Bisher wenig beliebt: der anstrengende Job des Hausarztes. Das scheint sich zu ändern. Foto: dpa

Jahrelang wollte kaum ein Mediziner in die Provinz. Nun erwacht das Interesse offenbar wieder – dank der Unterstützung der Politik.

Bempflingen - Erste Anzeichen für eine Entspannung beim Hausärztemangel sieht Berthold Dietsche, Vorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands in Baden-Württemberg. „Es gibt keinen Zweifel daran, dass es Bewegung gibt“, sagte er unserer Zeitung. Die Talsohle sei durchschritten, der stetige Rückgang des Nachwuchses für hausärztliche Niederlassungen sei gestoppt. Entsprechende Initiativen der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) und der Landesregierung zeigten erste Wirkung, bundesweite Reformen der vergangenen Jahre ebenso.

Dietsche verwies beispielsweise auf die Neuregelung des Notfalldienstes der niedergelassenen Mediziner, auf den Wegfall der Residenzpflicht sowie auf Erleichterungen für Quereinsteiger, sich als Hausarzt niederzulassen. Es gebe ein großes Interesse etwa von Anästhesisten, die bislang im klinischen Bereich tätig sind. Konkrete Zahlen nannte Dietsche nicht.

Ausdrücklich lobte er Pläne der Landesregierung, an allen medizinischen Hochschulen allgemeinmedizinische Fakultäten einzurichten. „Die Studenten müssen die Chance haben, die Tätigkeit des Hausarztes überhaupt kennenzulernen“, sagte er. Nur so könne für das Berufsbild auch wieder eine höhere Wertigkeit etabliert werden.

Die meisten Ärzte auf dem Land sind alt

Auf der Online-Praxisbörse des Hausärzteverbands Baden-Württemberg waren am Donnerstag landesweit 88 Praxen gelistet, die eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger suchen. 19 Kommunen waren dort ebenfalls auf der Suche nach einem Mediziner. Manche Praxen gingen binnen weniger Wochen weg, andere seien schwer vermittelbar und viele Monate im Angebot, sagte Manfred King, der die Webseite für den Hausärzteverband betreut.

Die KVBW erwartet angesichts des hohen Altersdurchschnitts unter den Hausärzten im Land für die kommenden Jahre einen entsprechenden Nachwuchsbedarf. Derzeit sind 35 Prozent der 7102 Hausärzte im Land über 60 Jahre alt.

Das Interesse der Studierenden wächst

Wilhelm Niebling, Leiter des Lehrbereichs Allgemeinmedizin am Uniklinikum Freiburg, bestätigte ein gestiegenes Interesse der Studierenden. In der Folge legten wieder deutlich mehr junge Mediziner die Facharztprüfung für Allgemeinmedizin vor den Bezirksärztekammern ab. Deren „hohe Zahl“ spreche dafür, dass die Verbesserungen und Anreize der vergangenen Jahre sich nun zumindest in Baden-Württemberg positiv auswirkten. Zu bedenken sei aber, dass nicht alle Nachwuchskräfte unmittelbar eine eigene Niederlassung als Hausarzt anstrebten. Viele wünschten zunächst eine Anstellung.

Nach Zahlen der Landesärztekammer ist bei der Anerkennung von Facharztbezeichnungen in der Allgemeinmedizin seit Jahren ein deutlicher Aufwärtstrend zu beobachten. 2015 wurden 198 Allgemeinmediziner bestätigt. In den Jahren davor waren es 167 (2014), 170 (2013), 145 (2012), 122 (2011) und 141 (2010) gewesen.