Regierungszentrale: Pläne, verdiente Beamte vor Regierungswechsel zu befördern.

Stuttgart - In gut vier Wochen ist die schwarz-gelbe Ära in Baden-Württemberg vorbei. Dann übernimmt Grün-Rot die Regierungsgeschäfte. In den Ministerien wächst die Unruhe - und der Wunsch nach schnellen Beförderungen vor Toreschluss.

Wer bei der Bundeswehr gedient hat, der weiß: Geheimaktionen tragen einen Codenamen. Mal heißen sie "schwarzer Falke", mal "weiße Möwe", mal sind's andere fantasiereiche Wortgebilde. Hauptsache, der Feind ahnt nicht, was da geschieht.

Ganz ähnlich war es 1992. Nur ganz unmilitärisch. Es war die Zeit, als der damalige Landwirtschaftsminister Gerhard Weiser in Baden-Württemberg praktisch jeden Bauernhof und jede Tanne kannte und die CDU über eine absolute Mehrheit verfügte. So kam es rund um die Landtagswahl zur legendären "Aktion Abendsonne". Auf der Zielgeraden der Legislaturperiode wurden reihenweise Förster von der Gehaltsklasse A 11 nach A 12 befördert. "Damit hat man einige Beamte belohnt und manchem den späteren Ruhestand versüßt", erinnert sich ein Staatsdiener, wohl wissend, dass ein höheres Salär zu aktiven Zeiten automatisch zu einer höheren Pension im Alter führt.

"Dinge, die moralisch nicht anständig sind"

In diesen Tagen, da die CDU-FDP-Landesregierung mit dem Kistenpacken begonnen hat und in vielen Büros der Reißwolf auf Hochtouren läuft, weil die Büros für die neue grün-rote Koalition geräumt werden müssen, zeichnet sich eine neue "Aktion Abendsonne" ab. Nach Informationen unserer Zeitung sollen mehrere Spitzenbeamte noch kurz vor dem Regierungswechsel befördert oder auf wichtige Positionen versetzt werden, gleichermaßen sollen verdiente Angestellte höher eingestuft werden. In anderen Fällen soll die Probezeit so verkürzt werden, dass die Staatsdiener unverrückbar in der besseren Gehaltsgruppe fixiert sind.

"Da laufen Dinge, die rechtlich vielleicht gerade noch zulässig, aber moralisch nicht anständig sind", sagt ein leitender Beamter. Letztlich würden "diese Entscheidungen aber auf höchster Ebene getroffen", sprich bei Ministerpräsident Stefan Mappus. Allein in der Regierungszentrale soll es sich um "mindestens zehn Personalien" handeln, berichten Insider. Aber auch in den anderen Ministerien mehren sich die Begehrlichkeiten, weil mancher um seinen Posten bangt und sich absichern möchte: "Da haben einige ihre Karriereplanung auf der fortwährenden CDU-Herrschaft gebaut", meint ein erfahrener Polit-Profi.

Nun aber heißt es umdenken, wenn die neuen Minister oder Staatssekretäre der grün-roten Regierung demnächst mit den Umzugskisten unterm Türbalken stehen und ihre eigenen Mitarbeiter mitbringen. Im Mittelpunkt der personellen Turbulenzen steht die Regierungszentrale. Dort ist die Unruhe besonders groß, die Sorge vor Versetzungen am stärksten ausgeprägt. Es ist ein offenes Geheimnis, dass im gut 200 Mitarbeiter starken Staatsministerium etliche Stellen mit CDU-Getreuen besetzt sind, die mit dem Regierungswechsel ihre Schreibtische werden räumen müssen.

Beförderungswelle sorgt für Gesprächsstoff

Als ein Beispiel von vielen gilt die Grundsatzabteilung. Regierungschef Mappus holte sich dort im Frühjahr 2010 einen neuen Abteilungsleiter. Der 38-jährige Jurist, bis dahin persönlicher Referent von Bundestagsfraktionschef Volker Kauder in Berlin, war fortan Chefstratege von Mappus und wurde erst vor kurzem zum Ministerialdirigenten befördert. Ein Job, der mit der Gehaltsklasse B 6 - Grundgehalt: rund 8000 Euro monatlich - entlohnt wird. Eine solche Ernennung ist aber mit einer Probezeit verbunden, die bis zu zwei Jahre dauern kann. In "besonderen Fällen", so lautet die gesetzliche Vorgabe, kann diese Frist verkürzt werden.

Kein Wunder, dass auf den Fluren des Staatsministeriums heftig darüber spekuliert wird, dass der enge Vertraute von Mappus auf der Zielgeraden nun noch "entfristet" werden soll, wie das im Amtsdeutsch heißt. Im Klartext: Seinen Status und seine Gehaltsklasse könnte ihm fortan niemand mehr nehmen - auch wenn er vom künftigen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann abberufen würde.

Nur wohin mit den Top-Leuten dieser Kategorie, wenn die Landesregierung am 12. Mai ausgewechselt ist und damit auch die meisten Amtschefs der Ministerien und obendrein etliche CDU-treue Abteilungsleiter ihr Türschild abschrauben müssen? "Es gibt doch keine freien Stellen für diese Leute", sagt einer aus der Landesverwaltung. Wenn sich die ausgewechselten Spitzenbeamten nicht irgendwo erfolgreich auf eine Stelle als Oberbürgermeister oder Landrat bewerben oder in Pension gehen, muss die grün-rote Koalition sie versorgen. "Man kann die Leute nicht einfach wieder eine Gehaltsklasse herunterstufen", warnt ein Jurist, "sie könnten ihre Ansprüche sofort vor Gericht einklagen."

Bund der Steuerzahler schlägt Alarm

Doch die Alternativen sind überschaubar - und teuer. Variante eins: Es werden Stellen verschoben oder neue geschaffen. Variante zwei: Die Kretschmann-Regierung schickt Staatsdiener wie die bisherigen Amtschefs der einzelnen Ministerien in den einstweiligen Ruhestand und muss ihnen gemäß des Landesbeamtengesetzes bis zu zwei Jahre Übergangsgeld bezahlen. "Egal, welchen Weg man wählt, das kostet viel Geld. Und eigentlich sollen wir Personalausgaben sparen", knurrt ein Finanzexperte.

Hinter den Kulissen jedenfalls sorgt die späte Beförderungswelle von verdienten Gefolgsleuten für reichlich Gesprächsstoff. "So etwas macht man nicht", warnte ein führender CDU-Mann diese Woche. Niemand müsse sich wundern, wenn der Ruf der Regierenden dadurch weiteren Schaden nähme. Auch der Bund der Steuerzahler schlägt Alarm. "Es darf nicht sein, dass die Regierung kurz vor der Ablösung noch ein paar Bonbons verteilt, was sich dann über Jahrzehnte auswirkt", sagt Landeschef Wilfried Krahwinkel mit Blick auf die erdrückenden Pensionslasten des Landes.

Dass Beförderungen kurz vor Toreschluss immer wieder vorkommen, belegt indes die Geschichte. Als 1992 die CDU-Alleinregierung ihren Sonderstatus verlor und vom Wähler in eine Große Koalition mit der SPD geschickt wurde, traf sich das Kabinett unter Führung von Ministerpräsident Erwin Teufel kurz vor der Machtübergabe zu seiner letzten Sitzung. Der damalige Wirtschafts- und spätere Verkehrsminister Hermann Schaufler (CDU) meldete sich unter dem Punkt Personalien zu Wort und regte an, einen verdienten Beamten von A16 nach B 3 zu befördern. Sitzungsteilnehmer von damals erinnern sich, wie Schaufler den Staatsdiener als "ausgezeichneten Mann" anpries. Der kleine Schönheitsfehler: Der Gelobte hatte ein SPD-Parteibuch. Befördert wurde er dennoch.

Und wie steht es um die aktuellen Fälle? Das Staatsministerium hüllt sich in Schweigen. "Personalangelegenheiten werden grundsätzlich vertraulich behandelt", sagt eine Mappus-Sprecherin. Bereits nächsten Dienstag könnten Vorentscheidungen fallen. Dann wird die (noch) amtierende CDU-FDP-Landesregierung nochmals zusammenkommen und sich laut der vorläufigen Tagesordnung mit Bundesratsfragen und Themen wie Glücksspiel befassen. Unter Punkt vier geht es dann um Personalien.