David Jakobs als Quasimodo in dem Musical „Der Glöckner von Notre Dame“, das im nächsten Jahr von München nach Stuttgart wechselt. Foto: Stage Entertainment

Für das Musical „Der Glöckner von Notre Dame“ zahlen Besucher in Stuttgart bis zu 75 Euro mehr als in München, wo die Show in derselben Inszenierung gespielt wird. Die Stage Entertainment begründet dies mit „Investionen für den Produktionsaufbau“.

Stuttgart - David Jakobs ist ein ansehnlicher junger Mann. Als buckliger Quasimodo muss er im Disney-Musical „Der Glöckner von Notre Dame“ (Stuttgart-Premiere am 18. Februar im Apollo-Theater) zum Gegenteil davon werden. Dem 34-Jährigen gefällt dies gut.

„Für einen Schauspieler ist es schön, hässlich sein zu dürfen“, sagt der Blondschopf strahlend nach seinem kurzen Auftritt im Foyer des Apollo-Theaters, seiner künftigen Wirkungsstätte. Die Herausforderung, Sachen zu spielen, die man im eigenen Leben nicht kenne, sei für einen Künstler besonders reizvoll, findet der in Mönchengladbach geborene Musicaldarsteller.

Auf der Bühne muss er das Gesicht mit aufgemalten Striemen permanent verziehen, als sei es schief gewachsen. Auf krummen Beinen humpelt er mit aufgeschnalltem Buckel. Die Rolle, die Jakobs bis Januar im Deutschen Theater in München verkörpert und davor in Berlin im Theater des Westen gespielt hat, verlangt viel von ihm. Obwohl er keinen Kostümwechsel im Stück hat, ziehe er sich während der Show verschwitzt um, erzählt der „Glöckner“ im Foyer.

Jakobs begeistert als Quasimodo in Stuttgart

Zum Herbstempfang der Stuttgarter Musicals präsentiert die Stage Entertainment den künftigen Helden der Filder. Ohne Kostüm singt der 34-Jährige im gestreiften Anzug vor Multiplikatoren der Stadt. Sein Gesang ist die beste Werbung für die Show, die im Mittelalter spielt, aber, wie der ebenfalls aus München angereiste Frollo-Darsteller Felix Martin versichert, „sehr heutig“ ist. Es gehe darum, wie eine Gesellschaft mit Menschen umgeht, die anders sind.

Quasimodo ist die literarische Übersetzung der Hässlichkeit. Unglücklich ist er in Esmeralda verliebt. Das Vollblutweib verdreht den Männern die Köpfe, will aber keusch bleiben. Die Geschichte ist seit Generationen bekannt – ob aus dem Schulunterricht, der Verfilmung oder dem Disney-Zeichentrick-Kinohit. In München jubelten die Medien nach der Premiere Mitte November im Deutschen Theater. „David Jakobs ist als Quasimodo eine Wucht“, schrieb etwa die „Abendzeitung“, „er ist der Krüppel des Herzens.“ Die Show der Tour-Produktion wird mit denselben Hauptdarstellern, denselben Kulissen und denselben Kostümen nächsten Februar nach Stuttgart kommen – und doch gibt es einen großen Unterschied. Disneyfans müssen fürs Apollo-Theater viel tiefer in die Tasche greifen. In München mögen die Immobilienpreise noch über denen von Stuttgart liegen – beim Musical liegen sie weit darunter.

In Stuttgart ist der schlechteste Platz fast so teuer wie der beste in München

An einem Samstagabend zahlt man in München bei „Glöckner von Notre Dame“ für einen Platz in der ersten Reihe 90 Euro, in Stuttgart am Samstagabend bei derselben Show 165,90 Euro. Die fünfte Preiskategorie kostet in München samstags 45 Euro, in Stuttgart 83,90 Euro. Wer mag das verstehen? In Stuttgart ist der schlechteste Platz fast so teuer wie der beste in München.

Warum muss man im SI-Centrum bis zu 75 Euro mehr bezahlen für das selbe Angebot? Stage-Sprecher Matthias Pusch will sich zu München nicht äußern. „Da wir die Preiskalkulation des Deutschen Theaters nicht kennen, können wir uns nur auf Stuttgart beziehen“, sagt er. Die Stage verzeichne „erhebliche Investitionen für den Produktionsaufbau eines Musicals“, die man berücksichtigen müsse. „Unsere Preisgestaltung ermöglicht einen langfristigen Spielbetrieb in beiden Stuttgarter Häusern und erlaubt, innerhalb der vorgesehenen Laufzeit eines Stückes in die Gewinnzone zu kommen“, so Pusch. Darüber gebe es „attraktive Preise“ für Rentner, Studenten, Gruppen oder Behinderte sowie Ermässigungen bei bestimmten Anlässen.

Münchner Bühne arbeitet äußerst erfolgreich

An der Bezuschussung liegt es nicht, dass Musicalbesuche in München erheblich günstiger sind. Denn die städtische Bühne arbeitet äußerst erfolgreich. Von der Jahresförderung von 1,7 Millionen Euro hat sie zuletzt nur 338 000 Euro benötigt. Da das Theater das meiste Geld der Förderung zurückzahlen konnte, betrug die Förderung pro Zuschauer zuletzt lediglich 1,07 Euro.

Musicalfans, die immer wieder über zu hohe Preise in Stuttgart klagen, sagen: Bei günstigeren Karten würden sie öfter kommen – unterm Strich also für eine bessere Auslastung sorgen. Um die Vorverkäufe anzukurbeln, werden die Stücke immer kürzer gespielt. Keiner soll sagen, es bleibe noch viel Zeit für einen Showbesuch.. Das Musical „Bodyguard“ wird bereits im Oktober im Palladium-Theater abgesetzt und wechselt dann nach Wien. Der „Glöckner“ soll bis Anfang 2019 bleiben – es sei denn, das Publikum bleibt aus, weil die Karten im Vergleich zu München viel zu teuer sind.