Mit interaktiver Grafik - Wer sich mit dem HI-Virus angesteckt hat, wird es nicht mehr los. Mit Hilfe von Medikamenten gelingt es nur, die Immunschwäche in Schach zu halten. Doch die Forscher der 20. Welt-Aids-Konferenz in Melbourne sind zuversichtlich, die Epidemie stoppen zu können.

Aids ist immer noch nicht heilbar. Wer sich mit dem HI-Virus angesteckt hat, wird es nicht mehr los. Mit Hilfe von Medikamenten gelingt es nur, die Immunschwäche in Schach zu halten. Doch die Forscher der 20. Welt-Aids-Konferenz in Melbourne sind zuversichtlich, die Epidemie stoppen zu können.

Stuttgart - Der Glaube an die Pille gegen Aids – er scheint bei den Bundesbürgern stark ausgeprägt zu sein: Zumindest waren bei einer Umfrage des Marktforschungsinstituts YouGov ein Viertel aller Befragten davon überzeugt, dass Aids schon heilbar ist. Und die Schlagzeilen, die in der Vergangenheit über den Kampf gegen Aids veröffentlicht wurden, machten durchaus Hoffnung: Es schien, dass 33 Jahre nach dem ersten Bericht über das Humane Immundefizienz-Virus (HIV) es nun endlich besiegt werden kann.

Da wäre der „Berliner Patient“, der zusätzlich zu seiner HIV-Infektion 2008 an Krebs erkrankte. Seit einer Knochenmarktransplantation lässt sich das Virus bei ihm nicht mehr nachweisen. Doch die Therapie ist zu riskant und eignet sich nur für wenige Infizierte.

Die Grafik zeigt die Zahlen von HIV-Infizierten und Neuinfektionen weltweit

Hoffnungsfroher stimmten die Ergebnisse aus den USA: Zwei Jahre lang sah es so aus, als sei ein kleines Mädchen von seiner HIV-Infektion geheilt. Nach einer aggressiven Medikamententherapie blieb das Kleinkind gesund. Die Theorie, dass der Körper das Virus allein kontrollieren kann, sofern nur früh genug behandelt wird, schien bestätigt. Jetzt sind die Aids-Viren bei der inzwischen Vierjährigen wieder aufgetaucht. Als „enttäuschende Wende“ bezeichnete dies der Direktor des US-Aidsforschungsinstituts NIAID, Anthony Fauci: „Wir haben immer noch viel über die Feinheiten von HIV zu lernen und auch, wo sich das Virus im Körper verstecken kann.“

Die Zahlen der Vereinten Nationen bestätigen, dass die Gefahr, die von dem HI-Virus ausgeht, noch lange nicht gebannt ist: Zwar sind die Neuinfektionen mit HIV weiter zurückgegangen – von 3,4 Millionen Menschen im Jahr 2001 auf 2,1 Millionen Menschen in 2013. Dennoch tragen 35 Millionen das Virus weiter in sich. Die Epidemie bleibt ein massives globales Problem.

Doch die rund 12 000 Wissenschaftler, die derzeit alle im australischen Melbourne an der Welt-Aids-Konferenz teilnehmen, verbreiten Optimismus: „Ein Ende der Epidemie ist möglich“, sagt etwa der Direktor des UN-Programms zur Aids-Bekämpfung, Michel Sidibé. „Wir brauchen nur eine Vision.“

Anreize gibt es genug – nicht nur medizinische: So wurde zu Beginn der Konferenz eine Online-Petition namens „Niemanden zurücklassen – gegen Ausgrenzung und Stigma“ gestartet. So leben von den rund 35 Millionen Infizierten 90 Prozent in Schwellen- und Entwicklungsländern. Und nur ein Viertel der erkrankten Kinder und ein Drittel der Erwachsenen bekommen HIV-Medikamente, so die Hilfsorganisation Brot für die Welt. Die Abwehr von Aids bleibt in vielen Ländern weiter ein Privileg der Reichen.

Zudem wirkt eine medizinische Therapie nur mit Aufklärung. Und auch an der hapert es offensichtlich, da immer noch Aidskranke – auch hierzulande – gegen Ausgrenzung und Vorurteile kämpfen müssen. Hinzu kommt das Unwissen über die Krankheit. In Deutschland etwa fühlt sich jeder Zweite nicht gut über Aids informiert. Dass die Zahl der Neuinfektionen dennoch stabil auf niedrigem Niveau bleibe, bedeute nicht, dass die Menschen sich besser schützten, warnt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA). Der Kontakt mit Infizierten ist aufgrund der Behandlung lediglich weniger ansteckend.

Wie lax der Umgang mit Kondomen – dem bisher einzigen Schutz vor dem Virus – ist, zeigt die Statistik der BzgA, nach der die Zahl anderer Geschlechtskrankheiten auch in Deutschland wieder deutlich gestiegen ist.

Auch diese Themen sollen bei der Aids-Konferenz zur Sprache kommen, bestätigten die Organisatoren. Viel Zeit zum Diskutieren bleibt nicht: Die Ausbreitung von HIV bis 2015 zu stoppen und eine Trendwende einzuläuten sind ein Teil der UN-Millenniumsziele, heißt es zu Beginn der Welt-Aids-Konferenz Bis dahin sind es noch 63 Tage.

Info

In Melbourne hat am Sonntag die 20. Welt-Aids-Konferenz begonnen. Rund 12 000 Experten werden bis Freitag über die Forschungsergebnisse und Entwicklungen um die Immunschwächekrankheit debattieren. Die Ziele der Forscher: Die Ausbreitung von HIV soll bis 2015 gestoppt sein, bis 2020 sollen 90 Prozent aller Infizierten Zugang zu Medikamenten haben, bei 90 Prozent soll das Virus nicht mehr nachweisbar sein. 2030 wäre die Epidemie beendet.

Überschattet wird die Konferenz durch den Absturz des malaysischen Passagierflugzeugs in der Ostukraine vergangenen Donnerstag. Dabei starben namhafte Aids-Forscher wie der Niederländer Joep Lange und Glenn Thomas von der Weltgesundheitsorganisation.