Tiefer Fall eines Ex-Nationalspielers: Walter Kelsch sitzt in Untersuchungshaft Foto: baumann

Die Affäre um den früheren Fußball-Nationalspieler Walter Kelsch weitet sich aus. Die Polizei hat jetzt bekannt gegeben, dass es bei den Ermittlungen um Deutschlands größte Internetplattform für Drogenhandel geht. Festnahmen gab es in Stuttgart und Weissach.

Stuttgart - Betrugsvorwürfe, eine Razzia wegen Drogenhandels – und nun stellt sich auch noch heraus, dass es dabei um illegale Geschäfte im ganz großen Stil geht. Die Schwierigkeiten, in denen Walter Kelsch steckt, werden offenbar immer größer.

Der frühere Fußballer, der beim VfB Stuttgart und in der Nationalmannschaft gespielt hat und vor einigen Jahren noch einmal als Präsidiumsmitglied der Stuttgarter Kickers auf die Fußballbühne zurückgekehrt ist, war am 14. April bei einer Razzia in einer Degerlocher Wohnung festgenommen worden. „Herr Kelsch sitzt nach wie vor in Untersuchungshaft“, bestätigte am Montag ein Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft Verden (Niedersachsen) einen Bericht unserer Zeitung. In der Wohnung seien nach der Durchsuchung „diverse Gegenstände aufgefunden und sichergestellt worden“.

Um was es dabei genau geht, ist seit Montag deutlich klarer, denn die Staatsanwaltschaft in Verden hat mitgeteilt, „Deutschlands größten illegalen Webshop für Betäubungsmittel zerschlagen“ zu haben. Ein wesentlicher Teil davon hat sich im Raum Stuttgart abgespielt. Neben der Degerlocher Wohnung sind am 14. April auch Räume in Weissach (Landkreis Böblingen) durchsucht worden, außerdem ein Haus in Rülzheim (Rheinland-Pfalz). Fünf Tatverdächtige im Alter zwischen 21 und 60 Jahren sitzen seitdem in Untersuchungshaft.

Gruppe soll Drogen im Wert von 1,3 Millionen Euro verkauft haben

Im Keller des Hauses in Rülzheim sind die Fahnder reichlich fündig geworden. Sie stellten dort 54 Kilo Amphetamin, vier Kilo Heroin, 1,3 Kilo Kokain und 25 000 Ecstasy-Tabletten sicher. Der Gruppe, die sich selbst Chemical-Love nennt, wird vorgeworfen, als Bande seit Mai 2015 bis zu den Festnahmen in mehr als 1500 Fällen Betäubungsmittel über ihren Internetshop verkauft zu haben. Der Wert der verkauften Drogen soll mindestens 1,3 Millionen Euro betragen.

Die Gruppe soll dabei offenbar äußerst dreist vorgegangen sein. Laut den Ermittlern hat sie Drogen nicht nur über ein geschlossenes Internetforum angeboten, sondern auch über einen Webshop, der sowohl im offenen Internet erreichbar war als auch im sogenannten Darknet. In dieser speziellen Form des Internets herrschen mehr Anonymität und Abgeschlossenheit.

Dabei hatten die Kunden offenbar eine angenehme Auswahl. „Die angebotenen Betäubungsmittel wurden in einer Gesamtübersicht bebildert dargestellt. Jedes angebotene Betäubungsmittel war außerdem einzeln anwählbar“, so die Staatsanwaltschaft. Abgewickelt wurden die virtuellen Geschäfte letztendlich aber doch ganz herkömmlich: Die bestellten Drogen sind den Kunden einfach auf dem Postweg zugeschickt worden. Laut den Ermittlern sind so an manchen Tagen bis zu 50 Postsendungen auf den Weg gebracht worden.

Suche nach illegalen Webshops

Auf die Spur der mutmaßlichen Drogenhändler ist die Polizei in Hannover gekommen. Dort ist eine spezielle Ermittlungsgruppe eingerichtet worden. Sie beschäftigt sich seit einiger Zeit im Zuge einer internationalen Initiative mit der Bekämpfung illegaler Handelsplätze im Internet. Die Beamten durchsuchen gezielt die Aktivitäten in Internetforen und möglicherweise illegalen Webshops.

Dabei stießen sie auch auf die Gruppe Chemical-Love. Nach Angaben der Ermittler handelt es sich bei deren Aktivitäten um den deutschlandweit größten illegalen Webshop für Betäubungsmittel. Nach monatelangen Ermittlungen unter Beteiligung verschiedenster Dienststellen im gesamten Bundesgebiet schlug die Polizei dann zu. Im Einsatz waren offenbar auch Spezialkräfte aus Stuttgart und Karlsruhe. Und auch international gelang dabei ein Erfolg: Die Computerserver, über die die Verdächtigen den Internethandel abgewickelt haben sollen, wurden in den Niederlanden und in Bulgarien beschlagnahmt.

Welche Rolle Kelsch bei den Geschäften gespielt haben soll, lassen die zuständigen Behörden derzeit offen. Der Fall wird jetzt an die Landeszentralstelle Cybercrime der Generalstaatsanwaltschaft in Koblenz übergeben. Die dortigen Spezialisten für Internetkriminalität werden das Verfahren in Zukunft betreuen.

Ermittlungen wegen Anlagebetruges

Wie berichtet ermittelt nach Recherchen unserer Zeitung aber auch die Stuttgarter Staatsanwaltschaft gegen Kelsch – in drei Fällen wegen des Verdachts des Anlagebetruges. Mehrere frühere Freunde und Geschäftspartner des 60-Jährigen haben ihn angezeigt, weil er bei ihnen hohe Summen eingesammelt haben soll, um sie gewinnbringend anzulegen. Das Geld sei jedoch nie zurückgezahlt worden. Bei den drei Fällen geht es um einen Betrag im hohen sechsstelligen Bereich. Betroffene berichten aber von Schäden, die in die Millionen gehen sollen.

Aus der Stuttgarter Anwaltskanzlei, die Kelsch vertritt, kam am Montag die Aussage, man könne sich zu dem Fall nicht äußern. Bereits in den vergangenen Monaten gab es von dort auf Anfragen unserer Zeitung zu den Betrugsvorwürfen keine Reaktion. Kelsch selbst hatte in einem persönlichen Gespräch im Jahr 2013 die ersten aufkommenden Gerüchte über Unregelmäßigkeiten als falsch zurückgewiesen. Bereits damals hatte es Vorwürfe gegen ihn im Zuge von Immobiliengeschäften gegeben.