Thomas Held Foto: Maike Woydt

Michael Cana aus New York hat sich gemeldet, er sucht Informationen über seine Vorfahren. Einer der ihm dabei helfen kann, ist Thomas Held, er geht regelmäßig ins Archiv und stöbert in der Familiengeschichte.

Degerloch - Thomas Held sitzt vor einem Bildschirm. Darauf sind alte Schriftstücke zu sehen. Es sind Auszüge aus alten Kirchenbüchern. Schnell lässt er die einzelnen Seiten auf dem Bildschirm weiterlaufen. Dann stoppt er sie. Ein Lächeln huscht über Helds Gesicht. „Ich vermute, wir haben gerade den Urgroßvater, Georg Friedrich Neef, gefunden.“

Alle zwei Monate auf der Suche nach Vorfahren

Diese Szene spielt im landeskirchlichen Archiv in Möhringen. Dort ist Thomas Held etwa alle zwei Monate auf der Suche nach Vorfahren der Degerlocher Familie Raff.

Eigentlich ist er Patentanwalt. Seine Leidenschaft für die Familienforschung hat er im Jahr 1983 eher zufällig entdeckt. „Als mein Großvater damals starb, habe ich einige Informationen in dessen Nachlass gefunden und weitergeforscht“, sagt Held.

Ursprünglich hatte der Bruder seines Großvaters in den 1930er-Jahren mit der Forschung begonnen. Dieser war Pfarrer und für die Erstellung der Stammbäume – als Ariernachweis während des NS-Regimes – verantwortlich. „Aus Interesse hat er die gesammelten Informationen weiter vervollständigt“, sagt Thomas Held. Dass er sich für eben diese Familiengeschichte interessiert, ist kein Zufall: Schließlich war seine Ururgroßmutter eine geborene Raff.

Ein New Yorker hat sich gemeldet

Bei seinen Recherchen im landeskirchlichen Archiv hat Thomas Held meist nur ein Ziel: Er versucht, „die Lücken in den alten Aufzeichnungen zu füllen“. Doch im letzten Jahrzehnt gab es nur noch wenig Neues zu entdecken. Vielmehr befasst er sich mit Fragen von Familienmitgliedern, die mehr über ihre Ahnen erfahren wollen.

Dies war auch der Grund für seine Recherche am Mitte März. Der Amerikaner Michael Cana ist auf der Suche nach seinen Verwandten in Degerloch. Der 46-jährige New Yorker weiß, dass eine seiner Vorfahrinnen Marie Magdalene Raph hieß und von Deutschland nach Amerika ausgewandert ist. Sie wurde am 7. Januar 1864 geboren und war die Tochter von Christoph Raph und Katharina Magdalene Neef.

Der Sohn starb achtjährig

Nach seiner Recherche kann Held dieses Wissen noch vervollständigen: Maria Magdalene Raph war das elfte und vorletzte Kind der Familie Raph. In den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts war sie ausgewandert. Wobei das laut Held nicht der richtige Ausdruck ist. Sie sei mit ihrer großen Liebe Paul Jacob „über Nacht heimlich abgehauen“. Jacob hatte in New York als Schreiner gearbeitet. Gemeinsam hatten sie einen Sohn, der ebenfalls Paul hieß. Er wurde am 25. März 1888 in New York geboren und starb acht Jahre später in Degerloch.

Das landeskirchliche Archiv in Möhringen ist eines der wichtigsten Zentren der Familienforschung im Südwesten. Es stellt den Familienforschern Mikrofilme von sämtlichen älteren Kirchenbüchern der Kirchengemeinden der evangelischen Landeskirche in Württemberg zu Forschungszwecken zur Verfügung.

Insgesamt lagern im Magazin des Archivs ungefähr zehn Regalkilometer an alten Tauf-, Ehe- und Totenbüchern, Nachlässe von Pfarrern sowie Familienregister und Stiche von wichtigen Personen, die in der Kirche tätig waren. „Da wir die Originale schonen wollen, stellen wir nur die Mikrofilme zur Verfügung“, sagt Michael Bing. Er ist Sachsgebietsleiter des Kirchenarchivs.

Der Andrang im Archiv steigt stetig

Da der Andrang an Familienforschern und auch die Nachfragen an das Archiv in den vergangenen Jahren stetig gestiegen sind, sei eine „Digitalisierung der Kirchenbücher der nächste logische Schritt“. Seiner Meinung nach steckt das Interesse nach den eigenen Wurzeln in einer zunehmend als anonym empfundenen Welt hinter den steigenden Anfragen.

„Solche Funde wie den Urgroßvater von Marie Magdalene mache ich nur zufällig und es ist eher selten“, sagt Thomas Held. Dennoch freue er sich jedes Mal, wenn er eine Lücke im Familienstammbaum schließen kann. Auch weil er schon als Kind das puzzeln liebte und stolz war, wenn er eines vollendet hatte.