aus Ostjerusalem hergekommen ist. „Hier sieht man, dass das überhaupt kein normales Leben ist.“ Doch es bleibt eine Gratwanderung zwischen Kunst und Kommerz. Direkt nebenan werden im Banksy-Shop Tassen, T-Shirts und Poster mit Banksy-Motiven verkauft. Besonders beliebt ist der Vermummte in Steinwerferpose, der einen Blumenstrauß schmeißt.