Spitzenkandidat der AfD bei der Europawahl: Bernd Lucke Foto: dpa

Bei der Bundestagswahl ist die europakritische Alternative für Deutschland (AfD) an der Fünfprozenthürde gescheitert, der Einzug in das Europaparlament scheint aber sicher. Der Bundes­vorsitzende Bernd Lucke macht sich für mehr Themen stark.

Bei der Bundestagswahl ist die europakritische Alternative für Deutschland (AfD) an der Fünfprozenthürde gescheitert, der Einzug in das Europaparlament scheint aber sicher. Der Bundesvorsitzende Bernd Lucke macht sich für mehr Themen stark.

Stuttgart - Herr Lucke, rückt Europa durch die Ukraine-Krise näher zusammen?
Ich glaube, dass sich Europa stärker der Tatsache bewusst wird, dass es auch äußere Bedrohungen geben kann. Es geht ja hier um die Frage des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Das trifft nicht nur die Russen in der Ukraine, sondern auch die baltischen Länder mit ihren großen russischen Minderheiten. Und die baltischen Länder sind ja Mitglied in der EU und in der Nato. Es handelt sich um ein sicherheitspolitisches Problem, und da rückt man wohl näher zusammen.
Trägt die EU eine Mitschuld an der Krise?
Nein, Mitschuld ist zu stark. Aber die EU hat vielleicht etwas zu forsch gehandelt und zu wenig Rücksicht genommen auf sicherheitspolitische Empfindlichkeiten Russlands. Im Rückblick würde man möglicherweise zu dem Schluss kommen, man hätte vorsichtiger agieren müssen.
Zum Erscheinungsbild der AfD: In Ihrer Partei herrscht ziemliche Unruhe, man hört von Rücktritten in Landesverbänden.
Ihr Eindruck ist nicht ganz richtig. Die Partei war immer ausgesprochen lebendig. Das war auch im Vorfeld der Bundestagswahl im vergangenen Jahr so. Richtig ist: In manchen Landesverbänden hatten wir inhaltliche und personelle Auseinandersetzungen. Die Mitglieder mussten sich ja erst einmal finden. Es sind viele Menschen zusammengekommen, die sich vorher überhaupt nicht kannten. Da harmoniert halt nicht jeder mit jedem. Aber wichtig ist: Wir sind inhaltlich sehr einig. Es gibt, anders als es die Presse manchmal glauben machen will, keine Flügelkämpfe.
Aber es gibt in der AfD Richtungskämpfe um den europapolitischen Kurs. Die einen lehnen Europa ab, die anderen sind EU-Befürworter.
Nein, eben nicht. Alle Mitglieder sind relativ skeptisch in Bezug auf die Entwicklung, die die Europäische Union neuerdings nimmt. Die Transfer- und Haftungsunion, die mit der Euro-Rettung aufgebaut wird, lehnen wir ab. Es gibt allerdings graduelle Unterschiede in der Bewertung dessen, was das Idealbild Europas ist. Manche Mitglieder wollen sich auf den gemeinsamen Binnenmarkt beschränken. Die Mehrheit sieht weitere sinnvolle Integrationsmöglichkeiten, zum  Beispiel auch eine gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik. Aber allen gemeinsam ist die Ablehnung einer Entwicklung hin zu einem europäischen Bundesstaat. Wir wollen die EU als Bund souveräner Staaten erhalten. Dabei muss zum Beispiel die Gestaltungshoheit für Fiskalpolitik, für Bildungspolitik und für Sozialpolitik bei den Mitgliedsländern verbleiben.
Bisher ist die AfD als Ein-Themen-Partei aufgetreten. Müssen Sie das Themenspektrum der AfD nicht erweitern?
Wir haben immer andere Themen besetzt, zum Beispiel in der Bildungspolitik, der Energiepolitik und der inneren Sicherheit. Wir setzen uns für direkte Demokratie und Volksentscheide ein. Demnächst wollen wir unsere Forderung nach einem einfacheren Steuersystem mit einer sozialen Sicherung für Geringverdienende ausstatten. Dann braucht man keinen Mindestlohn mehr.
Aber Ihrer Partei fehlt insgesamt doch etwas Rückenwind.
Zurzeit wird der Eindruck erweckt, die Euro- und die Staatsschuldenkrise klinge ab. Dabei ist die Krise überhaupt nicht bewältigt, die Staatsschulden sind höher als je zuvor, die Bankenkrise schwelt weiter, die Wettbewerbsfähigkeit der Krisenstaaten hat sich nicht verbessert. Wenn sich die Weltkonjunktur eintrübt, kommen die alten Probleme wieder. Man muss das Bewusstsein in der Bevölkerung dafür schärfen, dass nur an den Symptomen kuriert wurde – mit sehr, sehr viel Geld. Und das wird verstanden. In den Meinungsumfragen liegen wir bei sechs bis acht Prozent.
Mit wem will die AfD eigentlich im Europaparlament zusammenarbeiten?
Es werden die Parteien sein, die ebenfalls eine Euro-skeptische Haltung vertreten, aber eine Zusammenarbeit mit irgendwelchen Rechtspopulisten schließe ich aus – das sind zum Beispiel der französische Front National, die Partei des Niederländers Geert Wilders oder die österreichische FPÖ. Als Kooperationspartner könnte ich mir die britischen Konservativen vorstellen oder die tschechische bürgerliche Partei ODS und einige andere mehr.
Wie sieht Ihre weitere Karriereplanung aus?
Da ich höchstwahrscheinlich ins Europäische Parlament gewählt werde, werde ich für fünf Jahre mein Beamtenverhältnis ruhen lassen und das Mandat wahrnehmen.