20 Schritte bis zur Fertigstellung der 8000 bis 10 000 Töpfe und Pfannen, die täglich das Werk in Geislingen verlassen Foto: Ines Rudel

Wie wird aus einem Stück Blech ein Kochtopf? Warum hat Geislingen an der Steige ein Image-Problem? Das wissen die Teilnehmer der Verlosung „60 plus“ nach einer Führung im WMF-Werk und durch die Stadt jetzt ganz genau.

Geislingen - Einst hielt in Geislingen an der Steige, einem 3000-Seelen-Nest, sogar der Orient-Express, um sich von zwei Lokomotiven über den Albaufstieg ziehen und schieben zu lassen. Und heute? Die einen fahren durch. Auf der B 10, wenn auf der A 8 Stau ist. Und die anderen steuern zielsicher den Fabrikverkauf der 112 Jahre alten Traditionsfirma WMF AG (ursprünglich Württembergische Metallwarenfabrik Aktiengesellschaft) in der Fischhalle an.

„Ich habe eine lange Einkaufsliste von meinen Töchtern dabei“, lacht Barbara Eckl, eine von neun Gewinnern der Verlosungsaktion „60 plus“ der Stuttgarter Nachrichten und des Verkehrs- und Tarifverbundes Stuttgart (VVS), die mit Ehepartnern und Freundinnen am Donnerstag nach Geislingen fuhren.

Jetzt kann Barbara Eckl ihren Töchtern erzählen, wie die bestellten Pfannen entstehen. Denn sie werden, genau wie die Töpfe, hier am Fuße der Alb produziert. Aus Edelstahl, nach dem eingetragenen Warenzeichen Cromargan genannt, und in den Stärken 0,5 bis 1,8 Millimeter, verwendet, wie Peter Köller als Führer erklärt. Eine Platine, aus der großen Blechwalze, im Fachjargon als Keul bezeichnet, ist der erste Schritt zum Topf.

Bis ihn die Hausfrau auf den Herd stellen kann, folgen zwanzig weitere: Die Platine wird gezogen, bis daraus ein Hohlkörper entsteht, bekommt den Rand alias Bajonettverschluss, damit der Deckel bündig schließen kann und dann vor allem den Boden, der mit einem Druck von tausend Tonnen aufgeschlagen wird. Wobei es tatsächlich einen gewaltigen Schlag tut und der Boden erzittert. Damit täglich 8000 bis 10 000 Töpfe und Pfannen produziert werden können, wurde gerade für mehr als 20 Millionen Euro eine Straße mit 33 Robotern angeschafft: „Sie küssen sich, sagen wir dazu“, verrät Köller.

Mit einem Stück Blech beginnt auch die Herstellung von den Gastronomie-Kaffeemaschinen, die man in Bäckereien ebenso findet wie in Fünf-Sterne-Hotels oder auf der Queen Mary, wie Führer Friedrich Dürr erzählt. Mit diesem Produkt erlebe man in China ein Wachstum von 40 Prozent, berichtet Pressesprecher Kai M. Hummel. Die hervorragende Qualität des damit produzierten Kaffees darf zum Abschluss der Führungen geprüft werden. Super, lautet das einhellige Urteil. Erwin Bitsch freilich war gerade an dieser Führung so interessiert, „weil ich selbst als Metaller gearbeitet habe“.

Die versprochene Führung auf den Spuren von Kunst und Historie stimmte neugierig: Wo verstecken sich in Geislingen, das von der B 10 brutal durchschnitten wird, kulturelle Perlen? In der malerischen Altstadt, klärten Stephan Durant von der Stadtwerbung und Maria Stollmeier vom Unternehmen Schwäbische Landpartie auf. Denn der historische Stadtkern des 30 000-Einwohner-Städtchens besitzt mit der spätgotischen Kirche von 1524, einem wertvollen Altar von Daniel Mauch, einem achtstöckigen Fachwerkhaus, dem Kornschreiberhaus und der alten Zollstation des Grafengeschlechts der Helfensteiner kulturhistorische Kostbarkeiten. Geislingen gehörte damals der Reichsstadt Ulm, die hier ihre Macht manifestierte. „Das haben wir uns hier gar nicht vorstellen können“, staunten die Besucher. „Das ist genau unser Problem“, seufzten Durant und Stollmeier. Und hoffen, dass endlich mehr Leute in Zukunft auch mal durch die Altstadt gehen.