Mama boxt mit: Trevor Jackson, die Zweitbesetzung des Apollo Creed im Musical „Rocky“, mit seiner aus Atlanta angereisten Mutter Geraldine Jackson. Foto: Thomas Niedermüller

Die Boxer-Show „Rocky“, die als Flop galt, sorgt vor dem nahenden Abschied am 12. Januar für volle Reihen im Palladium-Theater. Das Grusical „Tanz der Vampire“ wird am 26. Januar dort folgen – und hat bei Fans eine Debatte über hohe Musicalpreise ausgelöst.

Stuttgart - Mund auf, Zähne raus, in den Hals gebissen. Blutsauger kommen rum – vor allem, wenn sie im Dienste von Roman Polanski niemals sterben. Sehr lange haben die Bayern auf das 1997 in Wien uraufgeführte und bereits zweimal in Stuttgart gespielte Grusical „Tanz der Vampire“ warten müssen. Die Gier ist unstillbar, wie momentan das Deutsche Theater in München mit fast immer ausverkauften Vorstellungen erlebt.

Bis zum 15. Januar wird an der Isar eines der besten deutschsprachigen Musicals mit Jan Ammann als Graf Krolock in genau jener Inszenierung der Stage Entertainment aufgeführt, die davor in Berlin war und erneut nach Möhringen kommt.

163,90 Eintritt für den besten Platz in Stuttgart

Die Freude der Vampirfans über die dritte Spielzeit der steilen Zähne ist in Stuttgart etwas getrübt, weil die Eintrittskarten viel teurer als in München sind – obwohl es sich um die genau selbe Produktion mit denselben Bühnenbildern und derselben Ausstattung handelt. Wer etwa für Samstag, 4. Februar, 19.30 Uhr, einen Platz der besten Kategorie (in der Mitte bis Reihe 13) im Palladium-Theater wünscht, zahlt 163,92 Euro. Ein Samstag, etwa am 2. Dezember, 19.30 Uhr, beim „Tanz der Vampire“ im Deutschen Theater in München kostet dagegen in der ersten Preiskategorie „nur“ 99 Euro. Stuttgart also ist um stolze 64 Euro teurer.

Oder werden Äpfel mit Birnen verglichen? Die Häuser der Stage Entertainment werden privatwirschaftlich geführt – das 1896 eröffnete Deutsche Theater hingegen befindet sich seit 1982 in städtischer Hand. Wer Jürgen Marx, den Südwest-Chef der Stage Entertainment, auf die Preisunterschiede hinweist, hört als Antwort, die öffentliche Förderung erlaube eine andere Preisgestaltung. Dies hat Georg Kleesattel, den Pressesprecher des Deutschen Theaters, zu einer Klarstellung gegenüber unserer Zeitung veranlasst. Die Preisdifferenz von 64 Euro könne nicht mit der Bezuschussung erklärt werden. Denn das Münchner Traditionshaus arbeitet äußert erfolgreich. Von der Jahresförderung von 1,7 Millionen Euro hat es zuletzt nur 338 000 Euro benötigt. Da das Theater das meiste Geld der Förderung zurückzahlen konnte, betrug die Förderung pro Zuschauer also lediglich 1,07 Euro.

Musicalfans sind verärgert

Stephan Jaekel , der Unternehmenssprecher der Stage, hat am Freitag die Kritik an hohen Musicalpreisen in Stuttgart zurückgewiesen. „Welche Kosten das Münchner Theater unter der ,Förderung pro Zuschauer’ genau abdeckt, entzieht sich unserer Kenntnis“, sagte er. Nicht in die dort genannte Summe einbezogen seien auf jeden Fall „unsere erheblichen Investitionsausgaben für den Produktionsaufbau des Musicals“. Außerdem zahle die Stage für das Palladium eine Miete, die viel höher sei als die für das Deutsche Theater. Die Münchner Kollegen müssten obendrein nicht gewinnbringend arbeiten. „Wir aber brauchen die Gewinne, um in der Lage zu sein, neue Shows produzieren zu können“, so Jaekel.

Die hohen Preise, meint Klaus Schnaidt als Vertreter der Musicalfans, schaden dem heimischen Musicalstandort. „Die Musicallandschaft in Deutschland ist so stark gewachsen“, sagt er, „dass viele Fans in ganz Deutschland umherpilgern und die teuren Produktionen meiden.“ Viele Mitglieder der Fanclubs buchen Vorstellungen in München. „Bei den Preisen in Stuttgart kann ich es mir nicht mehr leisten, wie früher mehrmals in die Show zu gehen“, ist zu hören.

Qualität, keine Frage, hat ihren Preis. Hohe Qualität liefert die Stage Entertainment beim Boxer-Musical „Rocky“, das die Erwartungen trotzdem nicht erfüllt hat. Ein offenes Geheimnis ist, dass die Musicalmacher für diese aufwendige Produktion in Stuttgart drauflegen mussten. Sollen die Verluste bei „Rocky“ mit den ewig erfolgreichen Vampiren ausgeglichen werden?

Vor dem Abschied von „Rocky“ füllen sich die Reihen

Das nahende Ende der Boxer-Love-Story sorgt nun endlich für volle Zuschauerreihen im Palladium. Stage-Sprecher Jaekel freut sich über „eine schöne Würdigung dieser außergewöhnlichen Produktion durch die Besucher in der Schlussphase“. Sogar Gäste aus den USA sind eingeflogen: Trevor Jackson, der zu „Miss Saigon“ nach Stuttgart kam und der Liebe wegen hier blieb, bezahlte seiner Mutter und seinem Bruder den Flug aus den USA, damit sie ihn zum ersten Mal auf der Bühne als Apollo Creed sehen konnten. Es flossen Tränen.

Das Musical ist ein Ort der Freudentränen – ein Ort der großen Gefühle. Daran wollen viele teilhaben. Doch immer mehr können es sich nicht leisten. Dabei könnten billigere Preise für viel mehr Kartenverkäufe sorgen – für eine noch größere Musicalliebe.